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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Ueber die Allsicht vieler einflußreichen Männer, sich durch ein Bündniß mit
Frankreich der Gefahr zu entziehen, sprach sich Gneisenau in einem Aussah
dahin aus, daß Frankreich, wie alle bisherigen Verhandlungen bewiesen, unser
Bündniß gar nicht wolle. "Zweimal war Napoleon im Fall, uns fürchten zu
müssen, 1805 und 1809; so was vergiebt man nie. Beidemal haben wir
zu viel und nicht genug gethan." "Ein Verein ist nur möglich mit gewaffneter
Hand." "Eine solche Rettung gebietet Achtung und möchte allein Napoleon
geneigt' machen, mit uns ein Bündniß zu schließen." "Mag Frankreich dennoch
unser Bündniß nicht, so mögew wir noch zwei Jahre (in den Lagern und Festun¬
gen) fortdauern und dann ohne Schande, vielleicht mit Ruhm zu Grunde gehen.
Binnen zwei Jahren kann sich manches ereignen, und auf jeden Fall haben wir
dann wieder Vertrauen und Achtung gewonnen." "Was in diesem Sinne
geschehen soll, muß bald, sogleich geschehen."

So nahe hielt der König aber die Gefahr nicht und die Anzeichen zu dem
Kriege zwischen Rußland und Frankreich und die Beweise des lebhaftesten Mi߬
trauens Napoleons gegen Preußen mußten sich sehr nähern, ehe es Hardenberg
gelang, Gneisenau, den Rettungsanker in der Noth, wieder nach Berlin zu
bringen. Im Monat Juli erhielt Gneisenau die Anstellung als Staatsrath,
um, durch seine militärische Berufung nicht den Verdacht der Franzosen zu
erregen. Er trat unmittelbar unter Hardenberg und wurde dessen militärischer
Rathgeber, ein Verhältniß, das in der Gamaligen Zeit von der höchsten Bedeu¬
tung war und Hardenberg befähigte, seine Schritte mit der wuklichen militä¬
rischen Leistungsfähigkeit des Staates in Harmonie zu erhalten. Hardenberg
und Gneisenau hatten die Ueberzeugung, daß der Sturm jeden Augenblick aus¬
brechen und den König nebst seiner Familie gleich den spanischen Bourbons
vernichten tourne. Alle Pläne, welche Gneisenau nunmehr zur Vertheidigung
des Landes entwarf, trugen den Stempel des Verzweiflungskampfes. Gneisenau
richtete seine Entwürfe einerseits auf den geordneten Kampf der Armee und
schlug vor, dieselbe auf drei Punkten in verschanzten Lagern, bei Kolberg, Spandau
und Glatz zu sammeln und von hier aus möglichst offensiv zu verfahren. Andrer¬
seits sollte ein Volk'sa.ufstand über das ganze Land organisirt werden, der dem
Feinde in allen Verhältnissen Abbruch thun und an geordneten und unaus¬
gesetzten Handlungen gegen die Armee hindern sollte. Gneisenau legte die
betreffenden Memoires, die er hierüber verfaßte, dem König mit einem Gedicht
vor, dessen zweiter Vers also lautet:

"Laß den Schwankung angstvoll zagen!
Wer um Hohes kämpft, muß wagen;
Leben gilt es oder Tod.
Laß die Wogen donnernd branden,
Nur bleib immer, magst du landen
Oder scheitern, selbst Pilvr."

Ueber die Allsicht vieler einflußreichen Männer, sich durch ein Bündniß mit
Frankreich der Gefahr zu entziehen, sprach sich Gneisenau in einem Aussah
dahin aus, daß Frankreich, wie alle bisherigen Verhandlungen bewiesen, unser
Bündniß gar nicht wolle. „Zweimal war Napoleon im Fall, uns fürchten zu
müssen, 1805 und 1809; so was vergiebt man nie. Beidemal haben wir
zu viel und nicht genug gethan." „Ein Verein ist nur möglich mit gewaffneter
Hand." „Eine solche Rettung gebietet Achtung und möchte allein Napoleon
geneigt' machen, mit uns ein Bündniß zu schließen." „Mag Frankreich dennoch
unser Bündniß nicht, so mögew wir noch zwei Jahre (in den Lagern und Festun¬
gen) fortdauern und dann ohne Schande, vielleicht mit Ruhm zu Grunde gehen.
Binnen zwei Jahren kann sich manches ereignen, und auf jeden Fall haben wir
dann wieder Vertrauen und Achtung gewonnen." „Was in diesem Sinne
geschehen soll, muß bald, sogleich geschehen."

So nahe hielt der König aber die Gefahr nicht und die Anzeichen zu dem
Kriege zwischen Rußland und Frankreich und die Beweise des lebhaftesten Mi߬
trauens Napoleons gegen Preußen mußten sich sehr nähern, ehe es Hardenberg
gelang, Gneisenau, den Rettungsanker in der Noth, wieder nach Berlin zu
bringen. Im Monat Juli erhielt Gneisenau die Anstellung als Staatsrath,
um, durch seine militärische Berufung nicht den Verdacht der Franzosen zu
erregen. Er trat unmittelbar unter Hardenberg und wurde dessen militärischer
Rathgeber, ein Verhältniß, das in der Gamaligen Zeit von der höchsten Bedeu¬
tung war und Hardenberg befähigte, seine Schritte mit der wuklichen militä¬
rischen Leistungsfähigkeit des Staates in Harmonie zu erhalten. Hardenberg
und Gneisenau hatten die Ueberzeugung, daß der Sturm jeden Augenblick aus¬
brechen und den König nebst seiner Familie gleich den spanischen Bourbons
vernichten tourne. Alle Pläne, welche Gneisenau nunmehr zur Vertheidigung
des Landes entwarf, trugen den Stempel des Verzweiflungskampfes. Gneisenau
richtete seine Entwürfe einerseits auf den geordneten Kampf der Armee und
schlug vor, dieselbe auf drei Punkten in verschanzten Lagern, bei Kolberg, Spandau
und Glatz zu sammeln und von hier aus möglichst offensiv zu verfahren. Andrer¬
seits sollte ein Volk'sa.ufstand über das ganze Land organisirt werden, der dem
Feinde in allen Verhältnissen Abbruch thun und an geordneten und unaus¬
gesetzten Handlungen gegen die Armee hindern sollte. Gneisenau legte die
betreffenden Memoires, die er hierüber verfaßte, dem König mit einem Gedicht
vor, dessen zweiter Vers also lautet:

„Laß den Schwankung angstvoll zagen!
Wer um Hohes kämpft, muß wagen;
Leben gilt es oder Tod.
Laß die Wogen donnernd branden,
Nur bleib immer, magst du landen
Oder scheitern, selbst Pilvr."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/254>, abgerufen am 28.07.2024.