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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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den freien Künsten, nichts in hebräischer und griechischer Sprache, aus den
Biblien nur so viel als ein laufender Hund aus dem strengen Fluß des Nilus."
Sie dringen sich den Pfarrern auf den Dörfern für die Kanzel auf, predigen
im Rausch den Bauern schwanke und bestellen dann Sackpfeifer und Schal¬
meien, um mit den Greten und Eisen sich auf dem Tanzboden zu ergötzen.
"Unfläthige Buben haben am Sonntag geprediget, den Donnerstag in der Ko¬
mödie die Narrcnsperson bedienet und sind kurz hernach wieder auf die Kanzel
gekommen."

Meyfart und Heyder geben ganz besonders den Rectoren und Professoren
die Schuld, daß solch' eine Barbarei auf den Universitäten eingerissen, und sie
scheinen darin wenigstens zum Theil Recht zu haben. Gewiß konnten die Auto¬
ritäten in gesetzloser Zeit, wo überall mehr oder minder das Recht des Stärkeren
galt, nicht oft den Zwang üben, der nothwendig war. Oft aber auch war
dies nicht ihr Wille, da sie selbst verwildert waren. Manche gaben zu viel auf
Beliebtheit bei der akademischen Jugend und meinten, die junge Welt müsse
sich austoben. Andere "steckten die großen Diebe in die Tasche und hingen
die kleinen an den Galgen." "Werden verklaget Federjunker und Degenstutzer,
die können sich stattlich ausreden", sagt Meyfart; "werden aber verklaget noth¬
leidende Communitäter und elende Gesellen, die andern famuliren, die müssen
in das Loch kriechen und von der Universität verwiesen werden." Wieder
andere ließen sich durch Geld überzeugen, daß der Betreffende mit Strafe zu
verschonen sei, noch andere entschuldigten denselben, weil er mit ihnen oder
einem der Professoren verwandt oder verschwägert war.

Häufig auch trieben es Professoren in manchen Stücken wie die Studenten,
schmausten mit ihnen, tranken und betrauten sich mit ihnen, jubelten, tanzten,
schrien und schwärmten und ließen "unter dem Fressen und Saufen die Geifer
und Trompeter holen und die Feldstücke zum Fenster hinausblascn"; was "in¬
sonderheit die Theologen zierete. wenn sie entweder in langen Röcken oder langen
Mänteln oder gestutzten Harzkappen umhcrgehüpfet wie die Elstern."

Dann wird von Meyfart auch den evangelischen Fürsten tapfer der Text
gelesen, weil sie dem Unwesen der akademischen Barbarei dadurch Vorschub ge¬
leistet, "daß sie mit Trotz befohlen, diejenigen wieder anzunehmen, die aus
rechtmäßigen Ursachen sind fortgeschaffet worden, und solches auf ungestümes
Anhalten der Eltern, Verwandten und Freunde, die vorgeschützet, der uralte
adelige ehrbare und berühmte Stamm käme in äußerste Verachtung." Ferner
wirft er den Regenten vor, daß sie die Professoren gewissermaßen gezwungen,
den Studenten durch die Finger zu sehen, und ohne Zweifel hat der eifrige
Mann auch damit nicht Unrecht. Zu großen Trinkfesten. Jagden, Theaterauf¬
führungen und ähnlichen Dingen wurde selbst in dieser Zeit gewöhnlich das
Geld beschafft, für die Wissenschaft hatte man ebenso häusig weniger übrig als


den freien Künsten, nichts in hebräischer und griechischer Sprache, aus den
Biblien nur so viel als ein laufender Hund aus dem strengen Fluß des Nilus."
Sie dringen sich den Pfarrern auf den Dörfern für die Kanzel auf, predigen
im Rausch den Bauern schwanke und bestellen dann Sackpfeifer und Schal¬
meien, um mit den Greten und Eisen sich auf dem Tanzboden zu ergötzen.
„Unfläthige Buben haben am Sonntag geprediget, den Donnerstag in der Ko¬
mödie die Narrcnsperson bedienet und sind kurz hernach wieder auf die Kanzel
gekommen."

Meyfart und Heyder geben ganz besonders den Rectoren und Professoren
die Schuld, daß solch' eine Barbarei auf den Universitäten eingerissen, und sie
scheinen darin wenigstens zum Theil Recht zu haben. Gewiß konnten die Auto¬
ritäten in gesetzloser Zeit, wo überall mehr oder minder das Recht des Stärkeren
galt, nicht oft den Zwang üben, der nothwendig war. Oft aber auch war
dies nicht ihr Wille, da sie selbst verwildert waren. Manche gaben zu viel auf
Beliebtheit bei der akademischen Jugend und meinten, die junge Welt müsse
sich austoben. Andere „steckten die großen Diebe in die Tasche und hingen
die kleinen an den Galgen." „Werden verklaget Federjunker und Degenstutzer,
die können sich stattlich ausreden", sagt Meyfart; „werden aber verklaget noth¬
leidende Communitäter und elende Gesellen, die andern famuliren, die müssen
in das Loch kriechen und von der Universität verwiesen werden." Wieder
andere ließen sich durch Geld überzeugen, daß der Betreffende mit Strafe zu
verschonen sei, noch andere entschuldigten denselben, weil er mit ihnen oder
einem der Professoren verwandt oder verschwägert war.

