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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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eins Lübecks 169S ein andrer Theolog von einem Mediciner, 1699 ein Fähndl'ich
von einem Studenten) erstochen.

Sehr häufig gab es, wie in früheren Zeiten, Studcntenkrawalle, die bis¬
weilen zu förmlichen kleinen Schlachten mit der Schaarwache oder dem Militär
ausarteten. So in Ingolstadt, wo die Relegation eines gewissen Wappclzhaincr
1642 einen blutigen Auflauf hervorrief, und wo es 1668 einen zweiten Kampf
zwischen der Studentenschaft und den Wächtern des Gesetzes gab. So serner
in Tübingen, wo 16S3 die "Studiosi nicht allein mit grausamem Schreien,
Steinwerfen und andern Exorbitanticn sich wie das tolle Vieh geberdeten, sondern
auch vielmals die Leute, vorzüglich die Nacht- und Schaanvächtcr, mit ent¬
blößten Degen anliefen." So endlich, andrer Beispiele zu geschweige", in Jena,
wo es in diesem und dem folgenden Jahrhundert ganz besonders- wild herging,
und von wo Schöttgen*) Folgendes meldet.

Am 2. Februar 1644 verletzte ein Pennal, der seinen Schmaus gab, ältere
Studenten, es kam zur Rauferei, und der Pennal flüchtete sich in das herzog¬
liche Schloß. Die Uebrigen zogen darauf nach dem Schloßhofe, verlangten
Auslieferung des Flüchtlings und schössen, als diese nicht erfolgte, in die Fenster.
Erst als der Herzog mit einigen hundert Mann Soldaten, aufgebotenen Lauern
und zwei Geschützen in der Stadt erschien und alle Straßen besetzte, konnte
die Nuhe wiederhergestellt und zur Bestrafung der Rädelsführer geschritten werden.

Im Mai des Jahres 1660 gab es hier wieder gewaltigen Aufruhr, zu
dem zwei Studenten Anlaß gegeben hatten. Dieselben wurden relegirt, kamen
aber schon im Juni wieder und begannen von Neuem allerlei Ungebühr. Der
Herzog richtete dagegen eine Bürgerwache ein. Aber die Studenten verhöhnten
dieselbe, und als der Senat sich versammelte, um Relegation der Unruhestifter
zu beschließen, verhinderten jene dies, indem sie in Masse in das Berathungs¬
zimmer drangen und die Verhandlung unterbrachen. Drei Tage lang währte
der Tumult fort. Umsonst ermahnte der Superintendent die Studenten von der
Kanzel zur Nuhe, vergebens wurde die Bürgerwache verstärkt. Da endlich ließ
der Herzog am 6. August die ganze Bürgerschaft mit ihrem Gewehr aufziehen
und sandte Militär zu Hilfe, in der folgenden Nacht kam es zum Schießen und
Vier von den Excedenten wurden erschossen. Nun thaten sich die Studenten
zusammen, beschlossen, von Jena wegzuziehen und jeden, der zurückbliebe, für
ehrlos zu erklären. Der Herzog aber verstand keinen Scherz mehr. Er schickte
Verstärkung von Weimar, ließ die Führer der Tumultuanten festnehmen und
nöthigte die Uebrigen, dem Rector von Neuem Gehorsam zu geloben.

Der Frevelmuth der Studirenden wich nur der Gewalt, sonst tmponirtc
ihm weder Hohes noch Heiliges. Wenige Wochen vor dem ebenerwähnten Aus-



Historie des ehedem auf Universitäten gebräuchlich gewesenen Penncilwcscns, S- SO
und 107 ff.

eins Lübecks 169S ein andrer Theolog von einem Mediciner, 1699 ein Fähndl'ich
von einem Studenten) erstochen.

Sehr häufig gab es, wie in früheren Zeiten, Studcntenkrawalle, die bis¬
weilen zu förmlichen kleinen Schlachten mit der Schaarwache oder dem Militär
ausarteten. So in Ingolstadt, wo die Relegation eines gewissen Wappclzhaincr
1642 einen blutigen Auflauf hervorrief, und wo es 1668 einen zweiten Kampf
zwischen der Studentenschaft und den Wächtern des Gesetzes gab. So serner
in Tübingen, wo 16S3 die „Studiosi nicht allein mit grausamem Schreien,
Steinwerfen und andern Exorbitanticn sich wie das tolle Vieh geberdeten, sondern
auch vielmals die Leute, vorzüglich die Nacht- und Schaanvächtcr, mit ent¬
blößten Degen anliefen." So endlich, andrer Beispiele zu geschweige», in Jena,
wo es in diesem und dem folgenden Jahrhundert ganz besonders- wild herging,
und von wo Schöttgen*) Folgendes meldet.

Am 2. Februar 1644 verletzte ein Pennal, der seinen Schmaus gab, ältere
Studenten, es kam zur Rauferei, und der Pennal flüchtete sich in das herzog¬
liche Schloß. Die Uebrigen zogen darauf nach dem Schloßhofe, verlangten
Auslieferung des Flüchtlings und schössen, als diese nicht erfolgte, in die Fenster.
Erst als der Herzog mit einigen hundert Mann Soldaten, aufgebotenen Lauern
und zwei Geschützen in der Stadt erschien und alle Straßen besetzte, konnte
die Nuhe wiederhergestellt und zur Bestrafung der Rädelsführer geschritten werden.

