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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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müssen sich für eine Zeit nothwendig eng an die Politik des wiener Hoff an¬
schließen ; denn Frankreich wird lange brauchen, bis es sich von dem Regime der
Republik wieder erholt, und während dieser Zeit ist Oestreich die einzige Macht,
welche sich in einer wahrhaft monarchischen Ideenordnung hält. Der andere
Bevollmächtigte Victor Emanuels, Graf Rossi, hielt sich für einen sehr scharf¬
sinnigen Staatsmann, wenn er im December nach Turin schrieb: Der Fürst
Kossloski habe ihm einen warmen Vortrag über die Nothwendigkeit für die
restaurirten Regierungen gehalten, sich constitutionellen Formen zu bequemen;
er habe aber dem Rath des Kaisers Alexander erwiedert, er halte einen solchen
Vorschlag für höchst verderblich, zumal in einer Zeit, in welcher die Gemüther
sich in Aufregung befänden, und auf alle Fälle würde eine solche Regierung
nur den Interessen und Umsturzgedanken der Ehrgeizigen zum Vortheil gereichen.
In Turin selbst mochten diese Berichte freilich sehr willkommen sein. Graf
Valesia, der damalige Minister des Auswärtigen, ermahnte im Juli seine Be¬
vollmächtigten in Wien, gegen die Einflüsterungen des Kaisers Alexander und
der britischen und französischen Gesandten auf der Hut zu sein, welche damals
unterstützt von den preußischen Bevollmächtigten als die Beschützer der so¬
genannten liberalen Ideen galten. Der gute Victor Emanuel selbst war so
eifersüchtig auf die Prärogation seiner Krone, daß er in den Jnstructionen an
seine Gesandten folgende Weisung gab: Ein nach seiner Natur und bei den
allzu philosophischen Neigungen vieler Cabinete äußerst heikler Gegenstand ist
derjenige, welcher unsere Freiheit des Handelns betrifft, die wir in ihrem mög¬
lichst ungeschmälerten Umfang aufrecht zu halten wünschen, sowohl um die
Regierungsform zu bewahren, die mit solchem Erfolg so viele Jahrhunderte im
Gebrauch war, als um die Ungerechtigkeiten und Mißbräuche zu beseitigen,
welche sich seit der französischen Invasion in die festländischen Staaten ein¬
geschlichen haben und überhaupt um diejenigen Handlungen auszuführen, welche
von uns als nothwendig für das Wohlergehen unsrer Staaten erachtet werden.

Der Ehrgeiz Victor Emanuels beschränkte sich darauf, durch Annahme eines
vom italienischen Festland genommenen Titels gleichsam den italienischen Charakter
seiner künftigen Stellung zu beurkunden, und damit zugleich die neugewonnenen
Gebietstheile zu verbinden. Die Annahme irgendeines italienischen Königs¬
titels, schrieb Victor Emanuel im October 1814 an den Grafen San Marzano
nach Wien, würde ohne Zweifel dazu beitragen, der Eigenliebe der mit unsern
Staaten vereinigten Länder zu schmeicheln, auch sind wir nicht abgeneigt ihn
anzunehmen, vorausgesetzt, daß er nicht als Entschädigung für den Verzicht
auf irgendeinen reellen Vortheil, den wir vorziehen würden, zugestanden wird.
Victor Emanuel dachte hierbei an den Titel: König von Ligurien, höher ver-
stieg sich sein Ehrgeiz nicht. Freilich wäre an den Titel König von Italien
am wenigsten zu denken gewesen. Oestreich, der unmittelbare Erbe des König-


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müssen sich für eine Zeit nothwendig eng an die Politik des wiener Hoff an¬
schließen ; denn Frankreich wird lange brauchen, bis es sich von dem Regime der
Republik wieder erholt, und während dieser Zeit ist Oestreich die einzige Macht,
welche sich in einer wahrhaft monarchischen Ideenordnung hält. Der andere
Bevollmächtigte Victor Emanuels, Graf Rossi, hielt sich für einen sehr scharf¬
sinnigen Staatsmann, wenn er im December nach Turin schrieb: Der Fürst
Kossloski habe ihm einen warmen Vortrag über die Nothwendigkeit für die
restaurirten Regierungen gehalten, sich constitutionellen Formen zu bequemen;
er habe aber dem Rath des Kaisers Alexander erwiedert, er halte einen solchen
Vorschlag für höchst verderblich, zumal in einer Zeit, in welcher die Gemüther
sich in Aufregung befänden, und auf alle Fälle würde eine solche Regierung
nur den Interessen und Umsturzgedanken der Ehrgeizigen zum Vortheil gereichen.
In Turin selbst mochten diese Berichte freilich sehr willkommen sein. Graf
Valesia, der damalige Minister des Auswärtigen, ermahnte im Juli seine Be¬
vollmächtigten in Wien, gegen die Einflüsterungen des Kaisers Alexander und
der britischen und französischen Gesandten auf der Hut zu sein, welche damals
unterstützt von den preußischen Bevollmächtigten als die Beschützer der so¬
genannten liberalen Ideen galten. Der gute Victor Emanuel selbst war so
eifersüchtig auf die Prärogation seiner Krone, daß er in den Jnstructionen an
seine Gesandten folgende Weisung gab: Ein nach seiner Natur und bei den
allzu philosophischen Neigungen vieler Cabinete äußerst heikler Gegenstand ist
derjenige, welcher unsere Freiheit des Handelns betrifft, die wir in ihrem mög¬
lichst ungeschmälerten Umfang aufrecht zu halten wünschen, sowohl um die
Regierungsform zu bewahren, die mit solchem Erfolg so viele Jahrhunderte im
Gebrauch war, als um die Ungerechtigkeiten und Mißbräuche zu beseitigen,
welche sich seit der französischen Invasion in die festländischen Staaten ein¬
geschlichen haben und überhaupt um diejenigen Handlungen auszuführen, welche
von uns als nothwendig für das Wohlergehen unsrer Staaten erachtet werden.

Der Ehrgeiz Victor Emanuels beschränkte sich darauf, durch Annahme eines
vom italienischen Festland genommenen Titels gleichsam den italienischen Charakter
seiner künftigen Stellung zu beurkunden, und damit zugleich die neugewonnenen
Gebietstheile zu verbinden. Die Annahme irgendeines italienischen Königs¬
titels, schrieb Victor Emanuel im October 1814 an den Grafen San Marzano
nach Wien, würde ohne Zweifel dazu beitragen, der Eigenliebe der mit unsern
Staaten vereinigten Länder zu schmeicheln, auch sind wir nicht abgeneigt ihn
anzunehmen, vorausgesetzt, daß er nicht als Entschädigung für den Verzicht
auf irgendeinen reellen Vortheil, den wir vorziehen würden, zugestanden wird.
Victor Emanuel dachte hierbei an den Titel: König von Ligurien, höher ver-
stieg sich sein Ehrgeiz nicht. Freilich wäre an den Titel König von Italien
am wenigsten zu denken gewesen. Oestreich, der unmittelbare Erbe des König-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/483>, abgerufen am 28.07.2024.