Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.das Wesen eines Dichters! Er ist ein Hellseher, ein Prophet, der sich bis zur Doch Dr. Lefebre, das ungläubige pariser Kind, erregt Mr. Dreams Lefebre lacht, und schämt sich, dem Magier eine kleine Besorgniß zu ver¬ So erwacht er Morgens -- in Amerika. Paris ist über Nacht über den Ocean verpflanzt worden, ohne daß nur ES ist das schwer nachzuerzählen; man muß es in dem Buch selbst lesen, Smith entsetzt sich zunächst über das amerikanische Haus und seine Bequem- das Wesen eines Dichters! Er ist ein Hellseher, ein Prophet, der sich bis zur Doch Dr. Lefebre, das ungläubige pariser Kind, erregt Mr. Dreams Lefebre lacht, und schämt sich, dem Magier eine kleine Besorgniß zu ver¬ So erwacht er Morgens — in Amerika. Paris ist über Nacht über den Ocean verpflanzt worden, ohne daß nur ES ist das schwer nachzuerzählen; man muß es in dem Buch selbst lesen, Smith entsetzt sich zunächst über das amerikanische Haus und seine Bequem- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0546" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285574"/> <p xml:id="ID_1679" prev="#ID_1678"> das Wesen eines Dichters! Er ist ein Hellseher, ein Prophet, der sich bis zur<lb/> unsichtbaren Welt erhebt. Dort wählt' er aus den Millionen von Wesen, welche<lb/> über die Erde gegangen sind, und deren Andenken sich hier unten verloren<lb/> hat, diejenigen aus, welche er im Gedächtniß der Menschen wieder aufleben<lb/> lassen will; er spricht mit ihnen, er lauscht ihren Worten, er schreibt, wie sie<lb/> es heischen. Die thörichten Menschen halten für dichterische Erfindung, was<lb/> nur das Bekenntniß eines unbekannten Verstorbenen ist!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1680"> Doch Dr. Lefebre, das ungläubige pariser Kind, erregt Mr. Dreams<lb/> Zorn durch seine fortwährenden Spöttereien. Ihn von seiner Kraft und der<lb/> Macht des Magnetismus zu überzeugen, droht dieser, während der Nacht ihn<lb/> und seine ganze Vaterstadt Paris nach Amerika, etwa nach Massachussets, zu<lb/> versetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1681"> Lefebre lacht, und schämt sich, dem Magier eine kleine Besorgniß zu ver¬<lb/> rathen, die ihn unwillkürlich überkommt, als ihn dieser eine kleine Pille<lb/> schlucken heißt. Er gehorcht und verläßt das Haus unter den sonderbarsten<lb/> und merkwürdigsten Hallucinationen. Er fühlt sich groß und leicht — und seine<lb/> Sinne übernatürlich geschärft.--</p><lb/> <p xml:id="ID_1682"> So erwacht er Morgens — in Amerika.</p><lb/> <p xml:id="ID_1683"> Paris ist über Nacht über den Ocean verpflanzt worden, ohne daß nur<lb/> einer seiner Bürger im Schlafe gestört worden wäre. Aber die Aufgabe wäre<lb/> nur halb gelöst, wenn die Pariser nicht auch amerikcmisirt worden wären. Die<lb/> ungeheure Stadt mit den siebenstöckigen Häusern ist umgeworfen und zerrissen<lb/> worden. Jede. Etage bildet nun ein Häuschen für sich und um jede Wohnung<lb/> zieht sich ein freundlicher Garten. Die Bewohner selbst haben ihr früheres<lb/> Leben vergessen, sie sind echte Ncmkees. Der Colonialwaarenhändlcr Leverd ist<lb/> Mr. Green. der Banquier Petit ist Mr. Little. der Advocat Rcynau ist Mr. Fox<lb/> geworden, und er selbst, Dr. Ren6 Lefebre, heißr Mr. Smith! Ihm allein, dem<lb/> ungläubigen Thomas, hat das Schicksal die Erinnerung gelassen; er weiß, daß<lb/> er Franzose und Bürger der Hauptstadt der Welt ist. in der sich alle Cultur<lb/> und Civilisation gipfelt, und für ihn beginnt deshalb jetzt ein merkwürdiger<lb/> Kampf der alten Ideen, in denen er aufgewachsen ist, mit den neuen Ansichten<lb/> und