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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Der Fürst hatte diese Scene, offenbar nach französischem Rath und Muster,
schon seit geraumer Zeit vorbereitet, und er beeilte sich, den Staatsstreich durch
Decrete zu vervollständigen, welche die bisherige Verfassung vollkommen umge¬
stalteten. Ein Manifest an das rumänische Volk unterbreitete die weitere Ent¬
wickelung der von der pariser Convention geschaffnen Constitution und das neue
Wahlgesetz dem Willen der Nation. Ein fernerer Erlaß berief alle Rumänen
über 25 Jahre zur Abstimmung über diese beiden Fragen mit Ja oder Nein.
Ein dritter beschränkte die Presse. Ein Zusatzstatut zu der Convention von
1858, welches am 2. Juni veröffentlicht wurde, verfügte Folgendes:

Die legislative Gewalt ist fortan dem Fürsten, einer Kammer und einem
"begutachtenden Körper" (den wir als Senat bezeichnen werden) anvertraut. Nur
der Fürst hat die Initiative zu Gesetzentwürfen. Das Budget wird der Kammer
alljährlich vorgelegt, und sie hat das Recht, es zu amendiren, wird es jedoch
nicht zu rechter Zeit votirt, so bestreitet die vollziehende Gewalt die Bedürfnisse
des Staates nach dem zuletzt bewilligten Budget. Der Senat besteht aus den
beiden Metropoliten des Landes, den Bischöfen desselben, dem ältesten General
der Armee, dem Präsidenten des Cassationshofes und 64 andern Mitgliedern,
die vom Fürsten ernannt werden und alle zwei Jahre zu einem Drittel aus¬
scheiden. Jeder von der Kammer angenommene Gesetzentwurf ist dem Senat
zur Prüfung und eventuellen Abänderung vorzulegen. Nur der Senat darf
Petitionen annehmen. Das neue Statut erlangt Gesetzeskraft an dem Tage,
wo es durch die allgemeine Abstimmung angenommen ist.

Das neue Wahlgesetz für die Kammer enthielt folgende Grundzüge: Die
Deputirten werden durch Wahlmänner, die von UrWählern aufgestellt werden,
gewählt. UrWähler ist jeder Staatsangehörige, welcher über 25 Jahre alt ist,
lesen und schreiben kann und jährlich 4 Ducaten Steuern zahlt. Als Wahl¬
männer können, ohne daß sie eine Abgabe von 4 Ducaten aufzuweisen brauchen,
alle Geistlichen, die einem Kirchspiel vorstehen, alle Angehörigen der Lehrkörper
von Facultäten und Akademien, alle Advocaten, Ingenieure und Architekten,
welche Regierungsdiplome besitzen, die Elementarschullehrer und diejenigen Be¬
amten und Offiziere fungiren, welche einen Gehalt von wenigstens 3000 Pia¬
stern beziehen. Um Deputirter werden zu können, muß man dieselben Be¬
dingungen erfüllen und das dreißigste Jahr erreicht haben. Die Abstimmung
ist bei den UrWahlen öffentlich, bei den Abgeordnetenwahlen geheim. Wahl¬
agitationen, Stimmenkauf u. d. sind streng verboten.

Das Volk nahm diesen Staatsstreich schweigend hin. Für den entgegen¬
gesetzten Fall hatte die Regierung in die verschiedenen Districte Kommissäre mit
unbeschränkter Vollmacht geschickt, denen alle Behörden bedingungslos Gehorsam
zu leisten hatten. Die Beamten unterzeichneten fast ausnahmslos Zustimmungs¬
adressen, auch der Metropolit billigte in einem Rundschreiben an die Geistlich-


Der Fürst hatte diese Scene, offenbar nach französischem Rath und Muster,
schon seit geraumer Zeit vorbereitet, und er beeilte sich, den Staatsstreich durch
Decrete zu vervollständigen, welche die bisherige Verfassung vollkommen umge¬
stalteten. Ein Manifest an das rumänische Volk unterbreitete die weitere Ent¬
wickelung der von der pariser Convention geschaffnen Constitution und das neue
Wahlgesetz dem Willen der Nation. Ein fernerer Erlaß berief alle Rumänen
über 25 Jahre zur Abstimmung über diese beiden Fragen mit Ja oder Nein.
Ein dritter beschränkte die Presse. Ein Zusatzstatut zu der Convention von
1858, welches am 2. Juni veröffentlicht wurde, verfügte Folgendes:

Die legislative Gewalt ist fortan dem Fürsten, einer Kammer und einem
„begutachtenden Körper" (den wir als Senat bezeichnen werden) anvertraut. Nur
der Fürst hat die Initiative zu Gesetzentwürfen. Das Budget wird der Kammer
alljährlich vorgelegt, und sie hat das Recht, es zu amendiren, wird es jedoch
nicht zu rechter Zeit votirt, so bestreitet die vollziehende Gewalt die Bedürfnisse
des Staates nach dem zuletzt bewilligten Budget. Der Senat besteht aus den
beiden Metropoliten des Landes, den Bischöfen desselben, dem ältesten General
der Armee, dem Präsidenten des Cassationshofes und 64 andern Mitgliedern,
die vom Fürsten ernannt werden und alle zwei Jahre zu einem Drittel aus¬
scheiden. Jeder von der Kammer angenommene Gesetzentwurf ist dem Senat
zur Prüfung und eventuellen Abänderung vorzulegen. Nur der Senat darf
Petitionen annehmen. Das neue Statut erlangt Gesetzeskraft an dem Tage,
wo es durch die allgemeine Abstimmung angenommen ist.