Häufig auch trieben es Professoren in manchen Stücken wie die Studenten,
schmausten mit ihnen, tranken und betrauten sich mit ihnen, jubelten, tanzten,
schrien und schwärmten und ließen „unter dem Fressen und Saufen die Geifer
und Trompeter holen und die Feldstücke zum Fenster hinausblascn"; was „in¬
sonderheit die Theologen zierete. wenn sie entweder in langen Röcken oder langen
Mänteln oder gestutzten Harzkappen umhcrgehüpfet wie die Elstern."

Dann wird von Meyfart auch den evangelischen Fürsten tapfer der Text
gelesen, weil sie dem Unwesen der akademischen Barbarei dadurch Vorschub ge¬
leistet, „daß sie mit Trotz befohlen, diejenigen wieder anzunehmen, die aus
rechtmäßigen Ursachen sind fortgeschaffet worden, und solches auf ungestümes
Anhalten der Eltern, Verwandten und Freunde, die vorgeschützet, der uralte
adelige ehrbare und berühmte Stamm käme in äußerste Verachtung." Ferner
wirft er den Regenten vor, daß sie die Professoren gewissermaßen gezwungen,
den Studenten durch die Finger zu sehen, und ohne Zweifel hat der eifrige
Mann auch damit nicht Unrecht. Zu großen Trinkfesten. Jagden, Theaterauf¬
führungen und ähnlichen Dingen wurde selbst in dieser Zeit gewöhnlich das
Geld beschafft, für die Wissenschaft hatte man ebenso häusig weniger übrig als


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[0464] den freien Künsten, nichts in hebräischer und griechischer Sprache, aus den Biblien nur so viel als ein laufender Hund aus dem strengen Fluß des Nilus." Sie dringen sich den Pfarrern auf den Dörfern für die Kanzel auf, predigen im Rausch den Bauern schwanke und bestellen dann Sackpfeifer und Schal¬ meien, um mit den Greten und Eisen sich auf dem Tanzboden zu ergötzen. „Unfläthige Buben haben am Sonntag geprediget, den Donnerstag in der Ko¬ mödie die Narrcnsperson bedienet und sind kurz hernach wieder auf die Kanzel gekommen." Meyfart und Heyder geben ganz besonders den Rectoren und Professoren die Schuld, daß solch' eine Barbarei auf den Universitäten eingerissen, und sie scheinen darin wenigstens zum Theil Recht zu haben. Gewiß konnten die Auto¬ ritäten in gesetzloser Zeit, wo überall mehr oder minder das Recht des Stärkeren galt, nicht oft den Zwang üben, der nothwendig war. Oft aber auch war dies nicht ihr Wille, da sie selbst verwildert waren. Manche gaben zu viel auf Beliebtheit bei der akademischen Jugend und meinten, die junge Welt müsse sich austoben. Andere „steckten die großen Diebe in die Tasche und hingen die kleinen an den Galgen." „Werden verklaget Federjunker und Degenstutzer, die können sich stattlich ausreden", sagt Meyfart; „werden aber verklaget noth¬ leidende Communitäter und elende Gesellen, die andern famuliren, die müssen in das Loch kriechen und von der Universität verwiesen werden." Wieder andere ließen sich durch Geld überzeugen, daß der Betreffende mit Strafe zu verschonen sei, noch andere entschuldigten denselben, weil er mit ihnen oder einem der Professoren verwandt oder verschwägert war. Häufig auch trieben es Professoren in manchen Stücken wie die Studenten, schmausten mit ihnen, tranken und betrauten sich mit ihnen, jubelten, tanzten, schrien und schwärmten und ließen „unter dem Fressen und Saufen die Geifer und Trompeter holen und die Feldstücke zum Fenster hinausblascn"; was „in¬ sonderheit die Theologen zierete. wenn sie entweder in langen Röcken oder langen Mänteln oder gestutzten Harzkappen umhcrgehüpfet wie die Elstern." Dann wird von Meyfart auch den evangelischen Fürsten tapfer der Text gelesen, weil sie dem Unwesen der akademischen Barbarei dadurch Vorschub ge¬ leistet, „daß sie mit Trotz befohlen, diejenigen wieder anzunehmen, die aus rechtmäßigen Ursachen sind fortgeschaffet worden, und solches auf ungestümes Anhalten der Eltern, Verwandten und Freunde, die vorgeschützet, der uralte adelige ehrbare und berühmte Stamm käme in äußerste Verachtung." Ferner wirft er den Regenten vor, daß sie die Professoren gewissermaßen gezwungen, den Studenten durch die Finger zu sehen, und ohne Zweifel hat der eifrige Mann auch damit nicht Unrecht. Zu großen Trinkfesten. Jagden, Theaterauf¬ führungen und ähnlichen Dingen wurde selbst in dieser Zeit gewöhnlich das Geld beschafft, für die Wissenschaft hatte man ebenso häusig weniger übrig als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/464>, abgerufen am 28.07.2024.