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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Rheinbund-Fürsten und -Völker so viel deutsches Blut in den Adern haben, daß
sie sich einer Bundesgenossenschaft mit Frankreich schämen.

Ein Krieg Preußens gegen Frankreich ist größere Arbeit, als der Krieg
gegen Oestreich. Preußen ist sich der Gefahr eines solchen Waffenganges be¬
wußt, aber es wird ihm nicht ausweichen, wenn der Kaiser dazu nöthigt. Wie
der Erfolg eines solchen Kriegs sein wird, das steht bei dem Willen, welcher
die Schlachten lenkt. Ob Sieger, ob Besiegte, die Preußen werden durch
diesen Krieg zu tödtlichen Feinden nicht Frankreichs, aber der kaiserlichen Dynastie.

Alle Hoffnung und alle Kraftentwickelung, welche den Deutschen in diesen
Wochen vergönnt ist, ruht in dem preußischen Heer. Ist die Nothwendigkeit
vorhanden, dasselbe an den Rhein zu führen, dann wird noch einmal an die
Deutschen, welche nicht Bundesgenossen Preußens sind, die Frage gerichtet werden,
ob sie Clienten Frankreichs sein wollen, mißachtet und verhandelt auch von den
Franzosen, oder ob sie in der letzten Stunde in ihrer Seele etwas finden, was
ihnen den Kampf um einen deutschen Staat theuer macht. Wir hoffen, daß
wenigstens dann in den mannhaften Hannoveranern und Hessen der deutsche
Sinn zu wackeren Entschluß treiben wird.

Unterdeß leben die Preußen in ähnlicher Stimmung, wie im Jahre 1813,
hochgehoben sind dort die Gedanken, das eigene Leben ist weniger werth geworden
und leidenschaftlich die Theilnahme der Einzelnen am Staate. Nach fünfzig
Friedensjahren glüht dort im Volk wie in dem Königshause das begeisterte
Gefühl auf, daß die Tage gekommen sind, wo das jetzt lebende Geschlecht sich
zu opfern hat für eine gute Zukunft. Zum zweiten Mal sind sie Führer und
Vertreter der deutschen Interessen geworden, unter ungünstigen Verhältnissen
gegen eine ungeheuere Uebermacht. Aber es scheint das Schicksal dieses Staates,
in der Noth sich seiner Tüchtigkeit und seines Berufs bewußt zu werden und
die Seelen der Menschen nicht durch Milde und Gunst, sondern durch den tiefen
Respect zu erobern, den er ihnen abnöthigt. Und der Ruf, welcher die preu¬
ßische Armee in Böhmen an die Sohlen der Feinde heftet, das Lieblingswort
Blüchers, soll auch der muthige Feldruf der preußischen Politik sein:

Vorwärts!




Rheinbund-Fürsten und -Völker so viel deutsches Blut in den Adern haben, daß
sie sich einer Bundesgenossenschaft mit Frankreich schämen.

Ein Krieg Preußens gegen Frankreich ist größere Arbeit, als der Krieg
gegen Oestreich. Preußen ist sich der Gefahr eines solchen Waffenganges be¬
wußt, aber es wird ihm nicht ausweichen, wenn der Kaiser dazu nöthigt. Wie
der Erfolg eines solchen Kriegs sein wird, das steht bei dem Willen, welcher
die Schlachten lenkt. Ob Sieger, ob Besiegte, die Preußen werden durch
diesen Krieg zu tödtlichen Feinden nicht Frankreichs, aber der kaiserlichen Dynastie.

Alle Hoffnung und alle Kraftentwickelung, welche den Deutschen in diesen
Wochen vergönnt ist, ruht in dem preußischen Heer. Ist die Nothwendigkeit
vorhanden, dasselbe an den Rhein zu führen, dann wird noch einmal an die
Deutschen, welche nicht Bundesgenossen Preußens sind, die Frage gerichtet werden,
ob sie Clienten Frankreichs sein wollen, mißachtet und verhandelt auch von den
Franzosen, oder ob sie in der letzten Stunde in ihrer Seele etwas finden, was
ihnen den Kampf um einen deutschen Staat theuer macht. Wir hoffen, daß
wenigstens dann in den mannhaften Hannoveranern und Hessen der deutsche
Sinn zu wackeren Entschluß treiben wird.