Das neue Wahlgesetz für die Kammer enthielt folgende Grundzüge: Die
Deputirten werden durch Wahlmänner, die von UrWählern aufgestellt werden,
gewählt. UrWähler ist jeder Staatsangehörige, welcher über 25 Jahre alt ist,
lesen und schreiben kann und jährlich 4 Ducaten Steuern zahlt. Als Wahl¬
männer können, ohne daß sie eine Abgabe von 4 Ducaten aufzuweisen brauchen,
alle Geistlichen, die einem Kirchspiel vorstehen, alle Angehörigen der Lehrkörper
von Facultäten und Akademien, alle Advocaten, Ingenieure und Architekten,
welche Regierungsdiplome besitzen, die Elementarschullehrer und diejenigen Be¬
amten und Offiziere fungiren, welche einen Gehalt von wenigstens 3000 Pia¬
stern beziehen. Um Deputirter werden zu können, muß man dieselben Be¬
dingungen erfüllen und das dreißigste Jahr erreicht haben. Die Abstimmung
ist bei den UrWahlen öffentlich, bei den Abgeordnetenwahlen geheim. Wahl¬
agitationen, Stimmenkauf u. d. sind streng verboten.

Das Volk nahm diesen Staatsstreich schweigend hin. Für den entgegen¬
gesetzten Fall hatte die Regierung in die verschiedenen Districte Kommissäre mit
unbeschränkter Vollmacht geschickt, denen alle Behörden bedingungslos Gehorsam
zu leisten hatten. Die Beamten unterzeichneten fast ausnahmslos Zustimmungs¬
adressen, auch der Metropolit billigte in einem Rundschreiben an die Geistlich-


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[0500] Der Fürst hatte diese Scene, offenbar nach französischem Rath und Muster, schon seit geraumer Zeit vorbereitet, und er beeilte sich, den Staatsstreich durch Decrete zu vervollständigen, welche die bisherige Verfassung vollkommen umge¬ stalteten. Ein Manifest an das rumänische Volk unterbreitete die weitere Ent¬ wickelung der von der pariser Convention geschaffnen Constitution und das neue Wahlgesetz dem Willen der Nation. Ein fernerer Erlaß berief alle Rumänen über 25 Jahre zur Abstimmung über diese beiden Fragen mit Ja oder Nein. Ein dritter beschränkte die Presse. Ein Zusatzstatut zu der Convention von 1858, welches am 2. Juni veröffentlicht wurde, verfügte Folgendes: Die legislative Gewalt ist fortan dem Fürsten, einer Kammer und einem „begutachtenden Körper" (den wir als Senat bezeichnen werden) anvertraut. Nur der Fürst hat die Initiative zu Gesetzentwürfen. Das Budget wird der Kammer alljährlich vorgelegt, und sie hat das Recht, es zu amendiren, wird es jedoch nicht zu rechter Zeit votirt, so bestreitet die vollziehende Gewalt die Bedürfnisse des Staates nach dem zuletzt bewilligten Budget. Der Senat besteht aus den beiden Metropoliten des Landes, den Bischöfen desselben, dem ältesten General der Armee, dem Präsidenten des Cassationshofes und 64 andern Mitgliedern, die vom Fürsten ernannt werden und alle zwei Jahre zu einem Drittel aus¬ scheiden. Jeder von der Kammer angenommene Gesetzentwurf ist dem Senat zur Prüfung und eventuellen Abänderung vorzulegen. Nur der Senat darf Petitionen annehmen. Das neue Statut erlangt Gesetzeskraft an dem Tage, wo es durch die allgemeine Abstimmung angenommen ist. Das neue Wahlgesetz für die Kammer enthielt folgende Grundzüge: Die Deputirten werden durch Wahlmänner, die von UrWählern aufgestellt werden, gewählt. UrWähler ist jeder Staatsangehörige, welcher über 25 Jahre alt ist, lesen und schreiben kann und jährlich 4 Ducaten Steuern zahlt. Als Wahl¬ männer können, ohne daß sie eine Abgabe von 4 Ducaten aufzuweisen brauchen, alle Geistlichen, die einem Kirchspiel vorstehen, alle Angehörigen der Lehrkörper von Facultäten und Akademien, alle Advocaten, Ingenieure und Architekten, welche Regierungsdiplome besitzen, die Elementarschullehrer und diejenigen Be¬ amten und Offiziere fungiren, welche einen Gehalt von wenigstens 3000 Pia¬ stern beziehen. Um Deputirter werden zu können, muß man dieselben Be¬ dingungen erfüllen und das dreißigste Jahr erreicht haben. Die Abstimmung ist bei den UrWahlen öffentlich, bei den Abgeordnetenwahlen geheim. Wahl¬ agitationen, Stimmenkauf u. d. sind streng verboten. Das Volk nahm diesen Staatsstreich schweigend hin. Für den entgegen¬ gesetzten Fall hatte die Regierung in die verschiedenen Districte Kommissäre mit unbeschränkter Vollmacht geschickt, denen alle Behörden bedingungslos Gehorsam zu leisten hatten. Die Beamten unterzeichneten fast ausnahmslos Zustimmungs¬ adressen, auch der Metropolit billigte in einem Rundschreiben an die Geistlich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/500>, abgerufen am 28.07.2024.