Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.hielten, so mußte ihm doppelt unerwünscht sein, voraussehen zu müssen, daß die Man hat bisher über diese Seite der östreichischen Intriguen nur die An¬ Wie früh die Königsfamilie Ursache zum Mißtrauen gegen Oestreich zu hielten, so mußte ihm doppelt unerwünscht sein, voraussehen zu müssen, daß die Man hat bisher über diese Seite der östreichischen Intriguen nur die An¬ Wie früh die Königsfamilie Ursache zum Mißtrauen gegen Oestreich zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285701"/> <p xml:id="ID_336" prev="#ID_335"> hielten, so mußte ihm doppelt unerwünscht sein, voraussehen zu müssen, daß die<lb/> Krone eines Tages auf den begabten, ehrgeizigen, in liberalen Grundsätzen er-<lb/> zogenen Prinzen überging, der schon als Prinz der Stolz des jungen Adels in<lb/> Piemont war, und auf den auch das übrige Italien bereits die Blicke richtete.<lb/> Oestreich war zur Zeit der wiener Verträge und Dank ihnen, allmächtig, aber<lb/> konnte es in die Zukunft mit derselben Zuversicht blicken wie auf die Gegen¬<lb/> wart? Es war allmächtig — sollte es ihm nicht möglich sein durchzusetzen,<lb/> daß der unangenehme Prinz ausgeschlossen, das ganze savovische Haus beseitigt<lb/> und der werthvolle Staat in sichere Freundeshand und gar in die Familie ge¬<lb/> spielt wurde? In der That, mit solchen Planen trug sich Oestreich, und nicht<lb/> qllzu schwer schien es, das Ziel zu erreichen. Victor Emanuel war ohne männ¬<lb/> liche Nachkommen, der Nächste am Thron, sein Bruder Karl Felix, kinderlos.<lb/> Starb dieser, so kam die Krone nach der im Hause geltenden salischen Erbord¬<lb/> nung an jenen Sprossen der jüngeren Linie Carignan, die von Karl Emanuels<lb/> (f M0) zweitem Sohne abstammte. Nun durfte nur diese Erbordnung ab¬<lb/> geändert werden und der Thron fiel an Victor Emanuels Tochter Beatrix und<lb/> deren Gemahl, den Erzherzog Franz, Herzog von Modena, jenes ränkesüchtige<lb/> Muster von einem Fürsten nach dem Herzen der heiligen Allianz.</p><lb/> <p xml:id="ID_337"> Man hat bisher über diese Seite der östreichischen Intriguen nur die An¬<lb/> deutungen bei Gualterio und Farini gehabt, welche z. B. Gervinus nicht be-<lb/> sonders zuverlässig scheinen wollten. Indessen erhalten die Indicien durch<lb/> Bianchch Documente sehr beträchtlichen Zuwachs und Verstärkung. Mögen auch<lb/> die Gefahren übertrieben worden sein, so ist doch nicht denkbar, daß die großen<lb/> Cabinete viele Jahre hindurch immer wieder ernsthaft auf die Sache zurück¬<lb/> kamen, wenn nicht triftige Gründe dafür vorhanden waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_338" next="#ID_339"> Wie früh die Königsfamilie Ursache zum Mißtrauen gegen Oestreich zu<lb/> haben glaubte, geht aus einem interessanten Brief hervor, den Karl Felix im<lb/> IM 1814 an seinen Bruder Victor Emanuel schrieb. Metternich hatte damals<lb/> bey König aufgefordert, den jungen Prinzen in das Lager der Verbündeten zu<lb/> senden. Um seinen Rath hierüber angegangen schreibt Karl Felix: Die Sache<lb/> des Prinzen Carignan ist sehr unangenehm. Ich war schonn layge darauf ge¬<lb/> faßt. Soll ich Ihnen aufrichtig meine Meinung sagen, so verheirathen Sie ihn<lb/> baldmöglichst. Sonst wird man ihn entweder aus dem Wege räumen oder ihn<lb/> zu Grunde richten, so daß er keine Nachkommenschaft mehr bekommt, oder man<lb/> wird ihn irgendeine schlechte Heirath machen lassen. Er würde sich ebenso<lb/> übel befinden im Lager Wellingtons, wegen der Religion, wie bei den Deutschen,<lb/> aus allen andern Gründen. Vorsicht ist zu allen Dingen nütze. Man hat uns<lb/> nur deshalb so gut behandelt, um uns eines Tages zu berauben und dem Haus<lb/> Savoyen ein Ende zu machen. Es ist das ein gewöhnliches Spiel des wiener<lb/> Eabinets, auf diese Weise ist es Mit dem Haus Este umgegangen. . . . Ich</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0113]
hielten, so mußte ihm doppelt unerwünscht sein, voraussehen zu müssen, daß die
Krone eines Tages auf den begabten, ehrgeizigen, in liberalen Grundsätzen er-
zogenen Prinzen überging, der schon als Prinz der Stolz des jungen Adels in
Piemont war, und auf den auch das übrige Italien bereits die Blicke richtete.
