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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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nisse. Der Mangel an Geld hat nicht die Bedeutung, welche man ihm in
Preußen zuschreibt, er hemmt doch. Das emittirte Papiergeld genügt nicht
für die Rüstungen, und ganz imaginär ist die Hoffnung, daß Kirchenschätze und
-Güter während der Krisis mehr als einige Millionen Gulden gewähren können.
Einflußreicher aber muß dort die Erwägung sein, daß es auch für Oestreich
immerhin ein tödtliches Wagniß ist, zugleich gegen Preußen und Italien zu
kämpfen, und daß Oestreich bei solchem Kriege nichts Dauerhaftes gewinnen
kann. Denn selbst bei glücklicher Kriegführung, welche anzunehmen uns schwer
wird, würde der Gewinn irgendeines Landesthcils in Deutschland nur die
Folge haben, statt des gegenwärtigen Systems in Preußen dort einen größeren
Feind zu erwecken, eine liberale Negierung und die tödtliche Feindschaft des
preußischen Volkes und der Deutschen. Graf Bismarck ist für Oestreich sehr
unbequem, aber weit gefährlicher wäre eine entschiedene freisinnige Negierung in
Preußen, welche mit dem Zorn wegen geschädigter Staatskraft gegen Oestreich
arbeitete. Preußen durch Krieg zu schwächen, ist für Oestreich in Wahrheit nur
nachtheilig; ein Krieg gegen Preußen hat für Oestreich nur Sinn, wenn er
die völlige Vernichtung des preußischen Staates durchsetzt und wie zur Zeit
Wallensteins, nicht nur am Hafen von Kiel, auch an der Odermündung und
dem Pregel die kaiserlichen Standarten aufrollt. Und das hofft man doch
selbst nicht in der Hofburg.

Man will wissen, daß in Preußen der Ministerpräsident und etwa noch
einer seiner College" den Krieg wolle, daß aber der König dem widerstehe;
man ist auch beflissen, in Abrede zu stellen, daß ein Offensivbündniß mit Ita¬
lien geschlossen sei. Die große Mehrzahl des preußischen Volkes aber will den
Krieg nicht, weil sie ihn für unzeitig hält. ES ist also noch einiger Grund zu
der Hoffnung, daß der Friede erhalten bleibt, und wir sind noch in der Lage,
über Pläne, welche nicht bereits unwiderrufliche Thatsachen geworden sind, öffent¬
lich urtheilen zu dürfen.

Als der preußische Ministerpräsident den Bundesstaaten die Aufforderung
zugehen ließ, sich für Zusammenberufung eines deutschen Parlaments zu ent¬
scheiden, begegnete ihm wieder, was ihm seit Antritt des Ministeriums jeden
dauernden diplomatischen Erfolg verdorben hat, daß er sich über die Wirkung
seines Antrags Illusionen machte. Er gedachte die Mittelstaaten einzuschüch¬
tern, aber er hat sie sämmtlich in das feindliche Lager hinübergetrieben, sogar
Hannover und Schwerin, und er hat ihnen eine Bedeutung in deutschen An¬
gelegenheiten gegeben, welche sie seit dem Jahre 1815 nicht gehabt haben. Wie
er in Oestreich das Unglaubliche durchgesetzt hat, daß die verschiedenen Ncitio>
nalitäten dieses Staates sich einmüthig für ihr Kaiserhaus vereinigen, so haben
auch die Regierungen der Mittclstaaten einigen Grund, ihm dankbar zu sein,
denn er hat ihnen eine Politik aufgenöthigt, die sie der Majorität ihrer Völker


nisse. Der Mangel an Geld hat nicht die Bedeutung, welche man ihm in
Preußen zuschreibt, er hemmt doch. Das emittirte Papiergeld genügt nicht
für die Rüstungen, und ganz imaginär ist die Hoffnung, daß Kirchenschätze und
-Güter während der Krisis mehr als einige Millionen Gulden gewähren können.
Einflußreicher aber muß dort die Erwägung sein, daß es auch für Oestreich
immerhin ein tödtliches Wagniß ist, zugleich gegen Preußen und Italien zu
kämpfen, und daß Oestreich bei solchem Kriege nichts Dauerhaftes gewinnen
kann. Denn selbst bei glücklicher Kriegführung, welche anzunehmen uns schwer
wird, würde der Gewinn irgendeines Landesthcils in Deutschland nur die
Folge haben, statt des gegenwärtigen Systems in Preußen dort einen größeren
Feind zu erwecken, eine liberale Negierung und die tödtliche Feindschaft des
preußischen Volkes und der Deutschen. Graf Bismarck ist für Oestreich sehr
unbequem, aber weit gefährlicher wäre eine entschiedene freisinnige Negierung in
Preußen, welche mit dem Zorn wegen geschädigter Staatskraft gegen Oestreich
arbeitete. Preußen durch Krieg zu schwächen, ist für Oestreich in Wahrheit nur
nachtheilig; ein Krieg gegen Preußen hat für Oestreich nur Sinn, wenn er
die völlige Vernichtung des preußischen Staates durchsetzt und wie zur Zeit
Wallensteins, nicht nur am Hafen von Kiel, auch an der Odermündung und
dem Pregel die kaiserlichen Standarten aufrollt. Und das hofft man doch
selbst nicht in der Hofburg.

Man will wissen, daß in Preußen der Ministerpräsident und etwa noch
einer seiner College» den Krieg wolle, daß aber der König dem widerstehe;
man ist auch beflissen, in Abrede zu stellen, daß ein Offensivbündniß mit Ita¬
lien geschlossen sei. Die große Mehrzahl des preußischen Volkes aber will den
Krieg nicht, weil sie ihn für unzeitig hält. ES ist also noch einiger Grund zu
der Hoffnung, daß der Friede erhalten bleibt, und wir sind noch in der Lage,
über Pläne, welche nicht bereits unwiderrufliche Thatsachen geworden sind, öffent¬
lich urtheilen zu dürfen.

Als der preußische Ministerpräsident den Bundesstaaten die Aufforderung
zugehen ließ, sich für Zusammenberufung eines deutschen Parlaments zu ent¬
scheiden, begegnete ihm wieder, was ihm seit Antritt des Ministeriums jeden
dauernden diplomatischen Erfolg verdorben hat, daß er sich über die Wirkung
seines Antrags Illusionen machte. Er gedachte die Mittelstaaten einzuschüch¬
tern, aber er hat sie sämmtlich in das feindliche Lager hinübergetrieben, sogar
Hannover und Schwerin, und er hat ihnen eine Bedeutung in deutschen An¬
gelegenheiten gegeben, welche sie seit dem Jahre 1815 nicht gehabt haben. Wie
er in Oestreich das Unglaubliche durchgesetzt hat, daß die verschiedenen Ncitio>
nalitäten dieses Staates sich einmüthig für ihr Kaiserhaus vereinigen, so haben
auch die Regierungen der Mittclstaaten einigen Grund, ihm dankbar zu sein,
denn er hat ihnen eine Politik aufgenöthigt, die sie der Majorität ihrer Völker


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/342>, abgerufen am 28.07.2024.