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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Partei" war jedoch für die Deutschen vom entschiedensten Nachtheil, denn bei
den nachfolgenden Wahlen offenbarte sich der unehrliche Charakter der Tschechen
vollständig. Als die Namen der deutschen Cvmitümitglieder gewonnen waren
und sie nicht mehr zurücktreten konnten, wurde die Kandidatenliste zum totalen
Nachtheile der Deutschen aufgestellt, und die Wahlen fielen tschechisch aus. Die
Tschechen haben noch einmal spater ihr Wort gebrochen, als in der ersten Land¬
tagssession zwischen ihnen und den Deutschen ein Compromiß bezüglich der
Wahl der Abgeordneten zum Reichsrathe stattfand. Im Gcmeindeleben Prags
wurden nun die Deutschen nach Herzenslust zurückgesetzt und übergangen. Man
pensionirte tüchtige deutsche Lehrer und besetzte alle neuen Stellen mit Anhängern
der nationalen Partei; das Unangenehmste dabei ist jedoch, daß die Deutschen,
als die wichtigsten Steuerzahler, die tschechischen Experimente mit ihrem Gelde
decken müssen. Seitdem haben sie sich jedoch bei den Wahlen wacker gehalten
und auch, wie Wohl mit schwerer Mühe, einige kleine Siege errungen.

Noch blieb das Gebiet der Handelskammern übrig, und auch an denen
versuchten sich die Tschechen. Hier prallten sie jedoch trotz enormer Anstren¬
gungen ab, und den Deutschen blieb der Sieg und zwar in glänzender Weise.
Alle Vertreter, weiche die Handelskammern in den Landtag schickten, sind Deutsche,
und hierdurch wird am besten bewiesen, wie einer der wichtigsten Factoren
Böhmens, ein Lebensprincip ersten Ranges, der Handel, nur deutsch ist.
Nachdem hier die Tschechistrung fehlgeschlagen, versuchte man die Handelskammern
auf andere Weise zu bedrücken. Graf Clam-Martinitz, der Tscheche aus deutschem
Blut, brachte im Landtage den Antrag ein, S. Maj. möchte allergnädigst ge¬
ruhen, eine neue Wahlordnung zu octroyiren. und zwar nach der von der
tschechisch-feudalen Mehrheit ausgearbeiteten Vorlage. In dieser aber sind die
Abgeordneten der Handelskammern gestrichen, während der Feudaladel, ohnehin
im Landtage über alles Maß bevorzugt, mit 20 neuen Virilstimmen beglückt ist.
Der Erfolg der Petition ist abzuwarten.

Wir haben hier noch ein Institut zu erwähnen, das zu gar vielem natio¬
nalen Hader in Böhmen Anlaß gab und giebt, und eine wahre Seeschlange
der böhmischen Journalistik geworden ist. Nämlich das Theater. Im prager
königlichen Landestheatcr wurde abwechselnd in deutscher und tschechischer Sprache
gespielt; die Tschechen jedoch, welche einsahen, daß ihre Muse auf diese Weise
nicht erblühen würde, sehnten sich nach einem eigenen Theater und veranstalteten
hierzu seit langem Sammlungen, welche jedoch bei der bekannten Armuth und
geringen Opferfreudigst des Volkes kein ergiebiges Resultat lieferten. Erst
als aus Landesmitteln die nöthigen Zuschüsse bewilligt wurden, konnte das
tschechische Jnterimstheater gebaut werden. Wir finden es nur löblich, wenn
die Tschechen sich mit der Pflege des Dramas und der Oper abgeben und die¬
selben zur Bildung ihres Volkes benutzen wollen. Sie stoßen dabei jedoch, auf


Partei" war jedoch für die Deutschen vom entschiedensten Nachtheil, denn bei
den nachfolgenden Wahlen offenbarte sich der unehrliche Charakter der Tschechen
vollständig. Als die Namen der deutschen Cvmitümitglieder gewonnen waren
und sie nicht mehr zurücktreten konnten, wurde die Kandidatenliste zum totalen
Nachtheile der Deutschen aufgestellt, und die Wahlen fielen tschechisch aus. Die
Tschechen haben noch einmal spater ihr Wort gebrochen, als in der ersten Land¬
tagssession zwischen ihnen und den Deutschen ein Compromiß bezüglich der
Wahl der Abgeordneten zum Reichsrathe stattfand. Im Gcmeindeleben Prags
wurden nun die Deutschen nach Herzenslust zurückgesetzt und übergangen. Man
pensionirte tüchtige deutsche Lehrer und besetzte alle neuen Stellen mit Anhängern
der nationalen Partei; das Unangenehmste dabei ist jedoch, daß die Deutschen,
als die wichtigsten Steuerzahler, die tschechischen Experimente mit ihrem Gelde
decken müssen. Seitdem haben sie sich jedoch bei den Wahlen wacker gehalten
und auch, wie Wohl mit schwerer Mühe, einige kleine Siege errungen.