Im Mai des Jahres 1660 gab es hier wieder gewaltigen Aufruhr, zu
dem zwei Studenten Anlaß gegeben hatten. Dieselben wurden relegirt, kamen
aber schon im Juni wieder und begannen von Neuem allerlei Ungebühr. Der
Herzog richtete dagegen eine Bürgerwache ein. Aber die Studenten verhöhnten
dieselbe, und als der Senat sich versammelte, um Relegation der Unruhestifter
zu beschließen, verhinderten jene dies, indem sie in Masse in das Berathungs¬
zimmer drangen und die Verhandlung unterbrachen. Drei Tage lang währte
der Tumult fort. Umsonst ermahnte der Superintendent die Studenten von der
Kanzel zur Nuhe, vergebens wurde die Bürgerwache verstärkt. Da endlich ließ
der Herzog am 6. August die ganze Bürgerschaft mit ihrem Gewehr aufziehen
und sandte Militär zu Hilfe, in der folgenden Nacht kam es zum Schießen und
Vier von den Excedenten wurden erschossen. Nun thaten sich die Studenten
zusammen, beschlossen, von Jena wegzuziehen und jeden, der zurückbliebe, für
ehrlos zu erklären. Der Herzog aber verstand keinen Scherz mehr. Er schickte
Verstärkung von Weimar, ließ die Führer der Tumultuanten festnehmen und
nöthigte die Uebrigen, dem Rector von Neuem Gehorsam zu geloben.

Der Frevelmuth der Studirenden wich nur der Gewalt, sonst tmponirtc
ihm weder Hohes noch Heiliges. Wenige Wochen vor dem ebenerwähnten Aus-



Historie des ehedem auf Universitäten gebräuchlich gewesenen Penncilwcscns, S- SO
und 107 ff.
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[0462] eins Lübecks 169S ein andrer Theolog von einem Mediciner, 1699 ein Fähndl'ich von einem Studenten) erstochen. Sehr häufig gab es, wie in früheren Zeiten, Studcntenkrawalle, die bis¬ weilen zu förmlichen kleinen Schlachten mit der Schaarwache oder dem Militär ausarteten. So in Ingolstadt, wo die Relegation eines gewissen Wappclzhaincr 1642 einen blutigen Auflauf hervorrief, und wo es 1668 einen zweiten Kampf zwischen der Studentenschaft und den Wächtern des Gesetzes gab. So serner in Tübingen, wo 16S3 die „Studiosi nicht allein mit grausamem Schreien, Steinwerfen und andern Exorbitanticn sich wie das tolle Vieh geberdeten, sondern auch vielmals die Leute, vorzüglich die Nacht- und Schaanvächtcr, mit ent¬ blößten Degen anliefen." So endlich, andrer Beispiele zu geschweige», in Jena, wo es in diesem und dem folgenden Jahrhundert ganz besonders- wild herging, und von wo Schöttgen*) Folgendes meldet. Am 2. Februar 1644 verletzte ein Pennal, der seinen Schmaus gab, ältere Studenten, es kam zur Rauferei, und der Pennal flüchtete sich in das herzog¬ liche Schloß. Die Uebrigen zogen darauf nach dem Schloßhofe, verlangten Auslieferung des Flüchtlings und schössen, als diese nicht erfolgte, in die Fenster. Erst als der Herzog mit einigen hundert Mann Soldaten, aufgebotenen Lauern und zwei Geschützen in der Stadt erschien und alle Straßen besetzte, konnte die Nuhe wiederhergestellt und zur Bestrafung der Rädelsführer geschritten werden. Im Mai des Jahres 1660 gab es hier wieder gewaltigen Aufruhr, zu dem zwei Studenten Anlaß gegeben hatten. Dieselben wurden relegirt, kamen aber schon im Juni wieder und begannen von Neuem allerlei Ungebühr. Der Herzog richtete dagegen eine Bürgerwache ein. Aber die Studenten verhöhnten dieselbe, und als der Senat sich versammelte, um Relegation der Unruhestifter zu beschließen, verhinderten jene dies, indem sie in Masse in das Berathungs¬ zimmer drangen und die Verhandlung unterbrachen. Drei Tage lang währte der Tumult fort. Umsonst ermahnte der Superintendent die Studenten von der Kanzel zur Nuhe, vergebens wurde die Bürgerwache verstärkt. Da endlich ließ der Herzog am 6. August die ganze Bürgerschaft mit ihrem Gewehr aufziehen und sandte Militär zu Hilfe, in der folgenden Nacht kam es zum Schießen und Vier von den Excedenten wurden erschossen. Nun thaten sich die Studenten zusammen, beschlossen, von Jena wegzuziehen und jeden, der zurückbliebe, für ehrlos zu erklären. Der Herzog aber verstand keinen Scherz mehr. Er schickte Verstärkung von Weimar, ließ die Führer der Tumultuanten festnehmen und nöthigte die Uebrigen, dem Rector von Neuem Gehorsam zu geloben. Der Frevelmuth der Studirenden wich nur der Gewalt, sonst tmponirtc ihm weder Hohes noch Heiliges. Wenige Wochen vor dem ebenerwähnten Aus- Historie des ehedem auf Universitäten gebräuchlich gewesenen Penncilwcscns, S- SO und 107 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/462>, abgerufen am 28.07.2024.