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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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bare Verbindung auch mit dem Land --, vereinbarte man sich bezüglich des
Domanialvermögens dahin, daß dessen Einkünfte dem Hofe zukommen sollten
mit Ausnahme von zehn Procent (im Fall geringen Reinertrages) und von
fünfzehn Procent (im Falle höheren Ertrages), welche in die Landeskasse fließen
und zu Landesverwaltungszwecken verwendet werden sollten. Ein für den Hof
günstigeres Abkommen läßt sich kaum denken.

Bei dem Gesetze über die Bcsoldungsausbefserung war man etwas vor.
sichtiger. Ob vorsichtig genug, wird der Erfolg lehren. Der Landtag unter¬
breitete der Regierung eine ganze Reihe von Vorschlägen, welche die gemein¬
schaftliche Tendenz hatten, an die Stelle der centralisirenden Bureaukratie eine
locale Selbstverwaltung zu setzen, die Bevormundung der Kirchen, der Gemeinden,
der sonstigen Coipvrationcn und des Publikums durch die zahllosen administra¬
tiven und technischen Behörden zu beseitigen und das Heer der Beamten durch
Verminderung der Viclregrercrci und Vieischreiberei zu reduciren. Die Regie¬
rung erklärte sich mit alledem einverstanden. Sie gab sogar nach, als die Land¬
stände darauf beharrten. daß die Verpflichtung zu jener Reduction an der Zahl
der Beamten und der dadurch zu bewerkstelligenden Entlastung des Budgets in
den Eingang deS Gesetzes geschrieben werde. Das Gesetz, unterzeichnet von
dem Herzog und publicirt in dem Gesetzblatt, enthielt mit nackten Worten diese
ausdrückliche Verpflichtung. Sie sollte gleichzeitig mit der Erhöhung der Ge-
halte erfüllt werden. So schloß der Landtag von 1860.

Als der von 1861 eröffnet wurde, erwarteten das Land und die Stände,
daß sich nun die Prophezeihung des "Recleunt Laturnia, regna" verwirklichen
werde. Man wartete vergebens. Man interpellirte. Die Antwort wollte von
alledem, wonach man fragte, gar nichts wissen.

Die Regierung, anstatt den Wünschen der Liberalen, welche ihr so weit
entgegengekommen waren, zu entsprechen, anstatt den in dem Gesetz über Aus¬
besserung der Gehalte der Staatsdiener ausdrücklich übernommenen Verpflich¬
tungen Genüge zu leisten, schloß plötzlich und heimlich über Nacht Frieden mit
den Klerikalen und ging mit diesen, ihren bisherigen Feinden, eine Coalition
ein, um den Liberalen den "Krieg bis aufs Messer" zu erklären. In den
Jahren 1860 und 1861 wurde der neue Bund beschworen. Die Klerikalen
verhalfen in dem Landtage dem octrovirten Gesetz von 18SL, welches die feu¬
dalen Jagdrechte auf fremdem Grund und Boden einfach restaurirte, trotzdem
daß das Gesetz vom 15. Juli 1848 sie für gemeinschädlich und "mit dem der"
maligen Zustande der Feld- und Jorstcultur absolut unvereinbar" erklärt und ab¬
geschafft hatte, zur nachträglichen ständischen Genehmigung. Als Gegenleistung er¬
hielten sie 1861 von der Regierung eine Convention mit dem Bischof in Lim-
burg, welche das Verhältniß zwischen dem Staat und der katholischen Kirche in
ähnlicher Weise zu Gunsten des Klerus regelte, wie dies im Großherzogthum


Grenzboten II. 47

bare Verbindung auch mit dem Land —, vereinbarte man sich bezüglich des
Domanialvermögens dahin, daß dessen Einkünfte dem Hofe zukommen sollten
mit Ausnahme von zehn Procent (im Fall geringen Reinertrages) und von
fünfzehn Procent (im Falle höheren Ertrages), welche in die Landeskasse fließen
und zu Landesverwaltungszwecken verwendet werden sollten. Ein für den Hof
günstigeres Abkommen läßt sich kaum denken.

Bei dem Gesetze über die Bcsoldungsausbefserung war man etwas vor.
sichtiger. Ob vorsichtig genug, wird der Erfolg lehren. Der Landtag unter¬
breitete der Regierung eine ganze Reihe von Vorschlägen, welche die gemein¬
schaftliche Tendenz hatten, an die Stelle der centralisirenden Bureaukratie eine
locale Selbstverwaltung zu setzen, die Bevormundung der Kirchen, der Gemeinden,
der sonstigen Coipvrationcn und des Publikums durch die zahllosen administra¬
tiven und technischen Behörden zu beseitigen und das Heer der Beamten durch
Verminderung der Viclregrercrci und Vieischreiberei zu reduciren. Die Regie¬
rung erklärte sich mit alledem einverstanden. Sie gab sogar nach, als die Land¬
stände darauf beharrten. daß die Verpflichtung zu jener Reduction an der Zahl
der Beamten und der dadurch zu bewerkstelligenden Entlastung des Budgets in
den Eingang deS Gesetzes geschrieben werde. Das Gesetz, unterzeichnet von
dem Herzog und publicirt in dem Gesetzblatt, enthielt mit nackten Worten diese
ausdrückliche Verpflichtung. Sie sollte gleichzeitig mit der Erhöhung der Ge-
halte erfüllt werden. So schloß der Landtag von 1860.

