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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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der Teufel habe solchen in der Hölle gehenket und nach seinem Ebenbild erzogen,
nämlich einen unfläthigen. fluchenden, diebischen, schmähsüchtigen, unruhigen
Jungen. Solchen gebrauchet das Nüßlein zu allem Muthwillen, zu Saufereien,
zu nächtlichem Herumschwärmen, zu unsinnigen Geblöke, zum Stürmen der
Häuser und zum Ueberfallen der unschuldigsten Leute, auch nicht selten, Dirnen
abzuholen und ihm zu bringen."

"Das öffentliche Collegium besuchet er entweder niemals oder selten. Er
höret keine Lectionen, damit er nicht in den Auditorien wie der Hund im Bade
angetroffen werde. Bisweilen lauschet er vor der Thür, keineswegs, daß er
etwas Nothwendiges lernen wollte, sondern um etliche Sprüchlein aufzufassen
und darnach unter seinen Nottburschen und Zechbrüdern zu erzählen, der Pro¬
fessoren Stimme, Reden und Geberden wie ein Zotenreißer in der Komödie
nachzuäffen und das Gelächter zu befördern. Bisweilen spazieret er draußen
auf dem Saal umher und redet mit seinen Gesellen von Narrenspossen." "Die
Bürger schimpfet er Becher, selbst die Rathsverwandter sind ihm nicht gut
genug anzuschauen."

"Früh schläfet das zarte und liebliche Brüderlein bis um neun Uhr."
"Wenn er sich zu Tisch gesetzt, frisier der Unmensch wenig; denn der gestrige
rasende Rausch will es nirgends gestatten, scherzet auch wenig, schüttet aber
von sich einen vollen Wust von garstigen Unfläthereien und zwar dergestalt,
daß alle Knaben und Mägdlein davon laufen. Nach Mittage schläfet entweder
das faule Murmelthier und Meerkalb oder wandelt mit seinem Jungen umher
in dem nächsten Weidicht oder sitzet in gemeinen Trinkzechen und rüstet sich also
zu den herannahenden Nachtscharmützeln. Wenn er aber seine Kloake mit Wein
und Bier zur Genüge befeuchtet und es auf den Gassen wie in den Gemächern
still geworden, die Menschen sich zur Ruhe begeben, die Vöglein in den Zweigen
zu singen aufgehört und die Bestien in ihren Höhlen schlafen, alsdann erhebt
sich das Nüßlein mit großem Krachen der Pfosten und Thüren und bricht los
gewappnet und von seinem Jungen begleitet, und dann hast du ein wunderlich
Schrecken und Trauerspiel zu hören, Rutzen und Gröhlen, Rauschen, Schreien,
Wüthen, Hauen in die Pflastersteine, Werfen und noch viel mehr Stücke."
"Wenn es ihm den Tag über unglücklich in der Buhlschaft ergangen, springet
er auf öffentlicher Gasse und grunzet siebenmalhunderttausend Sacrament. Wenn
zwischen ihm und seinen Saufochsen ein Zank entstanden, wiederholet der Lästerer
siebenmalhunderttausend Sacrament. Wenn der Stänker dem Stänker, der
Juchzer dem Juchzer, der Flucher dem Flucher antwortet, stößet er wieder sieben¬
malhunderttausend Sacrament aus und kollert mit unsinnigen Fordern zu
Schlagen und Balgen."

"Wo er etliche für Feinde achtet, behüte Gott, was für Henker- und Narren¬
händel säuget er an vor ihren Thüren! Wie springet er mit Füßen an die


der Teufel habe solchen in der Hölle gehenket und nach seinem Ebenbild erzogen,
nämlich einen unfläthigen. fluchenden, diebischen, schmähsüchtigen, unruhigen
Jungen. Solchen gebrauchet das Nüßlein zu allem Muthwillen, zu Saufereien,
zu nächtlichem Herumschwärmen, zu unsinnigen Geblöke, zum Stürmen der
Häuser und zum Ueberfallen der unschuldigsten Leute, auch nicht selten, Dirnen
abzuholen und ihm zu bringen."

„Das öffentliche Collegium besuchet er entweder niemals oder selten. Er
höret keine Lectionen, damit er nicht in den Auditorien wie der Hund im Bade
angetroffen werde. Bisweilen lauschet er vor der Thür, keineswegs, daß er
etwas Nothwendiges lernen wollte, sondern um etliche Sprüchlein aufzufassen
und darnach unter seinen Nottburschen und Zechbrüdern zu erzählen, der Pro¬
fessoren Stimme, Reden und Geberden wie ein Zotenreißer in der Komödie
nachzuäffen und das Gelächter zu befördern. Bisweilen spazieret er draußen
auf dem Saal umher und redet mit seinen Gesellen von Narrenspossen." „Die
Bürger schimpfet er Becher, selbst die Rathsverwandter sind ihm nicht gut
genug anzuschauen."

„Früh schläfet das zarte und liebliche Brüderlein bis um neun Uhr."
„Wenn er sich zu Tisch gesetzt, frisier der Unmensch wenig; denn der gestrige
rasende Rausch will es nirgends gestatten, scherzet auch wenig, schüttet aber
von sich einen vollen Wust von garstigen Unfläthereien und zwar dergestalt,
daß alle Knaben und Mägdlein davon laufen. Nach Mittage schläfet entweder
das faule Murmelthier und Meerkalb oder wandelt mit seinem Jungen umher
in dem nächsten Weidicht oder sitzet in gemeinen Trinkzechen und rüstet sich also
zu den herannahenden Nachtscharmützeln. Wenn er aber seine Kloake mit Wein
und Bier zur Genüge befeuchtet und es auf den Gassen wie in den Gemächern
still geworden, die Menschen sich zur Ruhe begeben, die Vöglein in den Zweigen
zu singen aufgehört und die Bestien in ihren Höhlen schlafen, alsdann erhebt
sich das Nüßlein mit großem Krachen der Pfosten und Thüren und bricht los
gewappnet und von seinem Jungen begleitet, und dann hast du ein wunderlich
Schrecken und Trauerspiel zu hören, Rutzen und Gröhlen, Rauschen, Schreien,
Wüthen, Hauen in die Pflastersteine, Werfen und noch viel mehr Stücke."
„Wenn es ihm den Tag über unglücklich in der Buhlschaft ergangen, springet
er auf öffentlicher Gasse und grunzet siebenmalhunderttausend Sacrament. Wenn
zwischen ihm und seinen Saufochsen ein Zank entstanden, wiederholet der Lästerer
siebenmalhunderttausend Sacrament. Wenn der Stänker dem Stänker, der
Juchzer dem Juchzer, der Flucher dem Flucher antwortet, stößet er wieder sieben¬
malhunderttausend Sacrament aus und kollert mit unsinnigen Fordern zu
Schlagen und Balgen."

„Wo er etliche für Feinde achtet, behüte Gott, was für Henker- und Narren¬
händel säuget er an vor ihren Thüren! Wie springet er mit Füßen an die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/450>, abgerufen am 28.07.2024.