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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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zu seinem Nachfolger zu erheben und so eine Dynastie zu gründen. Dieser
Plan beschäftigte den Fürsten vor allem. Mit der Besserung der Zustände des
Landes befaßte er sich wie bisher wenig. Die Kassen blieben leer, das Mittel,
sie durch Einführung des Tabaksmonopols zu füllen, machte allenthalben böses
Blut. Ein Gesetz, welches die Gerichte des Landes neu organisirte und Mitte
Juli vom Fürsten sanctionirt wurde, war an sich recht gut, nur fehlten für
die neugeschaffnem Richterstellen mit Kenntniß, Erfahrung und Gerechtigkeitsliebe
ausgerüstete Männer, leider das Wichtigste also.

Mehr und mehr verbreitete sich das Gefühl, daß die Zustände unerträglich
seien. Alle Schichten der Gesellschaft sahen sich in ihren Interessen verletzt.
Nur die Zwietracht der Parteien und die Selbstsucht der alten Bojarengeschlechter,
die verschiedne Candidaten für den Ersatz des von allen gehaßten Despoten
aufstellte, ließ die Verschwörungen, die sich gebildet, noch nicht zum Ausbruch
kommen. Aber die Zeit dafür war nahe. Wäre der Fürst im Lande geblieben,
so hätte sich die Revolution vermuthlich noch besonnen. Allein die zerrüttete
Gesundheit des Hospodars verlangte gebieterisch eine Badereise. Am 21. Juli
brach er von seinem Gute Ruginosa auf, um über Wien nach Ems zu gehen,
und drei Wochen später erhob sich das Volk in Bukarest, um ihn zu stürzen.
Am Is. August griff es mit dem Rufe: "Nieder mit Cusa! Fort mit Cusa!
Fort mit dem Erpresser, dem Räuber!" einem Ruf, der eigenthümlich von den
pomphaften Proclamationen des Fürsten abstach, in denen er sich als "Liebling,
als Vater, als Erwählten der Nation" bezeichnet hatte, die Polizei an, einen
ganzen Tag wurde mit Erbitterung gekämpft, endlich siegten die Kanonen der
Soldaten über die ungenügend bewaffneten Insurgenten.

Aber was man durch den Sieg über die Revolution gewonnen, das ging
bei den Garantiemächten in dieser Zeit verloren. Der englische Botschafter in
Konstantinopel trug bei der dortigen Gesandtenconferenz darauf an, dem Un¬
wesen in Bukarest endlich einmal thatsächlich zu steuern und durch besondre
Commissarien dem Fürsten Johann seinen rechten Standpunkt anzuweisen.
Oestreich soll gradezu für eine Absetzung des Hospodars gewirkt haben.
Frankreich aber, obwohl durch die in den letzten Monaten hervorgetretne Hin¬
neigung des Fürsten zu Rußland verstimmt, widersetzte sich dem von England
vorgeschiagnen Einschreiten, und auch die Pforte wollte davon nichts wissen,
weil sie mit dem Sturze des Fürsten eine Periode der Ungewißheit eintreten zu
sehen fürchtete, aus der ihr ein gefährlicherer Nachbar hervorgehen konnte.
So ließ man es denn bei einigen Ermahnungen und Warnungen bewenden.
Der Fürst aber zählte auf die Freunde in Paris und fuhr fort, in bisheriger
Weise zu regieren.

Am 17. December traten Senat und Kammer wieder zusammen, und der
Fürst, inzwischen zurückgekehrt, eröffnete die Session mit einer Thronrede, in


zu seinem Nachfolger zu erheben und so eine Dynastie zu gründen. Dieser
Plan beschäftigte den Fürsten vor allem. Mit der Besserung der Zustände des
Landes befaßte er sich wie bisher wenig. Die Kassen blieben leer, das Mittel,
sie durch Einführung des Tabaksmonopols zu füllen, machte allenthalben böses
Blut. Ein Gesetz, welches die Gerichte des Landes neu organisirte und Mitte
Juli vom Fürsten sanctionirt wurde, war an sich recht gut, nur fehlten für
die neugeschaffnem Richterstellen mit Kenntniß, Erfahrung und Gerechtigkeitsliebe
ausgerüstete Männer, leider das Wichtigste also.

Mehr und mehr verbreitete sich das Gefühl, daß die Zustände unerträglich
seien. Alle Schichten der Gesellschaft sahen sich in ihren Interessen verletzt.
Nur die Zwietracht der Parteien und die Selbstsucht der alten Bojarengeschlechter,
die verschiedne Candidaten für den Ersatz des von allen gehaßten Despoten
aufstellte, ließ die Verschwörungen, die sich gebildet, noch nicht zum Ausbruch
kommen. Aber die Zeit dafür war nahe. Wäre der Fürst im Lande geblieben,
so hätte sich die Revolution vermuthlich noch besonnen. Allein die zerrüttete
Gesundheit des Hospodars verlangte gebieterisch eine Badereise. Am 21. Juli
brach er von seinem Gute Ruginosa auf, um über Wien nach Ems zu gehen,
und drei Wochen später erhob sich das Volk in Bukarest, um ihn zu stürzen.
Am Is. August griff es mit dem Rufe: „Nieder mit Cusa! Fort mit Cusa!
Fort mit dem Erpresser, dem Räuber!" einem Ruf, der eigenthümlich von den
pomphaften Proclamationen des Fürsten abstach, in denen er sich als „Liebling,
als Vater, als Erwählten der Nation" bezeichnet hatte, die Polizei an, einen
ganzen Tag wurde mit Erbitterung gekämpft, endlich siegten die Kanonen der
Soldaten über die ungenügend bewaffneten Insurgenten.

Aber was man durch den Sieg über die Revolution gewonnen, das ging
bei den Garantiemächten in dieser Zeit verloren. Der englische Botschafter in
Konstantinopel trug bei der dortigen Gesandtenconferenz darauf an, dem Un¬
wesen in Bukarest endlich einmal thatsächlich zu steuern und durch besondre
Commissarien dem Fürsten Johann seinen rechten Standpunkt anzuweisen.
Oestreich soll gradezu für eine Absetzung des Hospodars gewirkt haben.
Frankreich aber, obwohl durch die in den letzten Monaten hervorgetretne Hin¬
neigung des Fürsten zu Rußland verstimmt, widersetzte sich dem von England
vorgeschiagnen Einschreiten, und auch die Pforte wollte davon nichts wissen,
weil sie mit dem Sturze des Fürsten eine Periode der Ungewißheit eintreten zu
sehen fürchtete, aus der ihr ein gefährlicherer Nachbar hervorgehen konnte.
So ließ man es denn bei einigen Ermahnungen und Warnungen bewenden.
Der Fürst aber zählte auf die Freunde in Paris und fuhr fort, in bisheriger
Weise zu regieren.

Am 17. December traten Senat und Kammer wieder zusammen, und der
Fürst, inzwischen zurückgekehrt, eröffnete die Session mit einer Thronrede, in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/502>, abgerufen am 28.07.2024.