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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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entschlagen. Es ist eine alte Erfahrung, daß der Soldat, der nach großem
Kriege aus dem Felde heimkehrt, vielleicht von der Idee seines Staates groß
zu denken gelernt hat, nicht vorzugsweise von den leitenden Kräften. Im Jahre
181Ü war das preußische Heer in Gesinnung und Stimmung nichts weniger
als reaktionär, und es hat lange Jahre des Friedens bedurft, um in dem
engen Garnisonleben die unbequemen Ansprüche des Friedens groß zu ziehen.
Und in den Freiheitskriegen stand eine enthusiastische Jugend im Felde, begei-
stert für König und Vaterland, voll Haß gegen die Feinde, aber ohne politische
Vorbildung. Die Jugend des gegenwärtigen Heeres, die Landwehrmänner,
welche heute gegen den Feind kämpfen, werden als kriegsharte und gewitzigte
Männer zurückkehren, viele von ihnen brachten schon ein stilles politisches Credo
in das Feld mit, sie werden in den Erfahrungen großer Wochen ihm nicht
untreu werden. Und man darf sagen, daß grade in der Jugend, die aus dem
Felde heimkehrt, die sicherste Bürgschaft liegt für eine starke Entfaltung libera-
ler Kraft der nächsten Zukunft.

Aus diesen Gründen, die sich weiter ausführen lassen, die eine unbefangene
Prüfung unwiderleglich finden wird, ist jetzt der liberalen Partei in Preußen
geboten mit der Regierung einen aufrichtigen Waffenstillstand zu schließen. So
fordert die Noth des Staates und ebenso die politische Klugheit. Nur dadurch,
daß die Opposition jetzt voll, ganz und mit warmem Herzen für die nächsten
Bedürfnisse des Staates eintritt, kann sie sich die Sympathien des Volkes und
die Europas erhalten.

Der Regierung aber liegt jetzt ob, dem Patriotismus der Volksvertreter
ebenso aufrichtig entgegenzukommen; Budgetrecht, Deklaration der streitigen Ver¬
fassungsparagraphen, Aufhebung der kleinlichen Vexationen gegen Presse, Com-
munen und liberale Beamte werden ihr die aufrichtige Mitwirkung einer Ma¬
jorität des Abgeordnetenhauses sichern.

Ein Erfolg der Waffen aber wird zur Versöhnung das Beste thun.

Unterdeß hat der Krieg begonnen, der schnellen Besetzung von Hannover.
Kmhessen und Sachsen ist der Einmarsch der Oestreicher in Schlesien gefolgt;
von dort erwarten Millionen mit Herzpochen die Nachricht von dem ersten Zu¬
sammenstoß größerer Heeresmassen. Wer die Stimmung in Preußen und Nord-
deutschland mit der des aufgeregten Südens vergleicht, der wird die ruhige
Fassung und feste Haltung der Preußen und Norddeutschen für keinen geringen
Erwerb der letzten achtzehn Jahre halten. In Preußen, selbst in dem zumeist
bedrohten Schlesien, ist über der bangen Erwartung ein dauerhafter Muth.
Man wird sich beim Kriegsglück nicht überheben und nach einem Verlust nicht
die Fassung verlieren. Die ersten Operationen haben Vertrauen zu den mili¬
tärischen Dispositionen der Regierung gegeben, über der Ausführung waltet nächst
den Feldherrn und Heeren eine höhere Macht. -- Ja, es ist ein Kampf geworden


entschlagen. Es ist eine alte Erfahrung, daß der Soldat, der nach großem
Kriege aus dem Felde heimkehrt, vielleicht von der Idee seines Staates groß
zu denken gelernt hat, nicht vorzugsweise von den leitenden Kräften. Im Jahre
181Ü war das preußische Heer in Gesinnung und Stimmung nichts weniger
als reaktionär, und es hat lange Jahre des Friedens bedurft, um in dem
engen Garnisonleben die unbequemen Ansprüche des Friedens groß zu ziehen.
Und in den Freiheitskriegen stand eine enthusiastische Jugend im Felde, begei-
stert für König und Vaterland, voll Haß gegen die Feinde, aber ohne politische
Vorbildung. Die Jugend des gegenwärtigen Heeres, die Landwehrmänner,
welche heute gegen den Feind kämpfen, werden als kriegsharte und gewitzigte
Männer zurückkehren, viele von ihnen brachten schon ein stilles politisches Credo
in das Feld mit, sie werden in den Erfahrungen großer Wochen ihm nicht
untreu werden. Und man darf sagen, daß grade in der Jugend, die aus dem
Felde heimkehrt, die sicherste Bürgschaft liegt für eine starke Entfaltung libera-
ler Kraft der nächsten Zukunft.

Aus diesen Gründen, die sich weiter ausführen lassen, die eine unbefangene
Prüfung unwiderleglich finden wird, ist jetzt der liberalen Partei in Preußen
geboten mit der Regierung einen aufrichtigen Waffenstillstand zu schließen. So
fordert die Noth des Staates und ebenso die politische Klugheit. Nur dadurch,
daß die Opposition jetzt voll, ganz und mit warmem Herzen für die nächsten
Bedürfnisse des Staates eintritt, kann sie sich die Sympathien des Volkes und
die Europas erhalten.

