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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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das nur von einem geraden, festen und strammen Fürsten, umgeben von einem
erleuchteten Ministerium vollbracht werden konnte. Im Lande selbst waren
solche Charaktere nicht zu haben. Einige Wohlgesinnte dachten an den alten
Hospodar Stirbey. Die Wahl der Mehrzahl fiel auf Cusa, und nicht sobald
war er zum Fürsten Johann der Erste geworden, als alle Welt sich von ihm
abwandte und laut nach einem Ersatz desselben durch einen fremden Prinzen rief.

Wie kam man dazu, den bis dahin unbekannten Cusa zu wählen? In
Jassy wie in Bukarest standen sich zwei Parteien gegenüber: die der alten Hospo-
darensamilien und die Liberalen. In jener spielten zu Jassy die Fürsten Michael
und Gregor Stourdza die Hauptrolle, diese hatten die Herren Negri, Alexandri.
Mavrogeni und Laskar Katardji zu Führern. Nach dreitägigen unfruchtbaren
Hin- und Herreden über den passendsten Candidaten erhob sich ein Deputirter,
um dem Streit ein Ende zu machen, indem er den Obersten Cusa vorschlug.
Cusa, der Sohn eines griechischen Kaufmanns aus Trapezunt, der in der Moldau
naturalisirt war. bekleidete damals den Posten des Chefs der moldauischen
Miliz. Er war früher Präfect von Galatz gewesen und hatte sich hier durch
unparteiische Gerechtigkeitspflege einen guten Namen erworben. In Paris ge¬
bildet, hatte er zu den jungen Leuten gehört, die 1848 die Befreiung ihres
Vaterlandes erstrebten, und sich dabei nicht gescheut, der Regierung des Hospo¬
dars Stourdza entgegenzutreten, die in ihrer Despotie so weit ging, daß sie die
Liberalen im Palasthofe zu Jassy aufpeitschen ließ. Aber als Parteihaupt be¬
trachtete ihn niemand, er flößte weder starke Abneigung, noch besondere Sym¬
pathie ein. Dem Range nach gehörte er zu den Bojaren zweiter Classe, seine
liberalen Tendenzen empfahlen ihn den Niedrigerstehenden. Er galt ferner für
nicht ehrgeizig. Sein Name war von der Art, daß man sich über ihm die
Hände reichen konnte, und so wurde er in Jassy fast einstimmig gewählt. In
Bukarest, wo es heftigere Debatten gab und wo der Streit zwischen ungefähr
einem Dutzend Candidaten schwankte, von denen die conservative Partei vorzüg¬
lich die drei letzten Hvspodare. Alexander Ghika. die Brüder Stirbey und Bi-
besko, die liberale den General Golesko ins Auge gefaßt hatte, gestaltete sich
die Sache ähnlich. Um den Debatten ein Ende zu machen, empfahl Boeresko,
ein Liberaler. Anschluß an die Wahl der Moldau, der greise Arsaki, Mitglied
der conservativen Partei, unterstützte ihn, indem er hervorhob, die Union der
Personen werde die ersehnte Union der Länder anbahnen, und die Uebrigen
ließen sich überzeugen. Als man Cusa seine Erwählung anzuzeigen ging, fand
man ihn in einem Kaffeehause beim Billard, und seine Mienen sollen nicht wenig
Ueberraschung ausgedrückt haben, als er plötzlich das Queue vom Schicksal in
ein Scepter verwandelt sah. Die unterlegnen Prätendenten begaben sich ohne
Verzug ins Ausland, wo sie die Wahl Cusas als Ergebniß einer Ueberrumpelung
in der Moldau und als Folge demagogischer Presston in der Walachei dar-


das nur von einem geraden, festen und strammen Fürsten, umgeben von einem
erleuchteten Ministerium vollbracht werden konnte. Im Lande selbst waren
solche Charaktere nicht zu haben. Einige Wohlgesinnte dachten an den alten
Hospodar Stirbey. Die Wahl der Mehrzahl fiel auf Cusa, und nicht sobald
war er zum Fürsten Johann der Erste geworden, als alle Welt sich von ihm
abwandte und laut nach einem Ersatz desselben durch einen fremden Prinzen rief.

Wie kam man dazu, den bis dahin unbekannten Cusa zu wählen? In
Jassy wie in Bukarest standen sich zwei Parteien gegenüber: die der alten Hospo-
darensamilien und die Liberalen. In jener spielten zu Jassy die Fürsten Michael
und Gregor Stourdza die Hauptrolle, diese hatten die Herren Negri, Alexandri.
Mavrogeni und Laskar Katardji zu Führern. Nach dreitägigen unfruchtbaren
Hin- und Herreden über den passendsten Candidaten erhob sich ein Deputirter,
um dem Streit ein Ende zu machen, indem er den Obersten Cusa vorschlug.
Cusa, der Sohn eines griechischen Kaufmanns aus Trapezunt, der in der Moldau
naturalisirt war. bekleidete damals den Posten des Chefs der moldauischen
Miliz. Er war früher Präfect von Galatz gewesen und hatte sich hier durch
unparteiische Gerechtigkeitspflege einen guten Namen erworben. In Paris ge¬
bildet, hatte er zu den jungen Leuten gehört, die 1848 die Befreiung ihres
Vaterlandes erstrebten, und sich dabei nicht gescheut, der Regierung des Hospo¬
dars Stourdza entgegenzutreten, die in ihrer Despotie so weit ging, daß sie die
Liberalen im Palasthofe zu Jassy aufpeitschen ließ. Aber als Parteihaupt be¬
trachtete ihn niemand, er flößte weder starke Abneigung, noch besondere Sym¬
pathie ein. Dem Range nach gehörte er zu den Bojaren zweiter Classe, seine
liberalen Tendenzen empfahlen ihn den Niedrigerstehenden. Er galt ferner für
nicht ehrgeizig. Sein Name war von der Art, daß man sich über ihm die
Hände reichen konnte, und so wurde er in Jassy fast einstimmig gewählt. In
Bukarest, wo es heftigere Debatten gab und wo der Streit zwischen ungefähr
einem Dutzend Candidaten schwankte, von denen die conservative Partei vorzüg¬
lich die drei letzten Hvspodare. Alexander Ghika. die Brüder Stirbey und Bi-
besko, die liberale den General Golesko ins Auge gefaßt hatte, gestaltete sich
die Sache ähnlich. Um den Debatten ein Ende zu machen, empfahl Boeresko,
ein Liberaler. Anschluß an die Wahl der Moldau, der greise Arsaki, Mitglied
der conservativen Partei, unterstützte ihn, indem er hervorhob, die Union der
Personen werde die ersehnte Union der Länder anbahnen, und die Uebrigen
ließen sich überzeugen. Als man Cusa seine Erwählung anzuzeigen ging, fand
man ihn in einem Kaffeehause beim Billard, und seine Mienen sollen nicht wenig
Ueberraschung ausgedrückt haben, als er plötzlich das Queue vom Schicksal in
ein Scepter verwandelt sah. Die unterlegnen Prätendenten begaben sich ohne
Verzug ins Ausland, wo sie die Wahl Cusas als Ergebniß einer Ueberrumpelung
in der Moldau und als Folge demagogischer Presston in der Walachei dar-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/493>, abgerufen am 28.07.2024.