Grundsätzen, die ihn rings umgeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1684"> ES ist das schwer nachzuerzählen; man muß es in dem Buch selbst lesen,<lb/> wo sich ein Gemälde voll Leben, Witz und frischer Kraft entrollt. Nichts ist<lb/> feiner und komischer, als das fortwährende Entsetze» Lefevre-Smiths, mit welchem<lb/> er vor den Einrichtungen seines neuen Vaterlands zurücksehend. Mit Wehmuth<lb/> gedenkt er täglich der Zustände seines theuren, ihm entrissenen Frankreich, deren<lb/> Lob er nicht laut genug verkünden kann, ein Lob das in seinem Munde zur<lb/> bittersten Satire wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1685" next="#ID_1686"> Smith entsetzt sich zunächst über das amerikanische Haus und seine Bequem-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0546]
das Wesen eines Dichters! Er ist ein Hellseher, ein Prophet, der sich bis zur
unsichtbaren Welt erhebt. Dort wählt' er aus den Millionen von Wesen, welche
über die Erde gegangen sind, und deren Andenken sich hier unten verloren
hat, diejenigen aus, welche er im Gedächtniß der Menschen wieder aufleben
lassen will; er spricht mit ihnen, er lauscht ihren Worten, er schreibt, wie sie
es heischen. Die thörichten Menschen halten für dichterische Erfindung, was
nur das Bekenntniß eines unbekannten Verstorbenen ist!"
Doch Dr. Lefebre, das ungläubige pariser Kind, erregt Mr. Dreams
Zorn durch seine fortwährenden Spöttereien. Ihn von seiner Kraft und der
Macht des Magnetismus zu überzeugen, droht dieser, während der Nacht ihn
und seine ganze Vaterstadt Paris nach Amerika, etwa nach Massachussets, zu
versetzen.
Lefebre lacht, und schämt sich, dem Magier eine kleine Besorgniß zu ver¬
rathen, die ihn unwillkürlich überkommt, als ihn dieser eine kleine Pille
schlucken heißt. Er gehorcht und verläßt das Haus unter den sonderbarsten
und merkwürdigsten Hallucinationen. Er fühlt sich groß und leicht — und seine
Sinne übernatürlich geschärft.--
So erwacht er Morgens — in Amerika.
Paris ist über Nacht über den Ocean verpflanzt worden, ohne daß nur
einer seiner Bürger im Schlafe gestört worden wäre. Aber die Aufgabe wäre
nur halb gelöst, wenn die Pariser nicht auch amerikcmisirt worden wären. Die
ungeheure Stadt mit den siebenstöckigen Häusern ist umgeworfen und zerrissen
worden. Jede. Etage bildet nun ein Häuschen für sich und um jede Wohnung
zieht sich ein freundlicher Garten. Die Bewohner selbst haben ihr früheres
Leben vergessen, sie sind echte Ncmkees. Der Colonialwaarenhändlcr Leverd ist
Mr. Green. der Banquier Petit ist Mr. Little. der Advocat Rcynau ist Mr. Fox
geworden, und er selbst, Dr. Ren6 Lefebre, heißr Mr. Smith! Ihm allein, dem
ungläubigen Thomas, hat das Schicksal die Erinnerung gelassen; er weiß, daß
er Franzose und Bürger der Hauptstadt der Welt ist. in der sich alle Cultur
und Civilisation gipfelt, und für ihn beginnt deshalb jetzt ein merkwürdiger
Kampf der alten Ideen, in denen er aufgewachsen ist, mit den neuen Ansichten
und Grundsätzen, die ihn rings umgeben.
ES ist das schwer nachzuerzählen; man muß es in dem Buch selbst lesen,
wo sich ein Gemälde voll Leben, Witz und frischer Kraft entrollt. Nichts ist
feiner und komischer, als das fortwährende Entsetze» Lefevre-Smiths, mit welchem
er vor den Einrichtungen seines neuen Vaterlands zurücksehend. Mit Wehmuth
gedenkt er täglich der Zustände seines theuren, ihm entrissenen Frankreich, deren
Lob er nicht laut genug verkünden kann, ein Lob das in seinem Munde zur
bittersten Satire wird.
Smith entsetzt sich zunächst über das amerikanische Haus und seine Bequem-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |