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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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suchten die Radicalen Anfang Januar durch einen Pulses die neue Regierung
zu stürzen, die von ihnen aufgewiegelten Bauern ermordeten mehre Beamte und
machten Anstalt, nach Bukarest zu ziehen, wurden aber zersprengt, und die Be¬
wegung scheiterte vollständig.

Am 24. Januar 1862 traten die vereinigten Stände der Fürstentümer zu
Bukarest zusammen, und es schien, als ob die Dinge sich jetzt besser gestalten
wollten. Der Premierminister Katardji war ein rechtschaffner, wohlunterrichteter
und gewandter Mann, die Deputirten zeigten sich großentheils gutgesinnt und
von löblichen Absichten erfüllt, die Rechte trat versöhnlich auf. auch die Linke
versprach eine weniger feindselige Haltung als bisher zu beobachten. Aber bald
verdunkelte sich die Scene wieder, und die Kluft zwischen den Parteien, die
einige Wochen für ziemlich geschlossen hatte gelten können, that sich von Neuem
auf. Man debattirte viel über die Organisation des Schulwesens, über die
Verwendung der Klostergüter, über die wichtige Frage der Frohnden, über Ver¬
pachtung der Staatsdomänen u. a., aber außer einem Preßgesetze wurde nichts
von den Aufgaben der Versammlung erledigt. Die radicale Partei wurde von
Woche zu Woche ungestümer, namentlich als das Ministerium ihr ein Bankett
zur Feier des Jahrestags der Revolution von 1848 verbot. Am 20. Juni siel
Katardji, als er aus der Kammersitzung nach Hause fuhr, durch den Pistolen¬
schuß eines Meuchelmörders, und wieder gab es einen Ministerwechsel, welcher
die Linke unter Crezulesku an das Nuder brachte und verschiedene durchgreifende
Maßregeln, z. B. die Unterordnung der Verwaltung sämmtlicher Klostergüter
unter das Cultusministerium im Gefolge hatte. .

Am 4. November berief der Fürst eine außerordentliche Versammlung der
Legislatur zur Berathung des Budgets, aber wieder zeigte sich die Opposition
störrisch und widerwillig, und die Erledigung der Sache wurde mit berechneter
Langsamkeit hinausgezogen, so daß sie bei Eröffnung der ordentlichen Session
um die Mitte des December noch auf sich warten ließ. Inzwischen wäre es
beinahe zu einem Zusammenstoß mit der Pforte gekommen. Großartige Waffen¬
transporte, aus den Fabriken von Tula in Nußland über rumänisches Gebiet
nach Serbien gehend, veranlaßten die Regierung in Konstantinopel zu der For¬
derung, dieselben mit Beschlag zu belegen, widrigenfalls man mit 30,000 Mann
in das Land einrücken werde. Auf Anregung der englischen und östreichischen
Agenten unterstützte die Mehrheit des Consularcvrps in Bukarest dieses Ver¬
langen. Aber daS auswärtige Ministerium wußte die Angelegenheit hinaus¬
zuziehen, während der Verhandlungen, die sich entspannen, wurden die Waffen
in Sicherheit gebracht, und die souzeräne Macht mußte schließlich gute Miene
zum bösen Spiel machen.

Die Kammer, welche am 16. December zusammengetreten war, sah es
wieder mehr für ihre Ausgabe an, das Cabinet zu stürzen, als die ihr vorge"


Grenzboren II 18K6. 59,

suchten die Radicalen Anfang Januar durch einen Pulses die neue Regierung
zu stürzen, die von ihnen aufgewiegelten Bauern ermordeten mehre Beamte und
machten Anstalt, nach Bukarest zu ziehen, wurden aber zersprengt, und die Be¬
wegung scheiterte vollständig.

Am 24. Januar 1862 traten die vereinigten Stände der Fürstentümer zu
Bukarest zusammen, und es schien, als ob die Dinge sich jetzt besser gestalten
wollten. Der Premierminister Katardji war ein rechtschaffner, wohlunterrichteter
und gewandter Mann, die Deputirten zeigten sich großentheils gutgesinnt und
von löblichen Absichten erfüllt, die Rechte trat versöhnlich auf. auch die Linke
versprach eine weniger feindselige Haltung als bisher zu beobachten. Aber bald
verdunkelte sich die Scene wieder, und die Kluft zwischen den Parteien, die
einige Wochen für ziemlich geschlossen hatte gelten können, that sich von Neuem
auf. Man debattirte viel über die Organisation des Schulwesens, über die
Verwendung der Klostergüter, über die wichtige Frage der Frohnden, über Ver¬
pachtung der Staatsdomänen u. a., aber außer einem Preßgesetze wurde nichts
von den Aufgaben der Versammlung erledigt. Die radicale Partei wurde von
Woche zu Woche ungestümer, namentlich als das Ministerium ihr ein Bankett
zur Feier des Jahrestags der Revolution von 1848 verbot. Am 20. Juni siel
Katardji, als er aus der Kammersitzung nach Hause fuhr, durch den Pistolen¬
schuß eines Meuchelmörders, und wieder gab es einen Ministerwechsel, welcher
die Linke unter Crezulesku an das Nuder brachte und verschiedene durchgreifende
Maßregeln, z. B. die Unterordnung der Verwaltung sämmtlicher Klostergüter
unter das Cultusministerium im Gefolge hatte. .

Am 4. November berief der Fürst eine außerordentliche Versammlung der
Legislatur zur Berathung des Budgets, aber wieder zeigte sich die Opposition
störrisch und widerwillig, und die Erledigung der Sache wurde mit berechneter
Langsamkeit hinausgezogen, so daß sie bei Eröffnung der ordentlichen Session
um die Mitte des December noch auf sich warten ließ. Inzwischen wäre es
beinahe zu einem Zusammenstoß mit der Pforte gekommen. Großartige Waffen¬
transporte, aus den Fabriken von Tula in Nußland über rumänisches Gebiet
nach Serbien gehend, veranlaßten die Regierung in Konstantinopel zu der For¬
derung, dieselben mit Beschlag zu belegen, widrigenfalls man mit 30,000 Mann
in das Land einrücken werde. Auf Anregung der englischen und östreichischen
Agenten unterstützte die Mehrheit des Consularcvrps in Bukarest dieses Ver¬
langen. Aber daS auswärtige Ministerium wußte die Angelegenheit hinaus¬
zuziehen, während der Verhandlungen, die sich entspannen, wurden die Waffen
in Sicherheit gebracht, und die souzeräne Macht mußte schließlich gute Miene
zum bösen Spiel machen.

Die Kammer, welche am 16. December zusammengetreten war, sah es
wieder mehr für ihre Ausgabe an, das Cabinet zu stürzen, als die ihr vorge«


Grenzboren II 18K6. 59,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/497>, abgerufen am 28.07.2024.