Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Und wie überaus anmuthig ist der Eindruck geschildert, welchen die flotte
und dabei artige Weise der feiner gesitteten unter den damaligen Studenten
auf das schöne Geschlecht machte, wenn wir in dem dieser Zeit angehörigen
Liede: "Ach, Mutter, liebste Mutter mein" *) die Goldschmiedstochter den Antrag,
einen Kaufmann zu freien, mit folgendem Preis der studirenden Welt ablehnen
hören:

"Ich acht keine reiche Tag oder viel Geld,
Der Studente mir besser gefällt,
Niemand soll mich abwenden
Wohl von der ehrlichen Brüderschaft,
Die allenthalben wird groß gcacht't
In allen Landen und Stätten.
Der Studenten Weise gefällt mir wohl,
Denn die sind aller Ehren voll,
Mit Zucht sind sie gezieret.
Darneben sie viel Tugend han,
Mcmichfalt übertrifft ihre Gestalt.
Den Nuhm muß man ihnen geben.
Ach wenn sie kommen spazieren daher,
So leuchten sie wie der Morgenstern!
Wem thun sie doch nicht gefallen?
Wem ist nicht lieb ihr Lautcnschlcin,
Wenn sie daher notieren gan
Mit Saitenspiel und Schalle.
Den Studenten geb' ich allein den Preis.
Ihnen singe ich Lob mit allem Fleiß.
Sie führen ein zartes Leben.
Bei den Studenten ist gut sein,
Mit Worten können sie scherzen sein,
Lieblich und freundlich reden."

Hatte sich schon früher in das Thun und Lassen der hohen Schulen trotz
aller Vorbauung und trotz wiederholter Zurückdrängung immer aufs Neue die
Lust an profanen Freuden eingeschlichen, so war sie jetzt unwiderstehlich für die
Autoritäten. Bis dahin den Studenten etwas angenehmes Verbotenes, wurde
sie ihnen nun ein Natürliches und Erlaubtes; bis jetzt bei Nacht durch ein



") Groß Liederbuch von 181 Weltlichen Liedern. Frankfurt, Peter Kopff. 1599.
Gnnzbotm II. 18K6. 38

Und wie überaus anmuthig ist der Eindruck geschildert, welchen die flotte
und dabei artige Weise der feiner gesitteten unter den damaligen Studenten
auf das schöne Geschlecht machte, wenn wir in dem dieser Zeit angehörigen
Liede: „Ach, Mutter, liebste Mutter mein" *) die Goldschmiedstochter den Antrag,
einen Kaufmann zu freien, mit folgendem Preis der studirenden Welt ablehnen
hören:

„Ich acht keine reiche Tag oder viel Geld,
Der Studente mir besser gefällt,
Niemand soll mich abwenden
Wohl von der ehrlichen Brüderschaft,
Die allenthalben wird groß gcacht't
In allen Landen und Stätten.
Der Studenten Weise gefällt mir wohl,
Denn die sind aller Ehren voll,
Mit Zucht sind sie gezieret.
Darneben sie viel Tugend han,
Mcmichfalt übertrifft ihre Gestalt.
Den Nuhm muß man ihnen geben.
Ach wenn sie kommen spazieren daher,
So leuchten sie wie der Morgenstern!
Wem thun sie doch nicht gefallen?
Wem ist nicht lieb ihr Lautcnschlcin,
Wenn sie daher notieren gan
Mit Saitenspiel und Schalle.
Den Studenten geb' ich allein den Preis.
Ihnen singe ich Lob mit allem Fleiß.
Sie führen ein zartes Leben.
Bei den Studenten ist gut sein,
Mit Worten können sie scherzen sein,
Lieblich und freundlich reden."

Hatte sich schon früher in das Thun und Lassen der hohen Schulen trotz
aller Vorbauung und trotz wiederholter Zurückdrängung immer aufs Neue die
Lust an profanen Freuden eingeschlichen, so war sie jetzt unwiderstehlich für die
Autoritäten. Bis dahin den Studenten etwas angenehmes Verbotenes, wurde
sie ihnen nun ein Natürliches und Erlaubtes; bis jetzt bei Nacht durch ein



