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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Man wird dieser Schilderung keine Schönfärberei zu Gunsten Bismarcks
vorwerfen können. Aber wie? hat all diese Schläge gegen den Bund Oestreich
nicht mitgeführt? hat je in dieser ganzen Periode Oestreich anders gestimmt als
Preußen? hat es je Neigung gezeigt, sich majorisiren zu lassen und ehrlich Folge
zu leisten? Oder war es etwa zu schwach, eine selbständige Haltung einzu¬
nehmen, zwang es die Noth zu blinder Abhängigkeit von dem alliirten Staat?
Graf Rechberg hatte von vornherein über Herrn v. Bismarcks Intentionen sich
keinen Illusionen hingeben dürfen: die Note, die Ofen-Pesth als wünschens¬
werthen Schwerpunkt Oestreichs bezeichnete, befand sich im Archiv des wiener
Auswärtigen Amts und ist wahrscheinlich niemals, auch nicht im freundschaft¬
lichen Gespräch der beiden Staatsmänner, dementirt worden; aus zuverlässiger
Quelle wenigstens verlautete später: als die Allianz noch in voller Blüthe stand
und König Wilhelm und sein Premier in glänzenden Festen in Wien gefeiert
wurden, da habe Graf Bismarck an jene Note scherzhaft erinnert, zum peinlichsten
Erstaunen jenen Standpunkt durchaus aufrechterhalten. Trotzdem hatte man
die Allianz geschlossen, trotzdem hielt man an ihr fast würdelos fest; was war
der Grund? Und hier ist die Antwort aus all die gegenwärtigen Versicherungen
von Oestreichs Uneigennützigst: Man wußte in Wien genau, daß jede
Regelung der Schleswig-holsteinschen Frage im deutschen Sinne naturgemäß
Preußen zu Nutzen kommen mußte. Die Herzogthümer lagen nicht in Oestreichs
Machtsphäre, deshalb hatte man sie schon einmal preisgegeben, deshalb perhorres-
cirte man in Wien jahrelang die ganze Angelegenheit, deshalb suchte man jetzt
mit Hilfe der Allianz die Herzogthümer bei Dänemark zu erhalten, deshalb
protegirte man all die schönen Projecte von Personalunion, von Austritt Hol¬
steins aus dem deutschen Bund, von Eintritt Gesammtdänemarks in denselben
(lauter Phasen, die die Angelegenheit wirklich im inventiösen Kopf des Grafen
Rechberg durchgemacht hat), deshalb ließ man sich so widerwillig weiter nord¬
wärts treiben, deshalb beklagte man so schmerzlich die unvermuthete Hartnäckig¬
keit Dänemarks, die in Berlin bejubelt wurde. Beide alliirte Heere haben mit
gleicher Tapferkeit gekämpft; aber daß die Diplomatie nicht verdorben hat, was
die Waffen gutgemacht hatten, haben die Herzogthümer wahrlich nicht Graf
Nechberg zu danken. Das Mißtrauen gegen Preußen war der Kitt der Allianz,
und nun spreche man noch von östreichischer Uneigennützigkeit. Gab es einen
- größeren Gewinn für Oestreich, als Preußen da nichts gewinnen zu lassen, wo
es wenn irgendwo fast ohne Zuthun gewinnen mußte?

Wenn Graf Rechberg nicht reusstrte, wenn Oestreich mehr und mehr zurück¬
gedrängt wurde, was ist der Grund anders, als daß Graf Bismarck schlauer
als Graf Rechberg war? Dieser hatte jenen überlisten wollen, nun überlistete
jener diesen. Weil die Metternich und Schwarzenberg Decennien hindurch


Man wird dieser Schilderung keine Schönfärberei zu Gunsten Bismarcks
vorwerfen können. Aber wie? hat all diese Schläge gegen den Bund Oestreich
nicht mitgeführt? hat je in dieser ganzen Periode Oestreich anders gestimmt als
Preußen? hat es je Neigung gezeigt, sich majorisiren zu lassen und ehrlich Folge
zu leisten? Oder war es etwa zu schwach, eine selbständige Haltung einzu¬
nehmen, zwang es die Noth zu blinder Abhängigkeit von dem alliirten Staat?
Graf Rechberg hatte von vornherein über Herrn v. Bismarcks Intentionen sich
keinen Illusionen hingeben dürfen: die Note, die Ofen-Pesth als wünschens¬
werthen Schwerpunkt Oestreichs bezeichnete, befand sich im Archiv des wiener
Auswärtigen Amts und ist wahrscheinlich niemals, auch nicht im freundschaft¬
lichen Gespräch der beiden Staatsmänner, dementirt worden; aus zuverlässiger
Quelle wenigstens verlautete später: als die Allianz noch in voller Blüthe stand
und König Wilhelm und sein Premier in glänzenden Festen in Wien gefeiert
wurden, da habe Graf Bismarck an jene Note scherzhaft erinnert, zum peinlichsten
Erstaunen jenen Standpunkt durchaus aufrechterhalten. Trotzdem hatte man
die Allianz geschlossen, trotzdem hielt man an ihr fast würdelos fest; was war
der Grund? Und hier ist die Antwort aus all die gegenwärtigen Versicherungen
von Oestreichs Uneigennützigst: Man wußte in Wien genau, daß jede
Regelung der Schleswig-holsteinschen Frage im deutschen Sinne naturgemäß
Preußen zu Nutzen kommen mußte. Die Herzogthümer lagen nicht in Oestreichs
Machtsphäre, deshalb hatte man sie schon einmal preisgegeben, deshalb perhorres-
cirte man in Wien jahrelang die ganze Angelegenheit, deshalb suchte man jetzt
mit Hilfe der Allianz die Herzogthümer bei Dänemark zu erhalten, deshalb
protegirte man all die schönen Projecte von Personalunion, von Austritt Hol¬
steins aus dem deutschen Bund, von Eintritt Gesammtdänemarks in denselben
(lauter Phasen, die die Angelegenheit wirklich im inventiösen Kopf des Grafen
Rechberg durchgemacht hat), deshalb ließ man sich so widerwillig weiter nord¬
wärts treiben, deshalb beklagte man so schmerzlich die unvermuthete Hartnäckig¬
keit Dänemarks, die in Berlin bejubelt wurde. Beide alliirte Heere haben mit
gleicher Tapferkeit gekämpft; aber daß die Diplomatie nicht verdorben hat, was
die Waffen gutgemacht hatten, haben die Herzogthümer wahrlich nicht Graf
Nechberg zu danken. Das Mißtrauen gegen Preußen war der Kitt der Allianz,
und nun spreche man noch von östreichischer Uneigennützigkeit. Gab es einen
- größeren Gewinn für Oestreich, als Preußen da nichts gewinnen zu lassen, wo
es wenn irgendwo fast ohne Zuthun gewinnen mußte?

Wenn Graf Rechberg nicht reusstrte, wenn Oestreich mehr und mehr zurück¬
gedrängt wurde, was ist der Grund anders, als daß Graf Bismarck schlauer
als Graf Rechberg war? Dieser hatte jenen überlisten wollen, nun überlistete
jener diesen. Weil die Metternich und Schwarzenberg Decennien hindurch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/506>, abgerufen am 28.07.2024.