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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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"Man findet auch immer eine neue Weise über die andere. Etliche spielen
den Wein oder das Bier einander zu, die andern singen's einander (in Rund¬
gesängen) zu, etliche fluchen's einander zu, etliche andere liegen's einander zu,
etliche füllen's einander mit Füllhälslein oder Trichtern ein. Also hat man
auch den Willkommen erfunden, damit man die Leute empfangen und den
lieben Gast will fröhlich machen, den darf keiner niedersetzen, er saufe ihn denn
zuvor ganz aus."

Diese und ähnliche Gebräuche waren allgemein und entwickelten sich nach
und nach zu einem förmlichen Zecherrecht, welches sich bei den verschiedenen
Ständen etwas verschieden gestaltete und unter der studirenden Jugend schon
früh Züge zeigt, die der Trinkcomment einzelner Universitäten noch heute in
Resten bewahrt. "Darnach fangen sie an," sagt bereits Gener von Kaisersberg
von den Studenten, "saufen einander zu, uyd welcher am besten saufen mag.
der wird Magister oder Doctor." Ferner wMn schon in dieser Zeit die Zech¬
turniere im Schwange, bei denen man auf ein bestimmtes Quantum Bier oder
Wein herausforderte, und von welchen Hans Sachs nach eigner Anschauung
erzählt:

Aber erst in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts scheinen sich
unter Adel, Studenten und Bürgern feste Regeln des Trinkens in größerer
Anzahl, die bei Strafe zu beobachten waren, ausgebildet zu haben, und erst in
den ersten Jahren des nächsten Säculums treten dieselben gesammelt und ge¬
ordnet auf. Aus einer dieser legislatorischen Arbeiten*) die das allgemeine



-) Ins ?owriäi, Oder Zech-Recht. Darinnen von Ursprung, Gebräuchen und Solemniteten,
sowohl auch von der ^uti^niest, LSsot und Wirckung des Zechens und ZutrinkenS, auch was
darinnen etwa sonsten vor Streitigkeiten vorlaussen so noch zur Zeit nicht decidirt, gar artig
und jetziger Welt Laufs nach, sehr lustig discurrirt wird. Durch Llssiun" UuMbibulli, utriusy.
V. et <ü. <üknäiäkttuw. Jetzo auff instendigcs Ansuchen und Begehren etlicher lieben Brüder
und Dutzschwcstcrn auß Lateinischer in deutsche Sprache gebracht. ?ör Nobilissimaln se litera-
tiss. Virginsm Fosnnsm LlissbstKain <1s LoKvinutizlci, ?IiiIoIoA"in, VKiloxdilam. ^on"
Der HJrsch wol.1. Vßeül BrVnne sprVng (1616). Der Verfasser ist seiner Spracht nach an"
dem Meißnischen.

„Man findet auch immer eine neue Weise über die andere. Etliche spielen
den Wein oder das Bier einander zu, die andern singen's einander (in Rund¬
gesängen) zu, etliche fluchen's einander zu, etliche andere liegen's einander zu,
etliche füllen's einander mit Füllhälslein oder Trichtern ein. Also hat man
auch den Willkommen erfunden, damit man die Leute empfangen und den
lieben Gast will fröhlich machen, den darf keiner niedersetzen, er saufe ihn denn
zuvor ganz aus."

Diese und ähnliche Gebräuche waren allgemein und entwickelten sich nach
und nach zu einem förmlichen Zecherrecht, welches sich bei den verschiedenen
Ständen etwas verschieden gestaltete und unter der studirenden Jugend schon
früh Züge zeigt, die der Trinkcomment einzelner Universitäten noch heute in
Resten bewahrt. „Darnach fangen sie an," sagt bereits Gener von Kaisersberg
von den Studenten, „saufen einander zu, uyd welcher am besten saufen mag.
der wird Magister oder Doctor." Ferner wMn schon in dieser Zeit die Zech¬
turniere im Schwange, bei denen man auf ein bestimmtes Quantum Bier oder
Wein herausforderte, und von welchen Hans Sachs nach eigner Anschauung
erzählt:

