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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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ihres Staates, soll man ihnen die alte Nachsicht nicht mehr gewähren. Wenn
sie bis jetzt nicht selbst Slaven. Magyaren oder Italiener geworden sind, ver¬
danken sie dies nicht ihrer selbstthätigen Tüchtigkeit, sondern der deutschen
Bildung, welche über die Grenzen vom Norden und Westen unablässig ihnen
zugeströmt ist. Von dem geistigen Inhalt, den die übrigen Stämme in sich
groß gezogen, haben sie gezehrt. Sie sind deshalb nicht berechtigt, ein Herren¬
wort in Deutschland mitzureden, denn nur unsre Kraft, wie unvollkommen sie
auch zur Zeit noch entwickelt ist, hat sie vor vollständiger Barbarisirung
bewahrt.

Und im Grunde fühlen sie das selbst, denn ihre Ansprüche beruhen zuletzt
auf dem Gefühl der Schwäche, sie möchten sich an Deutschland klammern, um
nicht unterzugehen. Allerdings ist unsere Aufgabe, das zu verhüten, aber wer
Hilfeflehender ist, dem steht übel an, den anspruchsvollen Tobsüchtigen zu
spielen, und mit einem Gefühl, welches jetzt das entschiedene Gegentheil von
Achtung ist, hören wir Deutschen auf die übel stilisitten Ausbrüche eines wilden
Kriegseifers. Nicht gleichgültig ist der Tumult der Zeitungspresse und das
Gebühren aufgeregter Jugend, denn sie treiben die Regierung hochfahrend vor-
wärts, weil sie dieser die Ueberzeugung geben, daß der Krieg gegen Deutsche
auch in den alten Stammländern deS Hauses eine willkommene Aufregung sei.

Mit Stolz vergleichen wir damit die Haltung des preußischen Volkes.
Die preußischen Soldaten sind aus jedem bürgerlichen Beruf, gehorsam dem
Wort ihres Kriegsherrn, zur Fahne geeilt. Die Bürger Preußens haben ihre
Pflicht gegen den eigenen Staat und die übrigen Deutschen erfüllt, wenn sie
ihren König unablässig zur Vorsicht mahnten gegenüber einem Rathgeber, welcher
den Krieg zu wollen schien, als er nicht nöthig war.

Und dieses ernste Abnahmen von einem unruhigen, aufreizenden Vorgehen hat
bereits einen Erfolg gehabt, der so bedeutend ist, daß man ihn vielleicht sogar
für den Beginn einer bedächtigeren und volkstümlicheren Politik in Preußen
halten darf. Der König von Preußen hat ehrlich und warm seinen Wunsch
nach Frieden dargelegt, er chat freiwillig vor der Oeffentlichkeit und gegenüber
seinen hohen Bundesgenossen dafür gesprochen und geschrieben, den Frieden
zu erhalten. Unterdeß in Oestreich die heimlichen Rüstungen, die Verweigerung
jeder Erklärung an die Abgeordneten, welche nach Frankfurt reisen wollten, jene
herrische Jnterpellation an Preußen und Hannover in der letzten Bundessitzung,
die provocirende Proclamirung des Prinzen von Hessen zum östreichischen com-
mandirenden General, das sind sprechende Thatsachen für eine hinterhaltige,
den Krieg fordernde Politik. So sehr haben sich die Dinge umgekehrt,
daß jetzt Oestreich die Provocationen häuft, daß Preußen der besonnene und
abwartende Theil geworden ist, dessen Recht durch jeden falschen Schritt seiner
Gegner besser wird. Wer von der liberalen Opposition in Preußen fordert,


ihres Staates, soll man ihnen die alte Nachsicht nicht mehr gewähren. Wenn
sie bis jetzt nicht selbst Slaven. Magyaren oder Italiener geworden sind, ver¬
danken sie dies nicht ihrer selbstthätigen Tüchtigkeit, sondern der deutschen
Bildung, welche über die Grenzen vom Norden und Westen unablässig ihnen
zugeströmt ist. Von dem geistigen Inhalt, den die übrigen Stämme in sich
groß gezogen, haben sie gezehrt. Sie sind deshalb nicht berechtigt, ein Herren¬
wort in Deutschland mitzureden, denn nur unsre Kraft, wie unvollkommen sie
auch zur Zeit noch entwickelt ist, hat sie vor vollständiger Barbarisirung
bewahrt.

Und im Grunde fühlen sie das selbst, denn ihre Ansprüche beruhen zuletzt
auf dem Gefühl der Schwäche, sie möchten sich an Deutschland klammern, um
nicht unterzugehen. Allerdings ist unsere Aufgabe, das zu verhüten, aber wer
Hilfeflehender ist, dem steht übel an, den anspruchsvollen Tobsüchtigen zu
spielen, und mit einem Gefühl, welches jetzt das entschiedene Gegentheil von
Achtung ist, hören wir Deutschen auf die übel stilisitten Ausbrüche eines wilden
Kriegseifers. Nicht gleichgültig ist der Tumult der Zeitungspresse und das
Gebühren aufgeregter Jugend, denn sie treiben die Regierung hochfahrend vor-
wärts, weil sie dieser die Ueberzeugung geben, daß der Krieg gegen Deutsche
auch in den alten Stammländern deS Hauses eine willkommene Aufregung sei.

Mit Stolz vergleichen wir damit die Haltung des preußischen Volkes.
Die preußischen Soldaten sind aus jedem bürgerlichen Beruf, gehorsam dem
Wort ihres Kriegsherrn, zur Fahne geeilt. Die Bürger Preußens haben ihre
Pflicht gegen den eigenen Staat und die übrigen Deutschen erfüllt, wenn sie
ihren König unablässig zur Vorsicht mahnten gegenüber einem Rathgeber, welcher
den Krieg zu wollen schien, als er nicht nöthig war.

Und dieses ernste Abnahmen von einem unruhigen, aufreizenden Vorgehen hat
bereits einen Erfolg gehabt, der so bedeutend ist, daß man ihn vielleicht sogar
für den Beginn einer bedächtigeren und volkstümlicheren Politik in Preußen
halten darf. Der König von Preußen hat ehrlich und warm seinen Wunsch
nach Frieden dargelegt, er chat freiwillig vor der Oeffentlichkeit und gegenüber
seinen hohen Bundesgenossen dafür gesprochen und geschrieben, den Frieden
zu erhalten. Unterdeß in Oestreich die heimlichen Rüstungen, die Verweigerung
jeder Erklärung an die Abgeordneten, welche nach Frankfurt reisen wollten, jene
herrische Jnterpellation an Preußen und Hannover in der letzten Bundessitzung,
die provocirende Proclamirung des Prinzen von Hessen zum östreichischen com-
mandirenden General, das sind sprechende Thatsachen für eine hinterhaltige,
den Krieg fordernde Politik. So sehr haben sich die Dinge umgekehrt,
daß jetzt Oestreich die Provocationen häuft, daß Preußen der besonnene und
abwartende Theil geworden ist, dessen Recht durch jeden falschen Schritt seiner
Gegner besser wird. Wer von der liberalen Opposition in Preußen fordert,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/352>, abgerufen am 28.07.2024.