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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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seine Soldaten hätten die Lombardei erobert, in Mailand würden sie seine
ferneren Befehle vernehmen. -- Nicht anders machten es die Lucchesen; sie
gaben sich alle Mühe, beim wiener Hos gut angeschrieben zu sein, proclamirten
den Kaiser als Protector ihrer Freiheit und Unabhängigkeit, riefen östreichische
Truppen ins Land und schrieben ihren Deputaten in Wien vor, sich um den
Schutz Oestreichs zu bemühen, damit sie die Wiederherstellung ihrer alten Republik
erlangten. Von den Genuesen muß noch besonders die Rede sein. Auch sie
zählten auf Oestreichs Beistand für die Wiederherstellung ihrer Republik, flehent¬
lich wandten sie sich an Kaiser Franz und betheuerten, seine Hilfe anrufend,
daß Genua immer die höchste Ergebenheit gegen das Haus Oestreich gezeigt
habe.

Oestreichs Schutz gegen Vergewaltigung durch Piemont! diese Thatsache
allein beweist, wie wenig damals noch Piemont auf das Verständniß seiner
Mission bei den Italienern rechnen konnte. Von der Existenz einer Partei,
welche damals schon die Unifikation der ganzen Halbinsel unter dem Haus
Savoyen auf ihre Fahne schrieb, giebt nur ein einziges Document Zeugniß.
Es ist eine Dankschrift, welche im Jahr 1814 eine Anzahl lombardischer und
piemontesischer Edelleute an den Kaiser Alexander richteten und von der in
London einige Exemplare in italienischer, französischer und englischer Sprache
gedruckt wurden. Von den Beschlüssen, welche das Geschick Italiens entscheiden,
war hier ausgeführt, hängt die künftige Ruhe Europas ab. Italien sei geeinigt,
und der Friede, der jetzt abgeschlossen werde, wird ein ewiger Friede sein. Italien
bleibe getheilt, und alle Hoffnung auf dauerhafte Ruhe wird verschwinden.
Das Recht der Italiener eine freie und unabhängige Nation zu bilden wurde
in Anspruch genommen, die Vortheile einer solchen Lösung für das europäische
Gleichgewicht entwickelt, worauf es dann am Schlüsse hieß: das erlauchte Haus
Savoyen ist italienisch, seine Ahnen sind der Ruhm und der Stolz Italiens.
Mögen die Verbündeten Monarchen, möge Eure kaiserliche Majestät, der Freund
und die Stütze dieser königlichen Familie, sie nicht blos in ihren alten Besitz
wieder einsetzen, sondern sie einladen, über alle Italiener, welche seine Unterthanen
zu werden wünschen, zu regieren. Der König von Sardinien erkläre sich den
Jtalinern als das Centrum ihrer Einheit und alle Italiener werden mit Freude
und Wonne das hochherzige Geschenk annehmen und die Hand des Gebers
segnen.

Freilich geschah von Seiten Sardiniens auch nicht das Mindeste, sich die
Sympathien der Italiener zu erwerben. Selbst der Graf d'Aglio berichtet im
September aus London, daß er bemüht gewesen sei, die Ideen Lord Bentincks
zurückzuweisen, der angerathen hatte, die Regierung Piemonts auf weniger ver-
alteten und der fortgeschrittenen Civilisation entsprechenderen Grundlagen ein¬
zurichten. San Marzano schrieb im Juli an Victor Emanuel: Eure Majestät


seine Soldaten hätten die Lombardei erobert, in Mailand würden sie seine
ferneren Befehle vernehmen. — Nicht anders machten es die Lucchesen; sie
gaben sich alle Mühe, beim wiener Hos gut angeschrieben zu sein, proclamirten
den Kaiser als Protector ihrer Freiheit und Unabhängigkeit, riefen östreichische
Truppen ins Land und schrieben ihren Deputaten in Wien vor, sich um den
Schutz Oestreichs zu bemühen, damit sie die Wiederherstellung ihrer alten Republik
erlangten. Von den Genuesen muß noch besonders die Rede sein. Auch sie
zählten auf Oestreichs Beistand für die Wiederherstellung ihrer Republik, flehent¬
lich wandten sie sich an Kaiser Franz und betheuerten, seine Hilfe anrufend,
daß Genua immer die höchste Ergebenheit gegen das Haus Oestreich gezeigt
habe.

Oestreichs Schutz gegen Vergewaltigung durch Piemont! diese Thatsache
allein beweist, wie wenig damals noch Piemont auf das Verständniß seiner
Mission bei den Italienern rechnen konnte. Von der Existenz einer Partei,
welche damals schon die Unifikation der ganzen Halbinsel unter dem Haus
Savoyen auf ihre Fahne schrieb, giebt nur ein einziges Document Zeugniß.
Es ist eine Dankschrift, welche im Jahr 1814 eine Anzahl lombardischer und
piemontesischer Edelleute an den Kaiser Alexander richteten und von der in
London einige Exemplare in italienischer, französischer und englischer Sprache
gedruckt wurden. Von den Beschlüssen, welche das Geschick Italiens entscheiden,
war hier ausgeführt, hängt die künftige Ruhe Europas ab. Italien sei geeinigt,
und der Friede, der jetzt abgeschlossen werde, wird ein ewiger Friede sein. Italien
bleibe getheilt, und alle Hoffnung auf dauerhafte Ruhe wird verschwinden.
Das Recht der Italiener eine freie und unabhängige Nation zu bilden wurde
in Anspruch genommen, die Vortheile einer solchen Lösung für das europäische
Gleichgewicht entwickelt, worauf es dann am Schlüsse hieß: das erlauchte Haus
Savoyen ist italienisch, seine Ahnen sind der Ruhm und der Stolz Italiens.
Mögen die Verbündeten Monarchen, möge Eure kaiserliche Majestät, der Freund
und die Stütze dieser königlichen Familie, sie nicht blos in ihren alten Besitz
wieder einsetzen, sondern sie einladen, über alle Italiener, welche seine Unterthanen
zu werden wünschen, zu regieren. Der König von Sardinien erkläre sich den
Jtalinern als das Centrum ihrer Einheit und alle Italiener werden mit Freude
und Wonne das hochherzige Geschenk annehmen und die Hand des Gebers
segnen.

Freilich geschah von Seiten Sardiniens auch nicht das Mindeste, sich die
Sympathien der Italiener zu erwerben. Selbst der Graf d'Aglio berichtet im
September aus London, daß er bemüht gewesen sei, die Ideen Lord Bentincks
zurückzuweisen, der angerathen hatte, die Regierung Piemonts auf weniger ver-
alteten und der fortgeschrittenen Civilisation entsprechenderen Grundlagen ein¬
zurichten. San Marzano schrieb im Juli an Victor Emanuel: Eure Majestät


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/482>, abgerufen am 28.07.2024.