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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Ueberzeugung, daß es das beste sei. Dagegen erregte es Unzufriedenheit, daß
man von Turin aus den übrigen Bestandtheilen des Heeres gegenüber dem
piemontesischen Elemente dadurch das Uebergewicht zu verschaffen strebte, daß
man die höheren Befehlshaberstellen nur mit ihm besetzte. Fast vier Fünftheile
der Offiziere vom Hauptmann aufwärts und beinahe alle Generale der italieni¬
schen Armee sind Piemontesen.

Diese freilich mit der größeren Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit der Piemon-
tesen einigermaßen zu entschuldigende Unbilligkeit traf am fühlbarsten die ehe¬
maligen neapolitanischen Offniere, und unter diesen wieder besonders die höher
ckargirten. die bei der neuen Organisation fast ganz unberücksichtigt blieben.
Wenn ein Theil derselben auch in das neue Heer aufgenommen wurde, so
geschah dies doch erst nach einiger Zeit, und nachdem die gleichchargirten pie-
montesischen Offiziere die Vortheile des mit der großen Heeresvcrmebrung ver¬
bundenen Avancements vorweggenommen hatten.

Dies ist der einzige Tadel Von Erheblichkeit, welchen der Verfasser unsrer
Schrift, beiläufig ein wohlunterrichteter Mann, der früher unter östreichischer
Fahne, dann in den Schaaren Garibaldis gedient hat, den Organisatoren der
italienischen Armee macht, und in den letzten Jahren, nach Consolidirung der
Verhältnisse und Beginn der Wirksamkeit einer allgemeinen Reichsvertretung,
scheint auch dieser Vorwurf weggefallen zu sein. "Wenn auch neuerdings noch
gelegentlich Unbilligkeiten gegen Einzelne vorkamen," sagt unsre Quelle, "so
wurde im Allgemeinen die Kriegstüchtigkeit des Heeres durch das Princip, von
welchem man bei Bildung des Offiziercorps ausging, nur befördert." Das
letztere besteht jetzt nur zum kleinsten Theil aus solchen, die vom gemeinen
Soldaten auf gedient haben, aber auch nicht zum größeren aus solchen, weiche
den vollen Cursus der Militärschulen durchgemacht haben, sondern die untern
Ofsizierstellen wurden der Mehrzahl nach mit Angehörigen des Mittelstandes
besetzt, welche nach einer tüchtigen technischen Ausbildung einen kurzen, aber
gründlichen militärischen Unterricht genossen hatten. Vorzüglich bei der Artillerie
giebt es eine große Anzahl von Leuten der Art, welche während des Kriegs in
Mittelitalien in die Armee traten, nach etwa einjährigen Dienst Offiziere wurden
und schon Ende 1863 zu Hauptleuten aufgerückt waren.

Zu höherem Range gelangen in dem italienischen Heere nur Zöglinge von
Kriegsschulen oder solche, welche sich einer strengen Prüfung unterziehen.
Uebrigens aber ist in Italien wie in Frankreich die Zeit genau bestimmt, welche
der Offizier in einer gewissen Stellung zubringen muß. Niemand kann vor seinem
achtzehnten Jahre Lieutenant werden. Zeder Offizier muß zwei Jahre Lieutenant,
vier Jahre Hauptmann, drei Jahre Major sein, und niemand avancirt weiter zu
einer höheren Charge, er habe denn in der unmittelbar vorhergehenden niederen
drei Jahre gedient. Ausnahmen finden nur in Kriegszeiten statt, und so ist der


Ueberzeugung, daß es das beste sei. Dagegen erregte es Unzufriedenheit, daß
man von Turin aus den übrigen Bestandtheilen des Heeres gegenüber dem
piemontesischen Elemente dadurch das Uebergewicht zu verschaffen strebte, daß
man die höheren Befehlshaberstellen nur mit ihm besetzte. Fast vier Fünftheile
der Offiziere vom Hauptmann aufwärts und beinahe alle Generale der italieni¬
schen Armee sind Piemontesen.

Diese freilich mit der größeren Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit der Piemon-
tesen einigermaßen zu entschuldigende Unbilligkeit traf am fühlbarsten die ehe¬
maligen neapolitanischen Offniere, und unter diesen wieder besonders die höher
ckargirten. die bei der neuen Organisation fast ganz unberücksichtigt blieben.
Wenn ein Theil derselben auch in das neue Heer aufgenommen wurde, so
geschah dies doch erst nach einiger Zeit, und nachdem die gleichchargirten pie-
montesischen Offiziere die Vortheile des mit der großen Heeresvcrmebrung ver¬
bundenen Avancements vorweggenommen hatten.