") Groß Liederbuch von 181 Weltlichen Liedern. Frankfurt, Peter Kopff. 1599.
Gnnzbotm II. 18K6. 38
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0321" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285349"/>
          <lg xml:id="POEMID_8" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_937"> Und wie überaus anmuthig ist der Eindruck geschildert, welchen die flotte<lb/>
und dabei artige Weise der feiner gesitteten unter den damaligen Studenten<lb/>
auf das schöne Geschlecht machte, wenn wir in dem dieser Zeit angehörigen<lb/>
Liede: &#x201E;Ach, Mutter, liebste Mutter mein" *) die Goldschmiedstochter den Antrag,<lb/>
einen Kaufmann zu freien, mit folgendem Preis der studirenden Welt ablehnen<lb/>
hören:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_9" type="poem">
            <l> &#x201E;Ich acht keine reiche Tag oder viel Geld,<lb/>
Der Studente mir besser gefällt,<lb/>
Niemand soll mich abwenden<lb/>
Wohl von der ehrlichen Brüderschaft,<lb/>
Die allenthalben wird groß gcacht't<lb/>
In allen Landen und Stätten.</l>
            <l> Der Studenten Weise gefällt mir wohl,<lb/>
Denn die sind aller Ehren voll,<lb/>
Mit Zucht sind sie gezieret.<lb/>
Darneben sie viel Tugend han,<lb/>
Mcmichfalt übertrifft ihre Gestalt.<lb/>
Den Nuhm muß man ihnen geben.</l>
            <l> Ach wenn sie kommen spazieren daher,<lb/>
So leuchten sie wie der Morgenstern!<lb/>
Wem thun sie doch nicht gefallen?<lb/>
Wem ist nicht lieb ihr Lautcnschlcin,<lb/>
Wenn sie daher notieren gan<lb/>
Mit Saitenspiel und Schalle.</l>
            <l> Den Studenten geb' ich allein den Preis.<lb/>
Ihnen singe ich Lob mit allem Fleiß.<lb/>
Sie führen ein zartes Leben.<lb/>
Bei den Studenten ist gut sein,<lb/>
Mit Worten können sie scherzen sein,<lb/>
Lieblich und freundlich reden."</l>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_938" next="#ID_939"> Hatte sich schon früher in das Thun und Lassen der hohen Schulen trotz<lb/>
aller Vorbauung und trotz wiederholter Zurückdrängung immer aufs Neue die<lb/>
Lust an profanen Freuden eingeschlichen, so war sie jetzt unwiderstehlich für die<lb/>
Autoritäten. Bis dahin den Studenten etwas angenehmes Verbotenes, wurde<lb/>
sie ihnen nun ein Natürliches und Erlaubtes; bis jetzt bei Nacht durch ein</p><lb/>
          <note xml:id="FID_25" place="foot"> ") Groß Liederbuch von 181 Weltlichen Liedern. Frankfurt, Peter Kopff. 1599.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Gnnzbotm II. 18K6. 38</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0321] Und wie überaus anmuthig ist der Eindruck geschildert, welchen die flotte und dabei artige Weise der feiner gesitteten unter den damaligen Studenten auf das schöne Geschlecht machte, wenn wir in dem dieser Zeit angehörigen Liede: „Ach, Mutter, liebste Mutter mein" *) die Goldschmiedstochter den Antrag, einen Kaufmann zu freien, mit folgendem Preis der studirenden Welt ablehnen hören: „Ich acht keine reiche Tag oder viel Geld, Der Studente mir besser gefällt, Niemand soll mich abwenden Wohl von der ehrlichen Brüderschaft, Die allenthalben wird groß gcacht't In allen Landen und Stätten. Der Studenten Weise gefällt mir wohl, Denn die sind aller Ehren voll, Mit Zucht sind sie gezieret. Darneben sie viel Tugend han, Mcmichfalt übertrifft ihre Gestalt. Den Nuhm muß man ihnen geben. Ach wenn sie kommen spazieren daher, So leuchten sie wie der Morgenstern! Wem thun sie doch nicht gefallen? Wem ist nicht lieb ihr Lautcnschlcin, Wenn sie daher notieren gan Mit Saitenspiel und Schalle. Den Studenten geb' ich allein den Preis. Ihnen singe ich Lob mit allem Fleiß. Sie führen ein zartes Leben. Bei den Studenten ist gut sein, Mit Worten können sie scherzen sein, Lieblich und freundlich reden." Hatte sich schon früher in das Thun und Lassen der hohen Schulen trotz aller Vorbauung und trotz wiederholter Zurückdrängung immer aufs Neue die Lust an profanen Freuden eingeschlichen, so war sie jetzt unwiderstehlich für die Autoritäten. Bis dahin den Studenten etwas angenehmes Verbotenes, wurde sie ihnen nun ein Natürliches und Erlaubtes; bis jetzt bei Nacht durch ein ") Groß Liederbuch von 181 Weltlichen Liedern. Frankfurt, Peter Kopff. 1599. Gnnzbotm II. 18K6. 38

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/321
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/321>, abgerufen am 28.07.2024.