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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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nicht so gar verächtlichen Gelegenheit trachtet, bekommt er durch Hilfe seiner
Freunde ein Königreich. Was aber für ein Königreich? Ein solches, wie eS
Dionysius zu Korinth erlanget, da er die Birkenruthe statt des Scepters, den
durchschlitzten Hut statt der Krone, den zerflickten und übelbelappten MantelWtt
des Purpurs und das Schützenbuch statt des Reichsapfels führet?. Lehret derhalben
das Nüßlein die Kinder das Abc um den schnödesten und geringsten Lohn und
kann sich kaum das schwarze Kleienbrod kaufen, ist unglücklich in allem Thun und
Lassen, bis er endlich, ehe es Zeit ist, alt wird, die Gott und den Menschen
verhaßte Seele ausspritzet und dann, wenn er in der Hölle des ruchlosen
Schlemmers Stubengesell worden, die ehedem aus Universitäten gesoffnen Räusche
in heftiger Hitze ausschwitzet."*)

So über diese Studenten zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts der
ehrliche Heyder, der uns zugleich ein Beispiel der Sprache giebt, in welcher
Professoren damals redeten und schrieben. Dreißig Jahre später galten alle
seine Klagen noch, und es waren eine starke Anzahl neue hinzugekommen. Aus
den Bericht des Apulejus von der bezauberten Stadt anspielend, sagt der viel¬
belesene Meyfart S. 83 seiner oben citirten Schrift:

"Behüte Gott vom Himmel, wenn Lucius Apulejus könnte jetzt zu etlichen
evangelischen Universitäten gelangen, was würde er sagen? Es wäre durchaus
nichts in den Städten, wovon er glaubte, daß es in Wahrheit wäre, was es
dem Anschauen nach geworden. Er würde lesen an den Tafeln die Jntimationen
und Disputationen und meinen, daselbst wohnten gelehrte Menschen. Er würde
angaffen die Studenten und dafür halten, daß sie fast alle durch ein zauberisches
Gemurmel in die Gestalten der grausamsten Soldaten verwandelt worden.
Nämlich die Studenten, die ihm aufstießen, müßten von Feldstratioten gezeugt,
von Feldweibern geboren und von Feldbübinnen gesäugt sein. Die Studenten,
welche er bei Tag und Nacht hörete, müßten von Bären, Löwen, Panthern,
Eulen, Kühen, Eseln, Hunden in der Stimme abgemeistert sein. Die Studenten,
welche er ansahe, müßten aus Klötzen geschnitzet und aus Steinen gehauen sein.



") Einen andern Weg zu Verdienst, der von nichtsnutzigen Studenten eingeschlagen
wurde, und den vermuthlich auch Bessere bisweilen betraten, erwähnen andere Quellen. An
Gymnasien und Universitäten wurden von deren Scholaren wie in früheren Jahrhunderten
so auch im siebzehnten nicht selten (vgl, unten) geistliche und weltliche Schauspiele aufgeführt,
und dies wurde Veranlassung, daß sich vorzüglich aus Studenten herumziehende Komödianten"
truppen bildeten, die ganz Deutschland durchzogen und besonders in den gröszern Städten
und an den Höfen auftraten. So die Truppe eines gewissen Treu, die im dritten Decennium
des siebzehnten Jahrhunderts mehrmals in Berlin war, so die des Andreas Gärtner, welche
1646 zu Hamburg, und die Schneidersche, welche zwei Jahre später in Mainz Vorstellungen
gab, so endlich vor allen die Truppe des Magisters Veltheim, welche, nur aus leipziger und
jenenscr Studenten bestehend, von 1670 bis über das Jahr 16S4 an verschiedenen Orten mit
großem Beifall spielte und unter anderen moliöresche Stücke in deutscher Ueberhebung zur Auf¬
führung brachte.

nicht so gar verächtlichen Gelegenheit trachtet, bekommt er durch Hilfe seiner
Freunde ein Königreich. Was aber für ein Königreich? Ein solches, wie eS
Dionysius zu Korinth erlanget, da er die Birkenruthe statt des Scepters, den
durchschlitzten Hut statt der Krone, den zerflickten und übelbelappten MantelWtt
des Purpurs und das Schützenbuch statt des Reichsapfels führet?. Lehret derhalben
das Nüßlein die Kinder das Abc um den schnödesten und geringsten Lohn und
kann sich kaum das schwarze Kleienbrod kaufen, ist unglücklich in allem Thun und
Lassen, bis er endlich, ehe es Zeit ist, alt wird, die Gott und den Menschen
verhaßte Seele ausspritzet und dann, wenn er in der Hölle des ruchlosen
Schlemmers Stubengesell worden, die ehedem aus Universitäten gesoffnen Räusche
in heftiger Hitze ausschwitzet."*)

So über diese Studenten zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts der
ehrliche Heyder, der uns zugleich ein Beispiel der Sprache giebt, in welcher
Professoren damals redeten und schrieben. Dreißig Jahre später galten alle
seine Klagen noch, und es waren eine starke Anzahl neue hinzugekommen. Aus
den Bericht des Apulejus von der bezauberten Stadt anspielend, sagt der viel¬
belesene Meyfart S. 83 seiner oben citirten Schrift:

„Behüte Gott vom Himmel, wenn Lucius Apulejus könnte jetzt zu etlichen
evangelischen Universitäten gelangen, was würde er sagen? Es wäre durchaus
nichts in den Städten, wovon er glaubte, daß es in Wahrheit wäre, was es
dem Anschauen nach geworden. Er würde lesen an den Tafeln die Jntimationen
und Disputationen und meinen, daselbst wohnten gelehrte Menschen. Er würde
angaffen die Studenten und dafür halten, daß sie fast alle durch ein zauberisches
Gemurmel in die Gestalten der grausamsten Soldaten verwandelt worden.
Nämlich die Studenten, die ihm aufstießen, müßten von Feldstratioten gezeugt,
von Feldweibern geboren und von Feldbübinnen gesäugt sein. Die Studenten,
welche er bei Tag und Nacht hörete, müßten von Bären, Löwen, Panthern,
Eulen, Kühen, Eseln, Hunden in der Stimme abgemeistert sein. Die Studenten,
welche er ansahe, müßten aus Klötzen geschnitzet und aus Steinen gehauen sein.



") Einen andern Weg zu Verdienst, der von nichtsnutzigen Studenten eingeschlagen
wurde, und den vermuthlich auch Bessere bisweilen betraten, erwähnen andere Quellen. An
Gymnasien und Universitäten wurden von deren Scholaren wie in früheren Jahrhunderten
so auch im siebzehnten nicht selten (vgl, unten) geistliche und weltliche Schauspiele aufgeführt,
und dies wurde Veranlassung, daß sich vorzüglich aus Studenten herumziehende Komödianten»
truppen bildeten, die ganz Deutschland durchzogen und besonders in den gröszern Städten
und an den Höfen auftraten. So die Truppe eines gewissen Treu, die im dritten Decennium
des siebzehnten Jahrhunderts mehrmals in Berlin war, so die des Andreas Gärtner, welche
1646 zu Hamburg, und die Schneidersche, welche zwei Jahre später in Mainz Vorstellungen
gab, so endlich vor allen die Truppe des Magisters Veltheim, welche, nur aus leipziger und
jenenscr Studenten bestehend, von 1670 bis über das Jahr 16S4 an verschiedenen Orten mit
großem Beifall spielte und unter anderen moliöresche Stücke in deutscher Ueberhebung zur Auf¬
führung brachte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/454>, abgerufen am 28.07.2024.