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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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mehr gesund werden kann, nicht werth, daß man ihm an seinem Leibe ein ge¬
sundes Aederlein wünschen soll. Nach Blute dürstet ihn, ja nach der Seelen
selbst, guam si secum in gekermam traxerit, von liest guaei-ere: ?ava yuiä
kaeis?" Und Ur. 2.: "Ob's auch wohl anstehe, daß einer in seiner Gegenwart,
andre Leute auf seine Gesundheit trinken lasse?" Antwort: ein solcher gälte für
keinen Politikus, sondern für einen übelgesitteten Schulfuchs, ja selbst der würde
für sehr unhöflich angesehen, der ohne Protest aus die Gesundheit seiner nächsten
Verwandten trinken lasse. "Den Buhlern aber und Löffelsgesellchen," fährt der
Verfasser fort, "ist gar sonderlich verstattet und zugelassen, daß sie auf ihrer
Liebchen Gesundheit, ob sie gleich selbst zugegen und einer so schönen Sauf¬
komödie liebäugelnde Lvectg-trices sind, einen wunschreichen Stoff nach dem
andern zu sich nehmen, welches ihnen hernach so tief durch Mark und Bein
dringet, sie so sehr in die Sporen jaget und erbremset, daß. ob ein Pokal
gleich noch so tief und weit, daß ihn kaum eine vierjährige Kalbe aussaufen
könnte, sie ihn dennoch ohne einige Beschwerung auf ein Schlücklein, aus ein
Näglein ganz meisterlich können auszechen."

Außer der Ordnung zecht man entweder simpliciter, d. h. wenn der Pokal
außer dem ^.ctus bidenäi keine Bedeutung oder Bestimmung hat, oder eum
Lillgulari sensu. In die letztere Classe der Trunke gehört vor allem der, mit
welchem man "auf Brüderschaft oder aus den Dutz trinkt, welches im Allge¬
meinen dergestalt geschieht, daß einer den andern anredet und spricht: Wenn
ich dem Herrn nicht zu jung oder zu gering wäre, wollte ich ihm eins auf
gute Kundschaft und Brüderschaft bringen. Daraus antwortet der andere:
Trink her in Gottes Namen, es soll mir sehr lieb und angenehm sein. Darauf
trinkt jener aus, und indem er das wieder vollgeschenkte Trinkgeschirr seinem
neuen Bruder zustellt, gebraucht er sich dieser Worte: Mein Name ist N. N.,
ich will thun, was dir lieb ist und lassen, was dir leid ist. Darauf antwortet
der andere: Und eben desgleichen will ich in allem auch thun. Und nach Ver¬
richtung dessen schweigen sie ein wenig still und bitten darnach, daß solche
Brüderschaft durch öfteres Besuchen des einen durch den andern möge bestätigt
und vollzogen werden."*)

Brüderschaft mit einem Pennal zu trinken, erklärt unser Gesetzbuch für
unschickliche Erniedrigung. Dagegen gestattet es dem adeligen Studenten das¬
selbe gegenüber dem bürgerlichen, "da die Studiosi mit denselben, wo nicht mit
größeren Privilegien als die vom Adel auf den Akademien begnadet und be¬
gabt sind, und da sonderlich die, welche sich der Jurisprudenz widmen, wohl
und stattlich nobilitirt und geadelt werden können." Auffallen kann auf den



') Anderswo wird noch ein symbolischer Gebrauch bei dieser Ceremonie erwähnt, nach
welchem je einer der Brüderschaft Trinkenden dem andern einen Nestel von seinen Hosen an
den Rock heftete.

mehr gesund werden kann, nicht werth, daß man ihm an seinem Leibe ein ge¬
sundes Aederlein wünschen soll. Nach Blute dürstet ihn, ja nach der Seelen
selbst, guam si secum in gekermam traxerit, von liest guaei-ere: ?ava yuiä
kaeis?" Und Ur. 2.: „Ob's auch wohl anstehe, daß einer in seiner Gegenwart,
andre Leute auf seine Gesundheit trinken lasse?" Antwort: ein solcher gälte für
keinen Politikus, sondern für einen übelgesitteten Schulfuchs, ja selbst der würde
für sehr unhöflich angesehen, der ohne Protest aus die Gesundheit seiner nächsten
Verwandten trinken lasse. „Den Buhlern aber und Löffelsgesellchen," fährt der
Verfasser fort, „ist gar sonderlich verstattet und zugelassen, daß sie auf ihrer
Liebchen Gesundheit, ob sie gleich selbst zugegen und einer so schönen Sauf¬
komödie liebäugelnde Lvectg-trices sind, einen wunschreichen Stoff nach dem
andern zu sich nehmen, welches ihnen hernach so tief durch Mark und Bein
dringet, sie so sehr in die Sporen jaget und erbremset, daß. ob ein Pokal
gleich noch so tief und weit, daß ihn kaum eine vierjährige Kalbe aussaufen
könnte, sie ihn dennoch ohne einige Beschwerung auf ein Schlücklein, aus ein
Näglein ganz meisterlich können auszechen."

Außer der Ordnung zecht man entweder simpliciter, d. h. wenn der Pokal
außer dem ^.ctus bidenäi keine Bedeutung oder Bestimmung hat, oder eum
Lillgulari sensu. In die letztere Classe der Trunke gehört vor allem der, mit
welchem man „auf Brüderschaft oder aus den Dutz trinkt, welches im Allge¬
meinen dergestalt geschieht, daß einer den andern anredet und spricht: Wenn
ich dem Herrn nicht zu jung oder zu gering wäre, wollte ich ihm eins auf
gute Kundschaft und Brüderschaft bringen. Daraus antwortet der andere:
Trink her in Gottes Namen, es soll mir sehr lieb und angenehm sein. Darauf
trinkt jener aus, und indem er das wieder vollgeschenkte Trinkgeschirr seinem
neuen Bruder zustellt, gebraucht er sich dieser Worte: Mein Name ist N. N.,
ich will thun, was dir lieb ist und lassen, was dir leid ist. Darauf antwortet
der andere: Und eben desgleichen will ich in allem auch thun. Und nach Ver¬
richtung dessen schweigen sie ein wenig still und bitten darnach, daß solche
Brüderschaft durch öfteres Besuchen des einen durch den andern möge bestätigt
und vollzogen werden."*)

Brüderschaft mit einem Pennal zu trinken, erklärt unser Gesetzbuch für
unschickliche Erniedrigung. Dagegen gestattet es dem adeligen Studenten das¬
selbe gegenüber dem bürgerlichen, „da die Studiosi mit denselben, wo nicht mit
größeren Privilegien als die vom Adel auf den Akademien begnadet und be¬
gabt sind, und da sonderlich die, welche sich der Jurisprudenz widmen, wohl
und stattlich nobilitirt und geadelt werden können." Auffallen kann auf den



') Anderswo wird noch ein symbolischer Gebrauch bei dieser Ceremonie erwähnt, nach
welchem je einer der Brüderschaft Trinkenden dem andern einen Nestel von seinen Hosen an
den Rock heftete.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/378>, abgerufen am 28.07.2024.