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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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welchem Cogalnitscheano präsidirte, an die Stelle des bisherigen. Aber die
Stände gingen abermals auseinander, ohne wesentliche Reformen zum Abschluß
gebracht zu haben: man hatte einige von der Centralcommission vorbereitete
Gesetzentwürfe angenommen, sich aber grade über den wichtigsten derselben, der
das Verhältniß der Grundbesitzer zu den Bauern regelte, nicht einigen können.
Die Rechte klagte das Ministerium Golesko in den stärksten Ausdrücken an,
das Leben und Eigenthum der Bojaren zu gefährden, sie sagte unter andern:
"Die Abgeordneten sind nicht frei, Banden unheimlicher Gestalten, befleckt mit
Laster und Trunkenheit, gräßlich und scheußlich wie die Sünde und der Tod,
wie die Schande und die Erniedrigung halten die Hauptstadt umstellt, sie zucken
Dolche unter ihren zerlumpten Mänteln, dieses Raubgesindel ist im Begriff,
sich aus die Rechte zu stürzen" -- gewiß eine schöne Blume der Beredsamkeit
dieser Herren Landboten, aber Wahrheit war nicht dahinter, die Minister waren
Leute von sehr unschuldiger Art, und die Redner, die jene Gespenster gesehen
haben wollten, endigten damit, daß sie über dem Gelächter, welches sie damit
hervorriefen, selbst ins Lachen geriethen.

Ende September reiste der Fürst, um die Investitur zu empfangen, nach
Konstantinopel, wo er sehr wohl aufgenommen wurde und sich dieses Wohl¬
wollen für die Zukunft zu sichern wußte. Als er aber zurückkam, sah er sich
Neuen bedenklichen Verwicklungen gegenüber. Ein von den Versammlungen
beider Fürstentümer angenommenes neues Rekrutirungsgesetz verletzte die Rechte
der Bulgaren, welche in dem 1856 zur Moldau geschlagenen ehemals russischen
Gebiet wohnten, dieselben erhoben sich dagegen und wurden mit Waffengewalt
niedergeschlagen. In Jassy ließ die Regierung den Metropoliten Michlesko
wegen Amtsmißbrauch und Ungehorsam absetzen und einsperren. In beiden
Fürstenthümern fanden Ansammlungen ungarischer Flüchtlinge zum Behuf eines
Einfalls in das östreichische Gebiet statt, und es erschienen in Galatz Schiffe mit
Waffen und Munition für dieselben. Der Fürst ließ die Schiffe zunächst mit
Beschlag belegen und dann ihre Fracht nach Genua, von wo sie gekommen,
zurücksenden, und die Flüchtlinge wurden nach Konstantinopel geschickt. Wegen
aller dieser Vorfälle erfuhr die Negierung in den im December 1860 wieder
zusammengetretnen gesetzgebenden Versammlungen heftige Angriffe, die legis¬
latorische Thätigkeit der Abgeordneten aber war abermals ohne alle Frucht. Jenes
Verfahren gegen den Metropoliten in Jassy führte zu einer Anklage der Minister
in der Moldau und zu einem Cabinetswechsel, welcher Paro an die Spitze der
Verwaltung dieses Fürstenthums brachte. Auch dieses Ministerium hielt sich
nur wenige Monate, indem es infolge einer Gewaltthat gegen den Major
Papakosta, einen Unterthan Rußlands, schon im October 1861 zurücktreten und
einem neuen Platz machen mußte, welches Morusi zum Vorsitzenden hatte. Die
Walachische Versammlung stellte sich gleichfalls feindlich gegen die Regierung,


welchem Cogalnitscheano präsidirte, an die Stelle des bisherigen. Aber die
Stände gingen abermals auseinander, ohne wesentliche Reformen zum Abschluß
gebracht zu haben: man hatte einige von der Centralcommission vorbereitete
Gesetzentwürfe angenommen, sich aber grade über den wichtigsten derselben, der
das Verhältniß der Grundbesitzer zu den Bauern regelte, nicht einigen können.
Die Rechte klagte das Ministerium Golesko in den stärksten Ausdrücken an,
das Leben und Eigenthum der Bojaren zu gefährden, sie sagte unter andern:
„Die Abgeordneten sind nicht frei, Banden unheimlicher Gestalten, befleckt mit
Laster und Trunkenheit, gräßlich und scheußlich wie die Sünde und der Tod,
wie die Schande und die Erniedrigung halten die Hauptstadt umstellt, sie zucken
Dolche unter ihren zerlumpten Mänteln, dieses Raubgesindel ist im Begriff,
sich aus die Rechte zu stürzen" — gewiß eine schöne Blume der Beredsamkeit
dieser Herren Landboten, aber Wahrheit war nicht dahinter, die Minister waren
Leute von sehr unschuldiger Art, und die Redner, die jene Gespenster gesehen
haben wollten, endigten damit, daß sie über dem Gelächter, welches sie damit
hervorriefen, selbst ins Lachen geriethen.

Ende September reiste der Fürst, um die Investitur zu empfangen, nach
Konstantinopel, wo er sehr wohl aufgenommen wurde und sich dieses Wohl¬
wollen für die Zukunft zu sichern wußte. Als er aber zurückkam, sah er sich
Neuen bedenklichen Verwicklungen gegenüber. Ein von den Versammlungen
beider Fürstentümer angenommenes neues Rekrutirungsgesetz verletzte die Rechte
der Bulgaren, welche in dem 1856 zur Moldau geschlagenen ehemals russischen
Gebiet wohnten, dieselben erhoben sich dagegen und wurden mit Waffengewalt
niedergeschlagen. In Jassy ließ die Regierung den Metropoliten Michlesko
wegen Amtsmißbrauch und Ungehorsam absetzen und einsperren. In beiden
Fürstenthümern fanden Ansammlungen ungarischer Flüchtlinge zum Behuf eines
Einfalls in das östreichische Gebiet statt, und es erschienen in Galatz Schiffe mit
Waffen und Munition für dieselben. Der Fürst ließ die Schiffe zunächst mit
Beschlag belegen und dann ihre Fracht nach Genua, von wo sie gekommen,
zurücksenden, und die Flüchtlinge wurden nach Konstantinopel geschickt. Wegen
aller dieser Vorfälle erfuhr die Negierung in den im December 1860 wieder
zusammengetretnen gesetzgebenden Versammlungen heftige Angriffe, die legis¬
latorische Thätigkeit der Abgeordneten aber war abermals ohne alle Frucht. Jenes
Verfahren gegen den Metropoliten in Jassy führte zu einer Anklage der Minister
in der Moldau und zu einem Cabinetswechsel, welcher Paro an die Spitze der
Verwaltung dieses Fürstenthums brachte. Auch dieses Ministerium hielt sich
nur wenige Monate, indem es infolge einer Gewaltthat gegen den Major
Papakosta, einen Unterthan Rußlands, schon im October 1861 zurücktreten und
einem neuen Platz machen mußte, welches Morusi zum Vorsitzenden hatte. Die
Walachische Versammlung stellte sich gleichfalls feindlich gegen die Regierung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/495>, abgerufen am 28.07.2024.