Unterdeß leben die Preußen in ähnlicher Stimmung, wie im Jahre 1813,
hochgehoben sind dort die Gedanken, das eigene Leben ist weniger werth geworden
und leidenschaftlich die Theilnahme der Einzelnen am Staate. Nach fünfzig
Friedensjahren glüht dort im Volk wie in dem Königshause das begeisterte
Gefühl auf, daß die Tage gekommen sind, wo das jetzt lebende Geschlecht sich
zu opfern hat für eine gute Zukunft. Zum zweiten Mal sind sie Führer und
Vertreter der deutschen Interessen geworden, unter ungünstigen Verhältnissen
gegen eine ungeheuere Uebermacht. Aber es scheint das Schicksal dieses Staates,
in der Noth sich seiner Tüchtigkeit und seines Berufs bewußt zu werden und
die Seelen der Menschen nicht durch Milde und Gunst, sondern durch den tiefen
Respect zu erobern, den er ihnen abnöthigt. Und der Ruf, welcher die preu¬
ßische Armee in Böhmen an die Sohlen der Feinde heftet, das Lieblingswort
Blüchers, soll auch der muthige Feldruf der preußischen Politik sein:

Vorwärts!




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[0102] Rheinbund-Fürsten und -Völker so viel deutsches Blut in den Adern haben, daß sie sich einer Bundesgenossenschaft mit Frankreich schämen. Ein Krieg Preußens gegen Frankreich ist größere Arbeit, als der Krieg gegen Oestreich. Preußen ist sich der Gefahr eines solchen Waffenganges be¬ wußt, aber es wird ihm nicht ausweichen, wenn der Kaiser dazu nöthigt. Wie der Erfolg eines solchen Kriegs sein wird, das steht bei dem Willen, welcher die Schlachten lenkt. Ob Sieger, ob Besiegte, die Preußen werden durch diesen Krieg zu tödtlichen Feinden nicht Frankreichs, aber der kaiserlichen Dynastie. Alle Hoffnung und alle Kraftentwickelung, welche den Deutschen in diesen Wochen vergönnt ist, ruht in dem preußischen Heer. Ist die Nothwendigkeit vorhanden, dasselbe an den Rhein zu führen, dann wird noch einmal an die Deutschen, welche nicht Bundesgenossen Preußens sind, die Frage gerichtet werden, ob sie Clienten Frankreichs sein wollen, mißachtet und verhandelt auch von den Franzosen, oder ob sie in der letzten Stunde in ihrer Seele etwas finden, was ihnen den Kampf um einen deutschen Staat theuer macht. Wir hoffen, daß wenigstens dann in den mannhaften Hannoveranern und Hessen der deutsche Sinn zu wackeren Entschluß treiben wird. Unterdeß leben die Preußen in ähnlicher Stimmung, wie im Jahre 1813, hochgehoben sind dort die Gedanken, das eigene Leben ist weniger werth geworden und leidenschaftlich die Theilnahme der Einzelnen am Staate. Nach fünfzig Friedensjahren glüht dort im Volk wie in dem Königshause das begeisterte Gefühl auf, daß die Tage gekommen sind, wo das jetzt lebende Geschlecht sich zu opfern hat für eine gute Zukunft. Zum zweiten Mal sind sie Führer und Vertreter der deutschen Interessen geworden, unter ungünstigen Verhältnissen gegen eine ungeheuere Uebermacht. Aber es scheint das Schicksal dieses Staates, in der Noth sich seiner Tüchtigkeit und seines Berufs bewußt zu werden und die Seelen der Menschen nicht durch Milde und Gunst, sondern durch den tiefen Respect zu erobern, den er ihnen abnöthigt. Und der Ruf, welcher die preu¬ ßische Armee in Böhmen an die Sohlen der Feinde heftet, das Lieblingswort Blüchers, soll auch der muthige Feldruf der preußischen Politik sein: Vorwärts!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/102>, abgerufen am 03.07.2024.