Aber erst in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts scheinen sich
unter Adel, Studenten und Bürgern feste Regeln des Trinkens in größerer
Anzahl, die bei Strafe zu beobachten waren, ausgebildet zu haben, und erst in
den ersten Jahren des nächsten Säculums treten dieselben gesammelt und ge¬
ordnet auf. Aus einer dieser legislatorischen Arbeiten*) die das allgemeine



-) Ins ?owriäi, Oder Zech-Recht. Darinnen von Ursprung, Gebräuchen und Solemniteten,
sowohl auch von der ^uti^niest, LSsot und Wirckung des Zechens und ZutrinkenS, auch was
darinnen etwa sonsten vor Streitigkeiten vorlaussen so noch zur Zeit nicht decidirt, gar artig
und jetziger Welt Laufs nach, sehr lustig discurrirt wird. Durch Llssiun» UuMbibulli, utriusy.
V. et <ü. <üknäiäkttuw. Jetzo auff instendigcs Ansuchen und Begehren etlicher lieben Brüder
und Dutzschwcstcrn auß Lateinischer in deutsche Sprache gebracht. ?ör Nobilissimaln se litera-
tiss. Virginsm Fosnnsm LlissbstKain <1s LoKvinutizlci, ?IiiIoIoA»in, VKiloxdilam. ^on»
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dem Meißnischen.
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[0374] „Man findet auch immer eine neue Weise über die andere. Etliche spielen den Wein oder das Bier einander zu, die andern singen's einander (in Rund¬ gesängen) zu, etliche fluchen's einander zu, etliche andere liegen's einander zu, etliche füllen's einander mit Füllhälslein oder Trichtern ein. Also hat man auch den Willkommen erfunden, damit man die Leute empfangen und den lieben Gast will fröhlich machen, den darf keiner niedersetzen, er saufe ihn denn zuvor ganz aus." Diese und ähnliche Gebräuche waren allgemein und entwickelten sich nach und nach zu einem förmlichen Zecherrecht, welches sich bei den verschiedenen Ständen etwas verschieden gestaltete und unter der studirenden Jugend schon früh Züge zeigt, die der Trinkcomment einzelner Universitäten noch heute in Resten bewahrt. „Darnach fangen sie an," sagt bereits Gener von Kaisersberg von den Studenten, „saufen einander zu, uyd welcher am besten saufen mag. der wird Magister oder Doctor." Ferner wMn schon in dieser Zeit die Zech¬ turniere im Schwange, bei denen man auf ein bestimmtes Quantum Bier oder Wein herausforderte, und von welchen Hans Sachs nach eigner Anschauung erzählt: Aber erst in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts scheinen sich unter Adel, Studenten und Bürgern feste Regeln des Trinkens in größerer Anzahl, die bei Strafe zu beobachten waren, ausgebildet zu haben, und erst in den ersten Jahren des nächsten Säculums treten dieselben gesammelt und ge¬ ordnet auf. Aus einer dieser legislatorischen Arbeiten*) die das allgemeine -) Ins ?owriäi, Oder Zech-Recht. Darinnen von Ursprung, Gebräuchen und Solemniteten, sowohl auch von der ^uti^niest, LSsot und Wirckung des Zechens und ZutrinkenS, auch was darinnen etwa sonsten vor Streitigkeiten vorlaussen so noch zur Zeit nicht decidirt, gar artig und jetziger Welt Laufs nach, sehr lustig discurrirt wird. Durch Llssiun» UuMbibulli, utriusy. V. et <ü. <üknäiäkttuw. Jetzo auff instendigcs Ansuchen und Begehren etlicher lieben Brüder und Dutzschwcstcrn auß Lateinischer in deutsche Sprache gebracht. ?ör Nobilissimaln se litera- tiss. Virginsm Fosnnsm LlissbstKain <1s LoKvinutizlci, ?IiiIoIoA»in, VKiloxdilam. ^on» Der HJrsch wol.1. Vßeül BrVnne sprVng (1616). Der Verfasser ist seiner Spracht nach an« dem Meißnischen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/374>, abgerufen am 28.07.2024.