Noch blieb das Gebiet der Handelskammern übrig, und auch an denen
versuchten sich die Tschechen. Hier prallten sie jedoch trotz enormer Anstren¬
gungen ab, und den Deutschen blieb der Sieg und zwar in glänzender Weise.
Alle Vertreter, weiche die Handelskammern in den Landtag schickten, sind Deutsche,
und hierdurch wird am besten bewiesen, wie einer der wichtigsten Factoren
Böhmens, ein Lebensprincip ersten Ranges, der Handel, nur deutsch ist.
Nachdem hier die Tschechistrung fehlgeschlagen, versuchte man die Handelskammern
auf andere Weise zu bedrücken. Graf Clam-Martinitz, der Tscheche aus deutschem
Blut, brachte im Landtage den Antrag ein, S. Maj. möchte allergnädigst ge¬
ruhen, eine neue Wahlordnung zu octroyiren. und zwar nach der von der
tschechisch-feudalen Mehrheit ausgearbeiteten Vorlage. In dieser aber sind die
Abgeordneten der Handelskammern gestrichen, während der Feudaladel, ohnehin
im Landtage über alles Maß bevorzugt, mit 20 neuen Virilstimmen beglückt ist.
Der Erfolg der Petition ist abzuwarten.

Wir haben hier noch ein Institut zu erwähnen, das zu gar vielem natio¬
nalen Hader in Böhmen Anlaß gab und giebt, und eine wahre Seeschlange
der böhmischen Journalistik geworden ist. Nämlich das Theater. Im prager
königlichen Landestheatcr wurde abwechselnd in deutscher und tschechischer Sprache
gespielt; die Tschechen jedoch, welche einsahen, daß ihre Muse auf diese Weise
nicht erblühen würde, sehnten sich nach einem eigenen Theater und veranstalteten
hierzu seit langem Sammlungen, welche jedoch bei der bekannten Armuth und
geringen Opferfreudigst des Volkes kein ergiebiges Resultat lieferten. Erst
als aus Landesmitteln die nöthigen Zuschüsse bewilligt wurden, konnte das
tschechische Jnterimstheater gebaut werden. Wir finden es nur löblich, wenn
die Tschechen sich mit der Pflege des Dramas und der Oper abgeben und die¬
selben zur Bildung ihres Volkes benutzen wollen. Sie stoßen dabei jedoch, auf


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[0316] Partei" war jedoch für die Deutschen vom entschiedensten Nachtheil, denn bei den nachfolgenden Wahlen offenbarte sich der unehrliche Charakter der Tschechen vollständig. Als die Namen der deutschen Cvmitümitglieder gewonnen waren und sie nicht mehr zurücktreten konnten, wurde die Kandidatenliste zum totalen Nachtheile der Deutschen aufgestellt, und die Wahlen fielen tschechisch aus. Die Tschechen haben noch einmal spater ihr Wort gebrochen, als in der ersten Land¬ tagssession zwischen ihnen und den Deutschen ein Compromiß bezüglich der Wahl der Abgeordneten zum Reichsrathe stattfand. Im Gcmeindeleben Prags wurden nun die Deutschen nach Herzenslust zurückgesetzt und übergangen. Man pensionirte tüchtige deutsche Lehrer und besetzte alle neuen Stellen mit Anhängern der nationalen Partei; das Unangenehmste dabei ist jedoch, daß die Deutschen, als die wichtigsten Steuerzahler, die tschechischen Experimente mit ihrem Gelde decken müssen. Seitdem haben sie sich jedoch bei den Wahlen wacker gehalten und auch, wie Wohl mit schwerer Mühe, einige kleine Siege errungen. Noch blieb das Gebiet der Handelskammern übrig, und auch an denen versuchten sich die Tschechen. Hier prallten sie jedoch trotz enormer Anstren¬ gungen ab, und den Deutschen blieb der Sieg und zwar in glänzender Weise. Alle Vertreter, weiche die Handelskammern in den Landtag schickten, sind Deutsche, und hierdurch wird am besten bewiesen, wie einer der wichtigsten Factoren Böhmens, ein Lebensprincip ersten Ranges, der Handel, nur deutsch ist. Nachdem hier die Tschechistrung fehlgeschlagen, versuchte man die Handelskammern auf andere Weise zu bedrücken. Graf Clam-Martinitz, der Tscheche aus deutschem Blut, brachte im Landtage den Antrag ein, S. Maj. möchte allergnädigst ge¬ ruhen, eine neue Wahlordnung zu octroyiren. und zwar nach der von der tschechisch-feudalen Mehrheit ausgearbeiteten Vorlage. In dieser aber sind die Abgeordneten der Handelskammern gestrichen, während der Feudaladel, ohnehin im Landtage über alles Maß bevorzugt, mit 20 neuen Virilstimmen beglückt ist. Der Erfolg der Petition ist abzuwarten. Wir haben hier noch ein Institut zu erwähnen, das zu gar vielem natio¬ nalen Hader in Böhmen Anlaß gab und giebt, und eine wahre Seeschlange der böhmischen Journalistik geworden ist. Nämlich das Theater. Im prager königlichen Landestheatcr wurde abwechselnd in deutscher und tschechischer Sprache gespielt; die Tschechen jedoch, welche einsahen, daß ihre Muse auf diese Weise nicht erblühen würde, sehnten sich nach einem eigenen Theater und veranstalteten hierzu seit langem Sammlungen, welche jedoch bei der bekannten Armuth und geringen Opferfreudigst des Volkes kein ergiebiges Resultat lieferten. Erst als aus Landesmitteln die nöthigen Zuschüsse bewilligt wurden, konnte das tschechische Jnterimstheater gebaut werden. Wir finden es nur löblich, wenn die Tschechen sich mit der Pflege des Dramas und der Oper abgeben und die¬ selben zur Bildung ihres Volkes benutzen wollen. Sie stoßen dabei jedoch, auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/316>, abgerufen am 28.07.2024.