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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Thore, wie wirft er mit Steinen in die Fenster, wie kühn und verwegen ist
er im Ausheischen!"

"Wenn ihm heimgehende andre Studenten begegnen oder friedliebende
Bürger, dieselbigen fället er an wie ein Mörder oder öffentlicher Straßenräuber
mit bloßem und gezücktem Schwert, und indem er eine unbegreifliche Zahl
Scicramente verschüttet, hauet und stößet er aus dieselbigen, verwundet, wirft
zu Boden, tritt, würget, schnaubet und geberdet sich nicht anders als ein
Teufel, der aus der Hölle losgelassen in menschlicher Gestalt."

"Bisweilen beschädigt er seinen Widerpart, bisweilen aber, so es Ort und
Zeit nicht leidet, daß er geschwinde Menschenblut vergieße und sein Müthlein
kühle, fordert der ruhmsüchtige Schmatzenhauer diejenigen, mit welchen er zu
fechten begehret, auf künftige Tage zu erscheinen; die Stunde wird bestimmt
(also ganz das heutige Duell), die Stätte bedinget, nicht anders, als ob man
zu Felde ziehen und ein Heerlager abmessen wollte." "Und so der Geforderte
sich nicht im Augenblick stellet, muß er ein Schelm aller Schelmen, die gelebt
haben und noch leben werden, sein und bleiben. Denn sobald diese Ankün¬
digungen ausbrechen: Bist du ein ehrlicher Gesell, so erscheine mit der Morgen¬
frühe -- bist du ehrlich geboren, so raufe dich mit mir -- bist du besser als
ein Galgendieb, so nimm es mit mir an -- wenn, sage ich, diese Worte ge¬
höret werden, so vermeinet die Bubenschaar, der Widerpart sei gezwungen, ohne
irgendwelche Entschuldigung die Waffen zu erHaschen und müsse aus unumgäng¬
licher Noth ans Eisen greifen." "Wenn nun die Schlacht geendet, nicht ohne
Striemen und häßliche Wunden, und der Universität Diener kommt und heischet
die centaurischen Katzbalger und Menschenfresser vor den Rector, so sperrt sich
unser Schmatzenhauer erst und dann sehet er an, alles, was er gestiftet, zu?
leugnen und sich zu verwundern, weswegen er vvrbeschiedcn worden." "Wenn
das Urtheil gefaltet wird und dieser unser Aufrührer sich entweder ganz aus diesem
Orte wegpacken oder ins Gefängniß kriechen soll, alsdann kannst du erkennen,
wie eifrig er ist. seine Ehre zu wahren. Er bittet, ihm die Strafe zu erlassen,
er hätte jetzunder aus Schwachheit das erste Mal gesündigt, seinem Geschlechte
würde dadurch ein Schandmaal eingebrannt, das nimmermehr zu tilgen, in
seinem Vaterlande hielte man die für Ehrlose, die in Gefängnisse geworfen
würden" u. f. w. "Wenn er zuletzt dran muß, wer will sagen, wie grausam
der Gesell darüber tobet und wie heftig solches seine Sauflümmel jammert.
Sie sagen, er wäre immerdar ein frommes Blut gewesen, nur nach geschehenem
Trunk ein wenig unruhig. Des Rectors Amt ende sich bald; wenn es aus,
würde er neue Fenster haben und ewig währende Feindschaft."

Der von Magister Heyder geschilderte Student schimpft ferner nächtlicher
Weile die Kirchendiener vor ihren Häusern, wirft sie, wenn sie über die Straße
gehen, unvermerkt mit Steinen, befiehlt, wenn sie Leichen begleiten und zufällig


Thore, wie wirft er mit Steinen in die Fenster, wie kühn und verwegen ist
er im Ausheischen!"

„Wenn ihm heimgehende andre Studenten begegnen oder friedliebende
Bürger, dieselbigen fället er an wie ein Mörder oder öffentlicher Straßenräuber
mit bloßem und gezücktem Schwert, und indem er eine unbegreifliche Zahl
Scicramente verschüttet, hauet und stößet er aus dieselbigen, verwundet, wirft
zu Boden, tritt, würget, schnaubet und geberdet sich nicht anders als ein
Teufel, der aus der Hölle losgelassen in menschlicher Gestalt."