Der Regierung aber liegt jetzt ob, dem Patriotismus der Volksvertreter
ebenso aufrichtig entgegenzukommen; Budgetrecht, Deklaration der streitigen Ver¬
fassungsparagraphen, Aufhebung der kleinlichen Vexationen gegen Presse, Com-
munen und liberale Beamte werden ihr die aufrichtige Mitwirkung einer Ma¬
jorität des Abgeordnetenhauses sichern.

Ein Erfolg der Waffen aber wird zur Versöhnung das Beste thun.

Unterdeß hat der Krieg begonnen, der schnellen Besetzung von Hannover.
Kmhessen und Sachsen ist der Einmarsch der Oestreicher in Schlesien gefolgt;
von dort erwarten Millionen mit Herzpochen die Nachricht von dem ersten Zu¬
sammenstoß größerer Heeresmassen. Wer die Stimmung in Preußen und Nord-
deutschland mit der des aufgeregten Südens vergleicht, der wird die ruhige
Fassung und feste Haltung der Preußen und Norddeutschen für keinen geringen
Erwerb der letzten achtzehn Jahre halten. In Preußen, selbst in dem zumeist
bedrohten Schlesien, ist über der bangen Erwartung ein dauerhafter Muth.
Man wird sich beim Kriegsglück nicht überheben und nach einem Verlust nicht
die Fassung verlieren. Die ersten Operationen haben Vertrauen zu den mili¬
tärischen Dispositionen der Regierung gegeben, über der Ausführung waltet nächst
den Feldherrn und Heeren eine höhere Macht. — Ja, es ist ein Kampf geworden


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[0529] entschlagen. Es ist eine alte Erfahrung, daß der Soldat, der nach großem Kriege aus dem Felde heimkehrt, vielleicht von der Idee seines Staates groß zu denken gelernt hat, nicht vorzugsweise von den leitenden Kräften. Im Jahre 181Ü war das preußische Heer in Gesinnung und Stimmung nichts weniger als reaktionär, und es hat lange Jahre des Friedens bedurft, um in dem engen Garnisonleben die unbequemen Ansprüche des Friedens groß zu ziehen. Und in den Freiheitskriegen stand eine enthusiastische Jugend im Felde, begei- stert für König und Vaterland, voll Haß gegen die Feinde, aber ohne politische Vorbildung. Die Jugend des gegenwärtigen Heeres, die Landwehrmänner, welche heute gegen den Feind kämpfen, werden als kriegsharte und gewitzigte Männer zurückkehren, viele von ihnen brachten schon ein stilles politisches Credo in das Feld mit, sie werden in den Erfahrungen großer Wochen ihm nicht untreu werden. Und man darf sagen, daß grade in der Jugend, die aus dem Felde heimkehrt, die sicherste Bürgschaft liegt für eine starke Entfaltung libera- ler Kraft der nächsten Zukunft. Aus diesen Gründen, die sich weiter ausführen lassen, die eine unbefangene Prüfung unwiderleglich finden wird, ist jetzt der liberalen Partei in Preußen geboten mit der Regierung einen aufrichtigen Waffenstillstand zu schließen. So fordert die Noth des Staates und ebenso die politische Klugheit. Nur dadurch, daß die Opposition jetzt voll, ganz und mit warmem Herzen für die nächsten Bedürfnisse des Staates eintritt, kann sie sich die Sympathien des Volkes und die Europas erhalten. Der Regierung aber liegt jetzt ob, dem Patriotismus der Volksvertreter ebenso aufrichtig entgegenzukommen; Budgetrecht, Deklaration der streitigen Ver¬ fassungsparagraphen, Aufhebung der kleinlichen Vexationen gegen Presse, Com- munen und liberale Beamte werden ihr die aufrichtige Mitwirkung einer Ma¬ jorität des Abgeordnetenhauses sichern. Ein Erfolg der Waffen aber wird zur Versöhnung das Beste thun. Unterdeß hat der Krieg begonnen, der schnellen Besetzung von Hannover. Kmhessen und Sachsen ist der Einmarsch der Oestreicher in Schlesien gefolgt; von dort erwarten Millionen mit Herzpochen die Nachricht von dem ersten Zu¬ sammenstoß größerer Heeresmassen. Wer die Stimmung in Preußen und Nord- deutschland mit der des aufgeregten Südens vergleicht, der wird die ruhige Fassung und feste Haltung der Preußen und Norddeutschen für keinen geringen Erwerb der letzten achtzehn Jahre halten. In Preußen, selbst in dem zumeist bedrohten Schlesien, ist über der bangen Erwartung ein dauerhafter Muth. Man wird sich beim Kriegsglück nicht überheben und nach einem Verlust nicht die Fassung verlieren. Die ersten Operationen haben Vertrauen zu den mili¬ tärischen Dispositionen der Regierung gegeben, über der Ausführung waltet nächst den Feldherrn und Heeren eine höhere Macht. — Ja, es ist ein Kampf geworden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/529>, abgerufen am 28.07.2024.