Dies ist der einzige Tadel Von Erheblichkeit, welchen der Verfasser unsrer
Schrift, beiläufig ein wohlunterrichteter Mann, der früher unter östreichischer
Fahne, dann in den Schaaren Garibaldis gedient hat, den Organisatoren der
italienischen Armee macht, und in den letzten Jahren, nach Consolidirung der
Verhältnisse und Beginn der Wirksamkeit einer allgemeinen Reichsvertretung,
scheint auch dieser Vorwurf weggefallen zu sein. „Wenn auch neuerdings noch
gelegentlich Unbilligkeiten gegen Einzelne vorkamen," sagt unsre Quelle, „so
wurde im Allgemeinen die Kriegstüchtigkeit des Heeres durch das Princip, von
welchem man bei Bildung des Offiziercorps ausging, nur befördert." Das
letztere besteht jetzt nur zum kleinsten Theil aus solchen, die vom gemeinen
Soldaten auf gedient haben, aber auch nicht zum größeren aus solchen, weiche
den vollen Cursus der Militärschulen durchgemacht haben, sondern die untern
Ofsizierstellen wurden der Mehrzahl nach mit Angehörigen des Mittelstandes
besetzt, welche nach einer tüchtigen technischen Ausbildung einen kurzen, aber
gründlichen militärischen Unterricht genossen hatten. Vorzüglich bei der Artillerie
giebt es eine große Anzahl von Leuten der Art, welche während des Kriegs in
Mittelitalien in die Armee traten, nach etwa einjährigen Dienst Offiziere wurden
und schon Ende 1863 zu Hauptleuten aufgerückt waren.

Zu höherem Range gelangen in dem italienischen Heere nur Zöglinge von
Kriegsschulen oder solche, welche sich einer strengen Prüfung unterziehen.
Uebrigens aber ist in Italien wie in Frankreich die Zeit genau bestimmt, welche
der Offizier in einer gewissen Stellung zubringen muß. Niemand kann vor seinem
achtzehnten Jahre Lieutenant werden. Zeder Offizier muß zwei Jahre Lieutenant,
vier Jahre Hauptmann, drei Jahre Major sein, und niemand avancirt weiter zu
einer höheren Charge, er habe denn in der unmittelbar vorhergehenden niederen
drei Jahre gedient. Ausnahmen finden nur in Kriegszeiten statt, und so ist der


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[0276] Ueberzeugung, daß es das beste sei. Dagegen erregte es Unzufriedenheit, daß man von Turin aus den übrigen Bestandtheilen des Heeres gegenüber dem piemontesischen Elemente dadurch das Uebergewicht zu verschaffen strebte, daß man die höheren Befehlshaberstellen nur mit ihm besetzte. Fast vier Fünftheile der Offiziere vom Hauptmann aufwärts und beinahe alle Generale der italieni¬ schen Armee sind Piemontesen. Diese freilich mit der größeren Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit der Piemon- tesen einigermaßen zu entschuldigende Unbilligkeit traf am fühlbarsten die ehe¬ maligen neapolitanischen Offniere, und unter diesen wieder besonders die höher ckargirten. die bei der neuen Organisation fast ganz unberücksichtigt blieben. Wenn ein Theil derselben auch in das neue Heer aufgenommen wurde, so geschah dies doch erst nach einiger Zeit, und nachdem die gleichchargirten pie- montesischen Offiziere die Vortheile des mit der großen Heeresvcrmebrung ver¬ bundenen Avancements vorweggenommen hatten. Dies ist der einzige Tadel Von Erheblichkeit, welchen der Verfasser unsrer Schrift, beiläufig ein wohlunterrichteter Mann, der früher unter östreichischer Fahne, dann in den Schaaren Garibaldis gedient hat, den Organisatoren der italienischen Armee macht, und in den letzten Jahren, nach Consolidirung der Verhältnisse und Beginn der Wirksamkeit einer allgemeinen Reichsvertretung, scheint auch dieser Vorwurf weggefallen zu sein. „Wenn auch neuerdings noch gelegentlich Unbilligkeiten gegen Einzelne vorkamen," sagt unsre Quelle, „so wurde im Allgemeinen die Kriegstüchtigkeit des Heeres durch das Princip, von welchem man bei Bildung des Offiziercorps ausging, nur befördert." Das letztere besteht jetzt nur zum kleinsten Theil aus solchen, die vom gemeinen Soldaten auf gedient haben, aber auch nicht zum größeren aus solchen, weiche den vollen Cursus der Militärschulen durchgemacht haben, sondern die untern Ofsizierstellen wurden der Mehrzahl nach mit Angehörigen des Mittelstandes besetzt, welche nach einer tüchtigen technischen Ausbildung einen kurzen, aber gründlichen militärischen Unterricht genossen hatten. Vorzüglich bei der Artillerie giebt es eine große Anzahl von Leuten der Art, welche während des Kriegs in Mittelitalien in die Armee traten, nach etwa einjährigen Dienst Offiziere wurden und schon Ende 1863 zu Hauptleuten aufgerückt waren. Zu höherem Range gelangen in dem italienischen Heere nur Zöglinge von Kriegsschulen oder solche, welche sich einer strengen Prüfung unterziehen. Uebrigens aber ist in Italien wie in Frankreich die Zeit genau bestimmt, welche der Offizier in einer gewissen Stellung zubringen muß. Niemand kann vor seinem achtzehnten Jahre Lieutenant werden. Zeder Offizier muß zwei Jahre Lieutenant, vier Jahre Hauptmann, drei Jahre Major sein, und niemand avancirt weiter zu einer höheren Charge, er habe denn in der unmittelbar vorhergehenden niederen drei Jahre gedient. Ausnahmen finden nur in Kriegszeiten statt, und so ist der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/276>, abgerufen am 01.09.2024.