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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Widerwillen erzeiget, fallen die neuen Brüder, die mit einander leben und
sterben wollten, in Zorn und Grimm über einander her. kriegen mit Kannen,
Bankbeinen, Tellern und Leuchtern und verwechseln Manschetten tapfer hin und
wieder."

"Nachdem nun unser Nüßlein etliche Jahre auf Akademien herumgcschwänzet
und gewüstet, wird er heimberufen, es sei denn, daß er allbereits, wie ge¬
meiniglich zu geschehen Pfleget, wegen seiner heroischen Tugend als ein pesti¬
lenzisches Glied mit Verweisung oder sonstiger Abschaffung ist abgeschnitten.
Dann scheidet er von bannen, fast allezeit schnattcngelb, mager, halbäugig,
hinkend, zahnlos, mit Narben und Heften durch und durch zcrflicket."

"Wenn er zu des Vaterlandes Pforten eingegangen, ist er nicht so kühn,
vor das Gesicht der Eltern und Vormünder zu kommen, sondern, nachdem er
ans einem Löwen zum Hasen geworden (auch jetzt eine nicht ungewöhnliche
Metamorphose berühmter studentischer Raufbolde und Wüstlinge) suchet er vor
Angst finstre Ecken, erblicket endlich Vorbilder, die Mutter, die Schwester, die
Verwandten, und durch solcher Flehen erlanget das Nüßlein mit schwerer Noth,
daß er in des Vaters Wohnung, wofern er diese nicht auf Universitäten ver¬
schlucket/) unterkriechen und verborgen liegen darf."

"Nächst diesem wird er gezwungen, eine andere Lebensart zu wählen, und
ihm entweder geheißen, in den Krieg zu schlenkern, aber mit dem Wunsch, den
Oedacker aus Rügen, wie man erzählet, als er nach Wälschland zog, in seinen
Busen brachte. Denn indem Oedacker über das apenninische Gebirge reisete,
hörte er folgende Stimme: Gehe hin, du Pclzpöpel. du wirst nimmermehr wieder¬
kommen. Oder wo das Nüßlein nicht schon von der Universität die Henne
sammt den Jungen mitgenommen, verheirathet er sich an eine häßliche und
runzelige Käsemutter, die etwas Speck in der Tasche hat, und säuget an,, zu
finanzen und zu wuchern, den Schinder und Räuber der ganzen Provinz zu
Machen, so unersättlich in dem Zinsnehmen, als er vordem alles zu vergeuden
strebte. Oder so er bei Reicheren einen Korb bekommt, sehet er an, ein neuer
Höcker und Verkäufer zu werden, sitzet in seinem Laden und verhandelt nädeleln,
Kämme, Nesteln, Klipperlein, Karten, Zunder, Pech, Nägel, Besen, Pfeifen.
Zwirn, alte Schuhe und Heringe, und wo ihm das Glück günstig, wird das
Nüßlein ein Mann, der sich die Nase mit dem Ellbogen abwischt, ein stinkender,
beduselter, garstiger Salz-Schubkärrner. Oder, wenn das Nüßlein nach einer



') Beispiele der Art scheinen nicht selten gewesen zu sein. Mcyfart sagt S. 322: "Es
^a>M eines Geistlichen Sohn gcncmiet werden, der innerhalb Jahresfrist zweitausend Gulden
verprasset, und hat doch letztlich die Straße gebauet, ist mit einem lahmen Karren und
schäbigen Gaul gefahren und verursachet, daß der weiland reiche Vater unter etlichen Schlössern
">ehe" mehr als sieben Groschen besessen und noch dazu alle Aecker und Wiesen verpfändet
gewesen, dergestalt, daß den Miterben nur dreiundzwanzig Gulden von den Gläubigern als
Rest bezahlet worden."

Widerwillen erzeiget, fallen die neuen Brüder, die mit einander leben und
sterben wollten, in Zorn und Grimm über einander her. kriegen mit Kannen,
Bankbeinen, Tellern und Leuchtern und verwechseln Manschetten tapfer hin und
wieder."

„Nachdem nun unser Nüßlein etliche Jahre auf Akademien herumgcschwänzet
und gewüstet, wird er heimberufen, es sei denn, daß er allbereits, wie ge¬
meiniglich zu geschehen Pfleget, wegen seiner heroischen Tugend als ein pesti¬
lenzisches Glied mit Verweisung oder sonstiger Abschaffung ist abgeschnitten.
Dann scheidet er von bannen, fast allezeit schnattcngelb, mager, halbäugig,
hinkend, zahnlos, mit Narben und Heften durch und durch zcrflicket."

„Wenn er zu des Vaterlandes Pforten eingegangen, ist er nicht so kühn,
vor das Gesicht der Eltern und Vormünder zu kommen, sondern, nachdem er
ans einem Löwen zum Hasen geworden (auch jetzt eine nicht ungewöhnliche
Metamorphose berühmter studentischer Raufbolde und Wüstlinge) suchet er vor
Angst finstre Ecken, erblicket endlich Vorbilder, die Mutter, die Schwester, die
Verwandten, und durch solcher Flehen erlanget das Nüßlein mit schwerer Noth,
daß er in des Vaters Wohnung, wofern er diese nicht auf Universitäten ver¬
schlucket/) unterkriechen und verborgen liegen darf."

„Nächst diesem wird er gezwungen, eine andere Lebensart zu wählen, und
ihm entweder geheißen, in den Krieg zu schlenkern, aber mit dem Wunsch, den
Oedacker aus Rügen, wie man erzählet, als er nach Wälschland zog, in seinen
Busen brachte. Denn indem Oedacker über das apenninische Gebirge reisete,
hörte er folgende Stimme: Gehe hin, du Pclzpöpel. du wirst nimmermehr wieder¬
kommen. Oder wo das Nüßlein nicht schon von der Universität die Henne
sammt den Jungen mitgenommen, verheirathet er sich an eine häßliche und
runzelige Käsemutter, die etwas Speck in der Tasche hat, und säuget an,, zu
finanzen und zu wuchern, den Schinder und Räuber der ganzen Provinz zu
Machen, so unersättlich in dem Zinsnehmen, als er vordem alles zu vergeuden
strebte. Oder so er bei Reicheren einen Korb bekommt, sehet er an, ein neuer
Höcker und Verkäufer zu werden, sitzet in seinem Laden und verhandelt nädeleln,
Kämme, Nesteln, Klipperlein, Karten, Zunder, Pech, Nägel, Besen, Pfeifen.
Zwirn, alte Schuhe und Heringe, und wo ihm das Glück günstig, wird das
Nüßlein ein Mann, der sich die Nase mit dem Ellbogen abwischt, ein stinkender,
beduselter, garstiger Salz-Schubkärrner. Oder, wenn das Nüßlein nach einer



') Beispiele der Art scheinen nicht selten gewesen zu sein. Mcyfart sagt S. 322: „Es
^a>M eines Geistlichen Sohn gcncmiet werden, der innerhalb Jahresfrist zweitausend Gulden
verprasset, und hat doch letztlich die Straße gebauet, ist mit einem lahmen Karren und
schäbigen Gaul gefahren und verursachet, daß der weiland reiche Vater unter etlichen Schlössern
">ehe« mehr als sieben Groschen besessen und noch dazu alle Aecker und Wiesen verpfändet
gewesen, dergestalt, daß den Miterben nur dreiundzwanzig Gulden von den Gläubigern als
Rest bezahlet worden."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/453>, abgerufen am 28.07.2024.