Oestreich war zur Zeit der wiener Verträge und Dank ihnen, allmächtig, aber
konnte es in die Zukunft mit derselben Zuversicht blicken wie auf die Gegen¬
wart? Es war allmächtig — sollte es ihm nicht möglich sein durchzusetzen,
daß der unangenehme Prinz ausgeschlossen, das ganze savovische Haus beseitigt
und der werthvolle Staat in sichere Freundeshand und gar in die Familie ge¬
spielt wurde? In der That, mit solchen Planen trug sich Oestreich, und nicht
qllzu schwer schien es, das Ziel zu erreichen. Victor Emanuel war ohne männ¬
liche Nachkommen, der Nächste am Thron, sein Bruder Karl Felix, kinderlos.
Starb dieser, so kam die Krone nach der im Hause geltenden salischen Erbord¬
nung an jenen Sprossen der jüngeren Linie Carignan, die von Karl Emanuels
(f M0) zweitem Sohne abstammte. Nun durfte nur diese Erbordnung ab¬
geändert werden und der Thron fiel an Victor Emanuels Tochter Beatrix und
deren Gemahl, den Erzherzog Franz, Herzog von Modena, jenes ränkesüchtige
Muster von einem Fürsten nach dem Herzen der heiligen Allianz.
Man hat bisher über diese Seite der östreichischen Intriguen nur die An¬
deutungen bei Gualterio und Farini gehabt, welche z. B. Gervinus nicht be-
sonders zuverlässig scheinen wollten. Indessen erhalten die Indicien durch
Bianchch Documente sehr beträchtlichen Zuwachs und Verstärkung. Mögen auch
die Gefahren übertrieben worden sein, so ist doch nicht denkbar, daß die großen
Cabinete viele Jahre hindurch immer wieder ernsthaft auf die Sache zurück¬
kamen, wenn nicht triftige Gründe dafür vorhanden waren.
Wie früh die Königsfamilie Ursache zum Mißtrauen gegen Oestreich zu
haben glaubte, geht aus einem interessanten Brief hervor, den Karl Felix im
IM 1814 an seinen Bruder Victor Emanuel schrieb. Metternich hatte damals
bey König aufgefordert, den jungen Prinzen in das Lager der Verbündeten zu
senden. Um seinen Rath hierüber angegangen schreibt Karl Felix: Die Sache
des Prinzen Carignan ist sehr unangenehm. Ich war schonn layge darauf ge¬
faßt. Soll ich Ihnen aufrichtig meine Meinung sagen, so verheirathen Sie ihn
baldmöglichst. Sonst wird man ihn entweder aus dem Wege räumen oder ihn
zu Grunde richten, so daß er keine Nachkommenschaft mehr bekommt, oder man
wird ihn irgendeine schlechte Heirath machen lassen. Er würde sich ebenso
übel befinden im Lager Wellingtons, wegen der Religion, wie bei den Deutschen,
aus allen andern Gründen. Vorsicht ist zu allen Dingen nütze. Man hat uns
nur deshalb so gut behandelt, um uns eines Tages zu berauben und dem Haus
Savoyen ein Ende zu machen. Es ist das ein gewöhnliches Spiel des wiener
Eabinets, auf diese Weise ist es Mit dem Haus Este umgegangen. . . . Ich
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