Als der von 1861 eröffnet wurde, erwarteten das Land und die Stände,
daß sich nun die Prophezeihung des „Recleunt Laturnia, regna" verwirklichen
werde. Man wartete vergebens. Man interpellirte. Die Antwort wollte von
alledem, wonach man fragte, gar nichts wissen.

Die Regierung, anstatt den Wünschen der Liberalen, welche ihr so weit
entgegengekommen waren, zu entsprechen, anstatt den in dem Gesetz über Aus¬
besserung der Gehalte der Staatsdiener ausdrücklich übernommenen Verpflich¬
tungen Genüge zu leisten, schloß plötzlich und heimlich über Nacht Frieden mit
den Klerikalen und ging mit diesen, ihren bisherigen Feinden, eine Coalition
ein, um den Liberalen den „Krieg bis aufs Messer" zu erklären. In den
Jahren 1860 und 1861 wurde der neue Bund beschworen. Die Klerikalen
verhalfen in dem Landtage dem octrovirten Gesetz von 18SL, welches die feu¬
dalen Jagdrechte auf fremdem Grund und Boden einfach restaurirte, trotzdem
daß das Gesetz vom 15. Juli 1848 sie für gemeinschädlich und „mit dem der«
maligen Zustande der Feld- und Jorstcultur absolut unvereinbar" erklärt und ab¬
geschafft hatte, zur nachträglichen ständischen Genehmigung. Als Gegenleistung er¬
hielten sie 1861 von der Regierung eine Convention mit dem Bischof in Lim-
burg, welche das Verhältniß zwischen dem Staat und der katholischen Kirche in
ähnlicher Weise zu Gunsten des Klerus regelte, wie dies im Großherzogthum


Grenzboten II. 47
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[0397] bare Verbindung auch mit dem Land —, vereinbarte man sich bezüglich des Domanialvermögens dahin, daß dessen Einkünfte dem Hofe zukommen sollten mit Ausnahme von zehn Procent (im Fall geringen Reinertrages) und von fünfzehn Procent (im Falle höheren Ertrages), welche in die Landeskasse fließen und zu Landesverwaltungszwecken verwendet werden sollten. Ein für den Hof günstigeres Abkommen läßt sich kaum denken. Bei dem Gesetze über die Bcsoldungsausbefserung war man etwas vor. sichtiger. Ob vorsichtig genug, wird der Erfolg lehren. Der Landtag unter¬ breitete der Regierung eine ganze Reihe von Vorschlägen, welche die gemein¬ schaftliche Tendenz hatten, an die Stelle der centralisirenden Bureaukratie eine locale Selbstverwaltung zu setzen, die Bevormundung der Kirchen, der Gemeinden, der sonstigen Coipvrationcn und des Publikums durch die zahllosen administra¬ tiven und technischen Behörden zu beseitigen und das Heer der Beamten durch Verminderung der Viclregrercrci und Vieischreiberei zu reduciren. Die Regie¬ rung erklärte sich mit alledem einverstanden. Sie gab sogar nach, als die Land¬ stände darauf beharrten. daß die Verpflichtung zu jener Reduction an der Zahl der Beamten und der dadurch zu bewerkstelligenden Entlastung des Budgets in den Eingang deS Gesetzes geschrieben werde. Das Gesetz, unterzeichnet von dem Herzog und publicirt in dem Gesetzblatt, enthielt mit nackten Worten diese ausdrückliche Verpflichtung. Sie sollte gleichzeitig mit der Erhöhung der Ge- halte erfüllt werden. So schloß der Landtag von 1860. Als der von 1861 eröffnet wurde, erwarteten das Land und die Stände, daß sich nun die Prophezeihung des „Recleunt Laturnia, regna" verwirklichen werde. Man wartete vergebens. Man interpellirte. Die Antwort wollte von alledem, wonach man fragte, gar nichts wissen. Die Regierung, anstatt den Wünschen der Liberalen, welche ihr so weit entgegengekommen waren, zu entsprechen, anstatt den in dem Gesetz über Aus¬ besserung der Gehalte der Staatsdiener ausdrücklich übernommenen Verpflich¬ tungen Genüge zu leisten, schloß plötzlich und heimlich über Nacht Frieden mit den Klerikalen und ging mit diesen, ihren bisherigen Feinden, eine Coalition ein, um den Liberalen den „Krieg bis aufs Messer" zu erklären. In den Jahren 1860 und 1861 wurde der neue Bund beschworen. Die Klerikalen verhalfen in dem Landtage dem octrovirten Gesetz von 18SL, welches die feu¬ dalen Jagdrechte auf fremdem Grund und Boden einfach restaurirte, trotzdem daß das Gesetz vom 15. Juli 1848 sie für gemeinschädlich und „mit dem der« maligen Zustande der Feld- und Jorstcultur absolut unvereinbar" erklärt und ab¬ geschafft hatte, zur nachträglichen ständischen Genehmigung. Als Gegenleistung er¬ hielten sie 1861 von der Regierung eine Convention mit dem Bischof in Lim- burg, welche das Verhältniß zwischen dem Staat und der katholischen Kirche in ähnlicher Weise zu Gunsten des Klerus regelte, wie dies im Großherzogthum Grenzboten II. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/397>, abgerufen am 28.07.2024.