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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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und als die Abgeordneten deshalb aufgelöst wurden, ergaben die Neuwahlen
fast genau dieselbe oppositionelle Majorität, und die Kammer beschloß eine
Ministeranklage, die den Fürsten bewog, ein Cabinet aus den Reihen der con¬
servativen Partei zu bilden, welcher jene Mehrheit angehörte, und einem der
Führer der Konservativen, Katardji. den Vorsitz zu übertragen. Da indeß dieses
Ministerium Forderungen stellte, auf die der Hospodar nicht eingehen zu können
glaubte, so wurde es nach wenigen Tagen wieder entlassen und durch eins
aus der liberalen Minorität ersetzt, welches durch Volksversammlungen und durch
Drohungen mit den durch seine Agenten gegen die Grundbesitzer aufgeregten
Bauern die Majorität gefügig zu machen suchte. Da dies nicht gelang, viel¬
mehr ein Mißtrauensvotum zur Folge hatte, so gab es abermals einen Minister¬
wechsel, und wieder traten (im Juli) die Conservativen, diesmal unter Demeter
Ghika, an die Spitze der Geschäfte.

Mittlerweile hatte Johann der Erste sich die Herstellung der vollständigen
Union beider Fürstenthümer angelegen sein lassen, und die Pforte seinen Be¬
mühungen bis zu einem gewissen Grade nachgegeben, indem vorzüglich Frank¬
reich in Konstantinopel für diesen Plan thätig war. Am 4. December 1861
genehmigte der Sultan durch Fernau die Vereinigung der Ministerien und der
Stände der Moldau und Walachei, doch nur für die Lebenszeit des jetzigen
Fürsten, und vier Tage später verkündete der Fürst den Rumänen:

"Die Union ist vollendet! Die rumänische Nationalität ist fest begründet.
Diese großartige Thatsache, die Sehnsucht vergangner Geschlechter, eifrig gefor¬
dert von den gesetzgebenden Körpern, glühend gewünscht von uns, ist von der
hohen Pforte und den Garantiemächten anerkannt und verzeichnet in den Annalen
der Nationen. Der Gott unsrer Väter ist mit dem Lande und mit uns ge¬
wesen." "Euer Erwählter hat euch ein einiges Rumänien gegeben," u. s. w.

Die Rechte und die Linke beider gesetzgebenden Versammlungen antworteten
darauf in feurigen Danksagungen, das Volk jubelte; davon, daß die Pforte
nur eine provisorische Union kannte und dies deutlich ausgesprochen hatte, war
erst später, als der Rausch der Begeisterung sich gelegt, die Rede. Als der
Fürst sich von Jassy nach Bukarest begab, wurde er von dem Metropoliten in
einer Rede voll biblischer Bilder als "der Gesalbte des Herrn" begrüßt, und
wenig fehlte, daß man ihn noch um eine Stufe höher als den Messias gestellt
hätte.

Die Ministerien beider Fürstenthümer gaben nun freiwillig ihre Entlassung,
und an ihre Stelle trat ein ganz aus den Reihen der Conservativen zusammen¬
gesetztes Cabinet für die Moldau und Walachei zugleich, in welchem Katardji
den Vorsitz und das Innere. Morusi die Finanzen, Batsch den Cultus, Stourdza
die öffentlichen Arbeiten, Arsaki das Auswärtige. Brailoi das Justizdepartement
und I. Ghika die Leitung des Knegsmiuisteriums übernahm. Vergebens ver-


und als die Abgeordneten deshalb aufgelöst wurden, ergaben die Neuwahlen
fast genau dieselbe oppositionelle Majorität, und die Kammer beschloß eine
Ministeranklage, die den Fürsten bewog, ein Cabinet aus den Reihen der con¬
servativen Partei zu bilden, welcher jene Mehrheit angehörte, und einem der
Führer der Konservativen, Katardji. den Vorsitz zu übertragen. Da indeß dieses
Ministerium Forderungen stellte, auf die der Hospodar nicht eingehen zu können
glaubte, so wurde es nach wenigen Tagen wieder entlassen und durch eins
aus der liberalen Minorität ersetzt, welches durch Volksversammlungen und durch
Drohungen mit den durch seine Agenten gegen die Grundbesitzer aufgeregten
Bauern die Majorität gefügig zu machen suchte. Da dies nicht gelang, viel¬
mehr ein Mißtrauensvotum zur Folge hatte, so gab es abermals einen Minister¬
wechsel, und wieder traten (im Juli) die Conservativen, diesmal unter Demeter
Ghika, an die Spitze der Geschäfte.

Mittlerweile hatte Johann der Erste sich die Herstellung der vollständigen
Union beider Fürstenthümer angelegen sein lassen, und die Pforte seinen Be¬
mühungen bis zu einem gewissen Grade nachgegeben, indem vorzüglich Frank¬
reich in Konstantinopel für diesen Plan thätig war. Am 4. December 1861
genehmigte der Sultan durch Fernau die Vereinigung der Ministerien und der
Stände der Moldau und Walachei, doch nur für die Lebenszeit des jetzigen
Fürsten, und vier Tage später verkündete der Fürst den Rumänen:

„Die Union ist vollendet! Die rumänische Nationalität ist fest begründet.
Diese großartige Thatsache, die Sehnsucht vergangner Geschlechter, eifrig gefor¬
dert von den gesetzgebenden Körpern, glühend gewünscht von uns, ist von der
hohen Pforte und den Garantiemächten anerkannt und verzeichnet in den Annalen
der Nationen. Der Gott unsrer Väter ist mit dem Lande und mit uns ge¬
wesen." „Euer Erwählter hat euch ein einiges Rumänien gegeben," u. s. w.

Die Rechte und die Linke beider gesetzgebenden Versammlungen antworteten
darauf in feurigen Danksagungen, das Volk jubelte; davon, daß die Pforte
nur eine provisorische Union kannte und dies deutlich ausgesprochen hatte, war
erst später, als der Rausch der Begeisterung sich gelegt, die Rede. Als der
Fürst sich von Jassy nach Bukarest begab, wurde er von dem Metropoliten in
einer Rede voll biblischer Bilder als „der Gesalbte des Herrn" begrüßt, und
wenig fehlte, daß man ihn noch um eine Stufe höher als den Messias gestellt
hätte.

Die Ministerien beider Fürstenthümer gaben nun freiwillig ihre Entlassung,
und an ihre Stelle trat ein ganz aus den Reihen der Conservativen zusammen¬
gesetztes Cabinet für die Moldau und Walachei zugleich, in welchem Katardji
den Vorsitz und das Innere. Morusi die Finanzen, Batsch den Cultus, Stourdza
die öffentlichen Arbeiten, Arsaki das Auswärtige. Brailoi das Justizdepartement
und I. Ghika die Leitung des Knegsmiuisteriums übernahm. Vergebens ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/496>, abgerufen am 28.07.2024.