„Bisweilen beschädigt er seinen Widerpart, bisweilen aber, so es Ort und
Zeit nicht leidet, daß er geschwinde Menschenblut vergieße und sein Müthlein
kühle, fordert der ruhmsüchtige Schmatzenhauer diejenigen, mit welchen er zu
fechten begehret, auf künftige Tage zu erscheinen; die Stunde wird bestimmt
(also ganz das heutige Duell), die Stätte bedinget, nicht anders, als ob man
zu Felde ziehen und ein Heerlager abmessen wollte." „Und so der Geforderte
sich nicht im Augenblick stellet, muß er ein Schelm aller Schelmen, die gelebt
haben und noch leben werden, sein und bleiben. Denn sobald diese Ankün¬
digungen ausbrechen: Bist du ein ehrlicher Gesell, so erscheine mit der Morgen¬
frühe — bist du ehrlich geboren, so raufe dich mit mir — bist du besser als
ein Galgendieb, so nimm es mit mir an — wenn, sage ich, diese Worte ge¬
höret werden, so vermeinet die Bubenschaar, der Widerpart sei gezwungen, ohne
irgendwelche Entschuldigung die Waffen zu erHaschen und müsse aus unumgäng¬
licher Noth ans Eisen greifen." „Wenn nun die Schlacht geendet, nicht ohne
Striemen und häßliche Wunden, und der Universität Diener kommt und heischet
die centaurischen Katzbalger und Menschenfresser vor den Rector, so sperrt sich
unser Schmatzenhauer erst und dann sehet er an, alles, was er gestiftet, zu?
leugnen und sich zu verwundern, weswegen er vvrbeschiedcn worden." „Wenn
das Urtheil gefaltet wird und dieser unser Aufrührer sich entweder ganz aus diesem
Orte wegpacken oder ins Gefängniß kriechen soll, alsdann kannst du erkennen,
wie eifrig er ist. seine Ehre zu wahren. Er bittet, ihm die Strafe zu erlassen,
er hätte jetzunder aus Schwachheit das erste Mal gesündigt, seinem Geschlechte
würde dadurch ein Schandmaal eingebrannt, das nimmermehr zu tilgen, in
seinem Vaterlande hielte man die für Ehrlose, die in Gefängnisse geworfen
würden" u. f. w. „Wenn er zuletzt dran muß, wer will sagen, wie grausam
der Gesell darüber tobet und wie heftig solches seine Sauflümmel jammert.
Sie sagen, er wäre immerdar ein frommes Blut gewesen, nur nach geschehenem
Trunk ein wenig unruhig. Des Rectors Amt ende sich bald; wenn es aus,
würde er neue Fenster haben und ewig währende Feindschaft."

Der von Magister Heyder geschilderte Student schimpft ferner nächtlicher
Weile die Kirchendiener vor ihren Häusern, wirft sie, wenn sie über die Straße
gehen, unvermerkt mit Steinen, befiehlt, wenn sie Leichen begleiten und zufällig


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[0451] Thore, wie wirft er mit Steinen in die Fenster, wie kühn und verwegen ist er im Ausheischen!" „Wenn ihm heimgehende andre Studenten begegnen oder friedliebende Bürger, dieselbigen fället er an wie ein Mörder oder öffentlicher Straßenräuber mit bloßem und gezücktem Schwert, und indem er eine unbegreifliche Zahl Scicramente verschüttet, hauet und stößet er aus dieselbigen, verwundet, wirft zu Boden, tritt, würget, schnaubet und geberdet sich nicht anders als ein Teufel, der aus der Hölle losgelassen in menschlicher Gestalt." „Bisweilen beschädigt er seinen Widerpart, bisweilen aber, so es Ort und Zeit nicht leidet, daß er geschwinde Menschenblut vergieße und sein Müthlein kühle, fordert der ruhmsüchtige Schmatzenhauer diejenigen, mit welchen er zu fechten begehret, auf künftige Tage zu erscheinen; die Stunde wird bestimmt (also ganz das heutige Duell), die Stätte bedinget, nicht anders, als ob man zu Felde ziehen und ein Heerlager abmessen wollte." „Und so der Geforderte sich nicht im Augenblick stellet, muß er ein Schelm aller Schelmen, die gelebt haben und noch leben werden, sein und bleiben. Denn sobald diese Ankün¬ digungen ausbrechen: Bist du ein ehrlicher Gesell, so erscheine mit der Morgen¬ frühe — bist du ehrlich geboren, so raufe dich mit mir — bist du besser als ein Galgendieb, so nimm es mit mir an — wenn, sage ich, diese Worte ge¬ höret werden, so vermeinet die Bubenschaar, der Widerpart sei gezwungen, ohne irgendwelche Entschuldigung die Waffen zu erHaschen und müsse aus unumgäng¬ licher Noth ans Eisen greifen." „Wenn nun die Schlacht geendet, nicht ohne Striemen und häßliche Wunden, und der Universität Diener kommt und heischet die centaurischen Katzbalger und Menschenfresser vor den Rector, so sperrt sich unser Schmatzenhauer erst und dann sehet er an, alles, was er gestiftet, zu? leugnen und sich zu verwundern, weswegen er vvrbeschiedcn worden." „Wenn das Urtheil gefaltet wird und dieser unser Aufrührer sich entweder ganz aus diesem Orte wegpacken oder ins Gefängniß kriechen soll, alsdann kannst du erkennen, wie eifrig er ist. seine Ehre zu wahren. Er bittet, ihm die Strafe zu erlassen, er hätte jetzunder aus Schwachheit das erste Mal gesündigt, seinem Geschlechte würde dadurch ein Schandmaal eingebrannt, das nimmermehr zu tilgen, in seinem Vaterlande hielte man die für Ehrlose, die in Gefängnisse geworfen würden" u. f. w. „Wenn er zuletzt dran muß, wer will sagen, wie grausam der Gesell darüber tobet und wie heftig solches seine Sauflümmel jammert. Sie sagen, er wäre immerdar ein frommes Blut gewesen, nur nach geschehenem Trunk ein wenig unruhig. Des Rectors Amt ende sich bald; wenn es aus, würde er neue Fenster haben und ewig währende Feindschaft." Der von Magister Heyder geschilderte Student schimpft ferner nächtlicher Weile die Kirchendiener vor ihren Häusern, wirft sie, wenn sie über die Straße gehen, unvermerkt mit Steinen, befiehlt, wenn sie Leichen begleiten und zufällig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/451>, abgerufen am 28.07.2024.