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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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schicken -- wurden elf Studenten, unter denen die Junker Schertlin, Truchseß
und Stockheimer die Hauptrolle spielen, ins Carcer gesetzt, weil sie des Nachts
gelärmt und sich wider den Pedell mit Hauen und Stechen vergriffen, und
als der Herzog über Truchseß, von dem ihm der Senat geklagt, daß er "ein
epikuräisch, Viehisch, ruchlos und ärgerlich Leben" führe, näheren Bericht ein¬
forderte, bat senatus, ihn damit zu verschonen, "weil dies bewegender Ursachen
halber ganz bedenklich". 1691 forderten Studenten sogar den Hofrichter aus
seinem Hause heraus zum Duell, und in demselben Jahre gabs außer andern
Schlägereien eine zwischen vier Studiosen und einigen Handwerksgesellen, zu
der sich jene in 30 Maß Wein den erforderlichen Uebermuth getrunken hatten.
1593 beschließt der Senat, fleißig die Zehrhäuser zu inspiciren wegen der allzu
großen Zechen. Der Protokollführer aber setzt -- vermuthlich mit dem Lächeln
des erfahrenen Mannes -- hinzu: "nov dens aucun, shal rron taeils aküei-
uut.", Worte, die er nach dem Mitgetheilten hinter jedes Statut hätte schreiben
sollen, bevor er Sand darauf streute. Am 20. November 1397 zieht der
Student Hamberger -- auch eine "xsstis swäiosorurn" und überdies der
schwarzen Kunst verdächtig -- mit einer Rotte wüster Bursche in der Stadt
herum, um vor den Häusern der Professoren das "Lied von den sieben Nonnen
und andere schandlose Lieder" zu singen; sie "hauen i,n die Steine" und ant¬
worten den Pedellen und Nachtwandlern, als diese ihnen Ruhe bieten, "ob ihnen
die Haut beiße, wollen die Klingen mit ihnen theilen". 1S98 werden Graf
Schlick und ein Student v. Frankenberg, die wegen nächtlichen Streits mit dem
Pedell und der Schaarwache vorgefordert sind, ganz verschieden behandelt, der
Graf nur vermahnt, sein Genosse bestraft. Zehn Tage darauf schreibt der
Senat an Schlick, schon wieder habe der gnädige Herr Graf mit der Wache ^
Händel angefangen und sie mit bloßer Wehr auf dem Markte angegriffen; wenn
sich das wiederhole, müsse man ihn der bürgerlichen Obrigkeit zuweisen, "sonsten
aber bleibe man ihm, dem Herrn Grafen, auf sein gebührlich gräfliches Ver¬
halten zu aller guten Beförderung wohlgewogcn."

Genug nun mit Excerpte" dieser Art und nur noch zwei Züge des tüvinger
Lebens in dieser Periode, für die der Verfasser anderwärts keine Beispiele auf¬
gefunden hat.

Wie die Studenten zum Theil noch sehr jung waren und von Hofmeistern
begleitet auf der Universität eintrafen, so kommen in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts auch.Herren unter ihnen vor, denen man ein überreifes Alter
geben möchte, da sie verheirathet und mit Kindern gesegnet sind. So 15S6
der Studiosus v. Thalheimcr, den man auf Fürbitte seiner Frau aus dein
Carcer entließ. So 1667 ein andrer Musensohn, welcher großen Nachtskandal
macht, sich häusig betrinkt und keine Vorlesungen besucht, und der wegen aller
dieser Allotria "in Anbetracht seiner braven Frau und Kinder" nur mild bestraft


schicken — wurden elf Studenten, unter denen die Junker Schertlin, Truchseß
und Stockheimer die Hauptrolle spielen, ins Carcer gesetzt, weil sie des Nachts
gelärmt und sich wider den Pedell mit Hauen und Stechen vergriffen, und
als der Herzog über Truchseß, von dem ihm der Senat geklagt, daß er „ein
epikuräisch, Viehisch, ruchlos und ärgerlich Leben" führe, näheren Bericht ein¬
forderte, bat senatus, ihn damit zu verschonen, „weil dies bewegender Ursachen
halber ganz bedenklich". 1691 forderten Studenten sogar den Hofrichter aus
seinem Hause heraus zum Duell, und in demselben Jahre gabs außer andern
Schlägereien eine zwischen vier Studiosen und einigen Handwerksgesellen, zu
der sich jene in 30 Maß Wein den erforderlichen Uebermuth getrunken hatten.
1593 beschließt der Senat, fleißig die Zehrhäuser zu inspiciren wegen der allzu
großen Zechen. Der Protokollführer aber setzt — vermuthlich mit dem Lächeln
des erfahrenen Mannes — hinzu: „nov dens aucun, shal rron taeils aküei-
uut.", Worte, die er nach dem Mitgetheilten hinter jedes Statut hätte schreiben
sollen, bevor er Sand darauf streute. Am 20. November 1397 zieht der
Student Hamberger — auch eine „xsstis swäiosorurn" und überdies der
schwarzen Kunst verdächtig — mit einer Rotte wüster Bursche in der Stadt
herum, um vor den Häusern der Professoren das „Lied von den sieben Nonnen
und andere schandlose Lieder" zu singen; sie „hauen i,n die Steine" und ant¬
worten den Pedellen und Nachtwandlern, als diese ihnen Ruhe bieten, „ob ihnen
die Haut beiße, wollen die Klingen mit ihnen theilen". 1S98 werden Graf
Schlick und ein Student v. Frankenberg, die wegen nächtlichen Streits mit dem
Pedell und der Schaarwache vorgefordert sind, ganz verschieden behandelt, der
Graf nur vermahnt, sein Genosse bestraft. Zehn Tage darauf schreibt der
Senat an Schlick, schon wieder habe der gnädige Herr Graf mit der Wache ^
Händel angefangen und sie mit bloßer Wehr auf dem Markte angegriffen; wenn
sich das wiederhole, müsse man ihn der bürgerlichen Obrigkeit zuweisen, „sonsten
aber bleibe man ihm, dem Herrn Grafen, auf sein gebührlich gräfliches Ver¬
halten zu aller guten Beförderung wohlgewogcn."

Genug nun mit Excerpte» dieser Art und nur noch zwei Züge des tüvinger
Lebens in dieser Periode, für die der Verfasser anderwärts keine Beispiele auf¬
gefunden hat.

Wie die Studenten zum Theil noch sehr jung waren und von Hofmeistern
begleitet auf der Universität eintrafen, so kommen in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts auch.Herren unter ihnen vor, denen man ein überreifes Alter
geben möchte, da sie verheirathet und mit Kindern gesegnet sind. So 15S6
der Studiosus v. Thalheimcr, den man auf Fürbitte seiner Frau aus dein
Carcer entließ. So 1667 ein andrer Musensohn, welcher großen Nachtskandal
macht, sich häusig betrinkt und keine Vorlesungen besucht, und der wegen aller
dieser Allotria „in Anbetracht seiner braven Frau und Kinder" nur mild bestraft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/330>, abgerufen am 28.07.2024.