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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Bischof und bis zu der Temporaliensperre gegen die von ihm ohne Mitwirkung
der Regierung ernannten Pfarrer auf der einen, und dem sogenannten "factischen
Vorschreiten", d. h. dem gänzlichen Jgnoriren der Staatsgesetze und der Staats¬
regierung Seitens des katholischen Klerus auf der andern Seite.

Die klerikale Partei lief Sturm gegen das Ministerium. Zu ihr gehörte
schon damals jener Werren, der als Polizeichef an der Negierung war und
den 1854 der Prinz Wittgenstein wegen seiner klerikalen Feindseligkeit als
Generalauditeur in die Ecke stellte, aus welcher er 1863 wieder hervorgeholt
wurde.

Das Ministerium, von den Klerikalen in die Enge getrieben, suchte Schutz
bei den Liberalen. Es kam jedoch zu keiner principiellen Verständigung, sondern
nur zu einer Annäherung durch Entgegenkommen von beiden Seiten, wie in der
Eisenbahnsrage, wegen Einführung von Gewerbe- und Zugfreiheit u. f. w.
Man glaubte an die Möglichkeit einer Versöhnung zwischen Regierung und Land,
weil man sie wünschte.

In der Hoffnung, diesen Wunsch zu realisiren, entsprach der Landtag,
namentlich aber die unterdeß an Zahl bedeutend gewachsene liberale Partei in
demselben, mit -mer'vielleicht etwas übereilten Bereitwilligkeit einem Herzens¬
wünsche des Cabinets und einem dringlichen Anliegen der Regierung. Ersterer
betraf die Domänen-, letzterer die Besoldungsfrage.

Mit der Domänenfrage stand es so. Die dem Lande vortheilhaften Verein¬
barungen von 1848 und 1849, wonach die Domänen- und Kammergüter für
Staatseigenthum erklärt, ihre Verwaltung unter die Controle der Stände ge¬
stellt und ihre Einkünfte zum standesgemäßen Unterhalt des Herzogs und der
herzoglichen Familie sowie zur Bestreitung der Landesverwaltungs¬
ausgaben bestimmt worden waren, mit dem Anfügen, daß der Betrag der für
die herzogliche Schatulle und Hofhaltung zu verwendenden Summe -- der Civil¬
liste -- Gegenstand einer periodischen Verständigung mit dem Landtage sein
sollte, -- diese Vereinbarungen waren durch das octroyirte Edict vom November
1831 thatsächlich außer Wirksamkeit gesetzt, und der Hof bezog wieder allein
den ganzen Reinertrag der Domanialgüter. Allein die Stände seit 1832, so
gefügig sie in ideellen Angelegenheiten, in Rechts- und Freiheitssragen waren,
zeigten in materiellen Fragen -- wir erwähnten oben bereits die Zehntablösungs¬
und die Jagdfrage -- eine größere Widerstandskraft. So auch in der Domänen¬
frage. Wegen des Verfassungsumsturzes tauchten nur einzelne schüchterne Ver¬
wahrungen auf. Allein wegen der factischen Aenderung der Sachlage in Betreff
der Domänengüter und deren Einkünfte erfolgten bei jeder Gelegenheit Seitens
der Landtagsmajorität Proteste, die immer entschiedener wurden und zuletzt mit
einer partiellen Steuerverweigerung, nämlich desjenigen Betrags drohten, der aus
den Revenüen in die Landesbasse hätte fließen sollen, aber in die Hofkasse floß;


Bischof und bis zu der Temporaliensperre gegen die von ihm ohne Mitwirkung
der Regierung ernannten Pfarrer auf der einen, und dem sogenannten „factischen
Vorschreiten", d. h. dem gänzlichen Jgnoriren der Staatsgesetze und der Staats¬
regierung Seitens des katholischen Klerus auf der andern Seite.

Die klerikale Partei lief Sturm gegen das Ministerium. Zu ihr gehörte
schon damals jener Werren, der als Polizeichef an der Negierung war und
den 1854 der Prinz Wittgenstein wegen seiner klerikalen Feindseligkeit als
Generalauditeur in die Ecke stellte, aus welcher er 1863 wieder hervorgeholt
wurde.

Das Ministerium, von den Klerikalen in die Enge getrieben, suchte Schutz
bei den Liberalen. Es kam jedoch zu keiner principiellen Verständigung, sondern
nur zu einer Annäherung durch Entgegenkommen von beiden Seiten, wie in der
Eisenbahnsrage, wegen Einführung von Gewerbe- und Zugfreiheit u. f. w.
Man glaubte an die Möglichkeit einer Versöhnung zwischen Regierung und Land,
weil man sie wünschte.

In der Hoffnung, diesen Wunsch zu realisiren, entsprach der Landtag,
namentlich aber die unterdeß an Zahl bedeutend gewachsene liberale Partei in
demselben, mit -mer'vielleicht etwas übereilten Bereitwilligkeit einem Herzens¬
wünsche des Cabinets und einem dringlichen Anliegen der Regierung. Ersterer
betraf die Domänen-, letzterer die Besoldungsfrage.

Mit der Domänenfrage stand es so. Die dem Lande vortheilhaften Verein¬
barungen von 1848 und 1849, wonach die Domänen- und Kammergüter für
Staatseigenthum erklärt, ihre Verwaltung unter die Controle der Stände ge¬
stellt und ihre Einkünfte zum standesgemäßen Unterhalt des Herzogs und der
herzoglichen Familie sowie zur Bestreitung der Landesverwaltungs¬
ausgaben bestimmt worden waren, mit dem Anfügen, daß der Betrag der für
die herzogliche Schatulle und Hofhaltung zu verwendenden Summe — der Civil¬
liste — Gegenstand einer periodischen Verständigung mit dem Landtage sein
sollte, — diese Vereinbarungen waren durch das octroyirte Edict vom November
1831 thatsächlich außer Wirksamkeit gesetzt, und der Hof bezog wieder allein
den ganzen Reinertrag der Domanialgüter. Allein die Stände seit 1832, so
gefügig sie in ideellen Angelegenheiten, in Rechts- und Freiheitssragen waren,
zeigten in materiellen Fragen — wir erwähnten oben bereits die Zehntablösungs¬
und die Jagdfrage — eine größere Widerstandskraft. So auch in der Domänen¬
frage. Wegen des Verfassungsumsturzes tauchten nur einzelne schüchterne Ver¬
wahrungen auf. Allein wegen der factischen Aenderung der Sachlage in Betreff
der Domänengüter und deren Einkünfte erfolgten bei jeder Gelegenheit Seitens
der Landtagsmajorität Proteste, die immer entschiedener wurden und zuletzt mit
einer partiellen Steuerverweigerung, nämlich desjenigen Betrags drohten, der aus
den Revenüen in die Landesbasse hätte fließen sollen, aber in die Hofkasse floß;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/395>, abgerufen am 28.07.2024.