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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Mittel gleichmäßig über das ganze Feld hin zu vertheilen, das übrige Deutschland
in Preußens Consularvcrtretung mit hereinzuziehen, ist bisher sowohl von der
Regierung als vom Lande vollständig vernachlässigt worden.

Was den eben erwähnten nationalen Theil der Aufgabe im Gegensatz zu
ihrem technischen Theile betrifft, so hat der Deutsche Handelstag die schon häusig
aufgetauchte Idee der Zvllvereinsconsuln zu der seinigen gemacht. Für
eine praktische können wir dieselbe ungeachtet dieses Autoritätsstempel von
"Praktikern" nicht ansehen, ebensowenig wie die nur um einen Grad naivere
von Bundcsconsuln. Der Bundestag und die Zollvereinscvnferenz stehen unge¬
fähr auf derselben Stufe greisenhafter Impotenz. Wer ihnen noch schöpferische
Kraft zutraut, der schiebt entweder ihrer gegenwärtigen Erscheinung das Bild
ihrer kräftigeren Jugendjahre unter, oder ein Ideal, das sie niemals erreicht
haben, und noch viel weniger fürwahr in Zukunft erreichen werden. Wenn
Preußen es sich heute beikommen ließe, seinen vormärzlichen, damals vollkommen
zeitgemäßen und selbst von den süddeutschen Königreichen günstig aufgenommenen
Antrag consularischer Einheit an die Generalzollconferenz zu bringen, es würde
nicht blos an einem vereinzelten Veto scheitern. Ist doch sogar die in dem
französischen Handelsverträge steckende harmlose Tarifreform als eine Etappe
auf der Bahn zur Hegemonie aufgefaßt worden, wie viel mehr denn die Preußens
Macht und Uebergewicht thatsächlich, unläugbar steigernde nationale Consular-
reform! Der Entscheid des Deutschen Handelstages und insbesondere seines klar
denkenden Berichterstatters für den Zollvereinsweg zeigt, wie "Praktiker" in
ihrer Scheu vor allen neuen Bahnen oft das Unpraktischste, wenn es nur den
Schein des Praktischen und Trivialen hat, nicht meiden.

Ausführbarer erscheint der Gedanke, welcher in Düsseldorf auf den beiden
Versammlungen des rheinisch-westfälischen Handels- und Gewerbevereins
während des letzten halben Jahres Ausdruck und Annahme gefunden hat.
Demnach soll die deutsche Consulareinheit, anstatt durch das todte Medium der
Generalzollconferenz, vielmehr auf dieselbe Art entstehen, wie die deutsche Zeit¬
einheit: durch preußisch-deutsche Verträge. Im Grunde ist dieser Weg sogar
längst beschritten worden. nur freilich nicht mit dem Bewußtsein und der Absicht,
daß er mit der Zeit zu einem einheitlichen deutschen Consularsysiem führen müsse.
Seit vielen Jahren haben Oldenburg, Mecklenburg und die Hansestädte ihre
Vertretung in einer Anzahl levantinischer Plätze den preußischen Consuln über¬
tragen. Die Handelsverträge mit China, Japan und Siam, welche Preußen
neuerdings abgeschlossen hat. enthalten übereinstimmend die Clausel. daß in
jedem der überhaupt geöffneten Häfen nur je ein deutscher Konsul residiren
dürfe. -- woraufhin Oldenburg denn auch bereits verschiedene seiner dort
wehenden Flaggen eingezogen und seine Schiffer an die schwarzweiße Fahne
verwiesen hat. Jene Verträge nehmen die Hansestädte noch aus; und in der


Mittel gleichmäßig über das ganze Feld hin zu vertheilen, das übrige Deutschland
in Preußens Consularvcrtretung mit hereinzuziehen, ist bisher sowohl von der
Regierung als vom Lande vollständig vernachlässigt worden.

Was den eben erwähnten nationalen Theil der Aufgabe im Gegensatz zu
ihrem technischen Theile betrifft, so hat der Deutsche Handelstag die schon häusig
aufgetauchte Idee der Zvllvereinsconsuln zu der seinigen gemacht. Für
eine praktische können wir dieselbe ungeachtet dieses Autoritätsstempel von
„Praktikern" nicht ansehen, ebensowenig wie die nur um einen Grad naivere
von Bundcsconsuln. Der Bundestag und die Zollvereinscvnferenz stehen unge¬
fähr auf derselben Stufe greisenhafter Impotenz. Wer ihnen noch schöpferische
Kraft zutraut, der schiebt entweder ihrer gegenwärtigen Erscheinung das Bild
ihrer kräftigeren Jugendjahre unter, oder ein Ideal, das sie niemals erreicht
haben, und noch viel weniger fürwahr in Zukunft erreichen werden. Wenn
Preußen es sich heute beikommen ließe, seinen vormärzlichen, damals vollkommen
zeitgemäßen und selbst von den süddeutschen Königreichen günstig aufgenommenen
Antrag consularischer Einheit an die Generalzollconferenz zu bringen, es würde
nicht blos an einem vereinzelten Veto scheitern. Ist doch sogar die in dem
französischen Handelsverträge steckende harmlose Tarifreform als eine Etappe
auf der Bahn zur Hegemonie aufgefaßt worden, wie viel mehr denn die Preußens
Macht und Uebergewicht thatsächlich, unläugbar steigernde nationale Consular-
reform! Der Entscheid des Deutschen Handelstages und insbesondere seines klar
denkenden Berichterstatters für den Zollvereinsweg zeigt, wie „Praktiker" in
ihrer Scheu vor allen neuen Bahnen oft das Unpraktischste, wenn es nur den
Schein des Praktischen und Trivialen hat, nicht meiden.

Ausführbarer erscheint der Gedanke, welcher in Düsseldorf auf den beiden
Versammlungen des rheinisch-westfälischen Handels- und Gewerbevereins
während des letzten halben Jahres Ausdruck und Annahme gefunden hat.
Demnach soll die deutsche Consulareinheit, anstatt durch das todte Medium der
Generalzollconferenz, vielmehr auf dieselbe Art entstehen, wie die deutsche Zeit¬
einheit: durch preußisch-deutsche Verträge. Im Grunde ist dieser Weg sogar
längst beschritten worden. nur freilich nicht mit dem Bewußtsein und der Absicht,
daß er mit der Zeit zu einem einheitlichen deutschen Consularsysiem führen müsse.
Seit vielen Jahren haben Oldenburg, Mecklenburg und die Hansestädte ihre
Vertretung in einer Anzahl levantinischer Plätze den preußischen Consuln über¬
tragen. Die Handelsverträge mit China, Japan und Siam, welche Preußen
neuerdings abgeschlossen hat. enthalten übereinstimmend die Clausel. daß in
jedem der überhaupt geöffneten Häfen nur je ein deutscher Konsul residiren
dürfe. — woraufhin Oldenburg denn auch bereits verschiedene seiner dort
wehenden Flaggen eingezogen und seine Schiffer an die schwarzweiße Fahne
verwiesen hat. Jene Verträge nehmen die Hansestädte noch aus; und in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/74>, abgerufen am 01.09.2024.