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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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die Terminologie fehlt. Sie behelfen sich mit Uebersetzungen aus dem Deutschen.
Die Petition der deutschen Professoren an der Technik, dem letzten Landtage
eingereicht, giebt tiefe Einblicke in die für eine wissenschaftliche Anstalt höchst
unwürdigen Zustände.

Der Tscheche ist zäh; ob die Wissenschaft leidet, ob ein Institut seinen
Zweck erfüllt, ist ihm vollkommen gleichartig. Ihm handelt es sich nur darum,
daß dasselbe tschechisch werde, und daß die Deutschen, müde des Gezänkes, ab¬
ziehen und das, was sie gesät, dem slavischen Bruder zur Ernte überlassen.
Noch war die Universität zu tschechisiren und dies wurde denn auch in der
letzten Landtagssession glücklich durchgeführt. Der Abgeordnete für semit und
Eisenbrod. Franz Ladislaw Rieger, der verblaßte Demokrat und Schleppträger
der Feudalen, stellte den Antrag, der denn auch glücklich -- wie vorauszusehen
war -- die Stimmenmehrheit erlangte. In der Debatte über die Universität
gipfelte sich der letzte böhmische Landtag, und der tschechische Pöbel gab vor
dem Hause und auf den Galerien seine Freude über den Sieg durch Brüllen
und Beschimpfen der Deutschen kund, so daß diese mit dem Austritte aus dem
Hause drohen mußten, wenn nicht die Galerie geräumt werde.

Die Deutschen, welche -- fast zu gutmüthig -- allenthalben den Tschechen
die Hand gereicht haben, wo es sich um wohlbegründete Ansprüche derselben
handelte, wo einem schreienden Unrecht abzuhelfen war, sie haben gleich von vorn¬
herein den Tschechen eine ganze und ungetheilt tschechische Universität zugestehen
wollen. Diese aber wollen nicht das Ganze, sondern nur einen kleinen zum Miniren
geeigneten Theil, das wurde aus allen Reden klar, und sie mußten indirect
bekennen, daß sie bei ihren Reformen sich nur an das bestehende Deutsche an¬
lehnen konnten. Mit den unglücklichen Resultaten vor Augen, welche alle
deutsch.tschechischen Zwitterinstitute in Böhmen bisher lieferten, wofür wir noch
einige Belege beibringen werden, stemmten sich nun die Deutschen gegen die
Utraquisirung, Sie wiesen glänzend nach, daß nicht einmal das Bedürfniß zu
einer tschechischen Universität vorliege. Von je war man beispiellos nachsichtig
bei der Habilitirung tschechischer Professurcandidaten gewesen, ja man hatte
diese fast stets deutschen Bewerbern vorgezogen. Treffend sagt Professor Höfler
>n seiner Broschüre über die Universitätsfrage: "Wie wenig die Literatur in
ihrem Bestände, wie in ihrer Blüthe von nationalen Professoren abhangig ist,
Zeigt sich am besten an der Theologie. nationaler ist niemand als der böhmische
Klerus; wie kommt es aber, daß in Bezug auf Kirchengerichte, Dogmatik,
Exegese u. s. w. die christliche Welt noch immer auf Erzeugnisse seines Geistes
wartet, die denen der andern Völker ebenbürtig an die Seite gestellt werden
können? Sind daran die Deutschen Schuld?" Und Professor Herbst bemerkte
schlagend in seiner gediegenen Rede "drei Professoren sind speciell für östreichische
beschichte angestellt, rücksichtlich zweier derselben ist die vollständige Kenntniß


die Terminologie fehlt. Sie behelfen sich mit Uebersetzungen aus dem Deutschen.
Die Petition der deutschen Professoren an der Technik, dem letzten Landtage
eingereicht, giebt tiefe Einblicke in die für eine wissenschaftliche Anstalt höchst
unwürdigen Zustände.

Der Tscheche ist zäh; ob die Wissenschaft leidet, ob ein Institut seinen
Zweck erfüllt, ist ihm vollkommen gleichartig. Ihm handelt es sich nur darum,
daß dasselbe tschechisch werde, und daß die Deutschen, müde des Gezänkes, ab¬
ziehen und das, was sie gesät, dem slavischen Bruder zur Ernte überlassen.
Noch war die Universität zu tschechisiren und dies wurde denn auch in der
letzten Landtagssession glücklich durchgeführt. Der Abgeordnete für semit und
Eisenbrod. Franz Ladislaw Rieger, der verblaßte Demokrat und Schleppträger
der Feudalen, stellte den Antrag, der denn auch glücklich — wie vorauszusehen
war — die Stimmenmehrheit erlangte. In der Debatte über die Universität
gipfelte sich der letzte böhmische Landtag, und der tschechische Pöbel gab vor
dem Hause und auf den Galerien seine Freude über den Sieg durch Brüllen
und Beschimpfen der Deutschen kund, so daß diese mit dem Austritte aus dem
Hause drohen mußten, wenn nicht die Galerie geräumt werde.

Die Deutschen, welche — fast zu gutmüthig — allenthalben den Tschechen
die Hand gereicht haben, wo es sich um wohlbegründete Ansprüche derselben
handelte, wo einem schreienden Unrecht abzuhelfen war, sie haben gleich von vorn¬
herein den Tschechen eine ganze und ungetheilt tschechische Universität zugestehen
wollen. Diese aber wollen nicht das Ganze, sondern nur einen kleinen zum Miniren
geeigneten Theil, das wurde aus allen Reden klar, und sie mußten indirect
bekennen, daß sie bei ihren Reformen sich nur an das bestehende Deutsche an¬
lehnen konnten. Mit den unglücklichen Resultaten vor Augen, welche alle
deutsch.tschechischen Zwitterinstitute in Böhmen bisher lieferten, wofür wir noch
einige Belege beibringen werden, stemmten sich nun die Deutschen gegen die
Utraquisirung, Sie wiesen glänzend nach, daß nicht einmal das Bedürfniß zu
einer tschechischen Universität vorliege. Von je war man beispiellos nachsichtig
bei der Habilitirung tschechischer Professurcandidaten gewesen, ja man hatte
diese fast stets deutschen Bewerbern vorgezogen. Treffend sagt Professor Höfler
>n seiner Broschüre über die Universitätsfrage: „Wie wenig die Literatur in
ihrem Bestände, wie in ihrer Blüthe von nationalen Professoren abhangig ist,
Zeigt sich am besten an der Theologie. nationaler ist niemand als der böhmische
Klerus; wie kommt es aber, daß in Bezug auf Kirchengerichte, Dogmatik,
Exegese u. s. w. die christliche Welt noch immer auf Erzeugnisse seines Geistes
wartet, die denen der andern Völker ebenbürtig an die Seite gestellt werden
können? Sind daran die Deutschen Schuld?" Und Professor Herbst bemerkte
schlagend in seiner gediegenen Rede „drei Professoren sind speciell für östreichische
beschichte angestellt, rücksichtlich zweier derselben ist die vollständige Kenntniß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/311>, abgerufen am 28.07.2024.