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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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brüsten und andern Waffen herumzuschweifen, verlarvt und in Bauernkleider
vermummt zu gehen (was auch andre Universitäten. z. B. Ingolstadt. in dieser
Zeit verbieten, und was besonders in der Fastnacht üblich war), Geschrei "wie
die Waldesel" auszustoßen, ungewohnte Lieder zu singen und Bürger mit Wort
oder That zu beleidigen. Dann heißt es. die srippositÄ der Universität sollen
sich enthalten, die Schuhmacher, wenn sie das sogenannte "Hallische Licht"
(I^uirikll RgUsvse), einen Fackelzug mit Tanz, feiern, zu stören, und während
der Festlichkeit zu Hause bleiben. Sie sollen sodann die Kerzenprozession der
Magisteriums-Candidaten nicht durch Gebrüll unterbrechen, die Gäste des ?ran-
Ziuw ^riswtelis (Magisterschmaus) und der Vssperiag (die Disputation und
letzte Prüfung zur Erlangung des theologischen Doctorats, worauf ein Mahl
und Tags nachher die aula, d. h. die feierliche Uebergabe des Barets in der
Nikolaikirche folgte) nicht molestiren und turbiren, die dabei aufwartenden Diener
beim Herzutragen der Speisen und Getränke nicht anfallen und ihnen nichts
aus den Händen reißen, sondern in ihren Bursen bleiben.

Aus andern Mandaten geht hervor, daß die Studenten den heimkehrenden
Ausstudirten oder Weggewiesenen mit Waffen und verlarvt das Geleit (später
Comitat) gaben und daß sie dabei "furchtbar brüllten und unanständige Lieder
sangen;" daß sie ferner "mit Laien an öffentlichen Orten, vorzüglich hinter der
Johanniskirche, Schauspiele für Geld aufführten und liederliche Weibsbilder
dazu mitnahmen; daß sie "ohne gegründete Ursache ins Schloß" gingen, "wo
die erlauchten Herzöge zu Sachsen residiren", und dessen Wände beschrieben,
bemalten oder sonst verunstalteten, die Dienerschaft der Fürsten verspotteten und
beleidigten (bei zehn Gulden Strafe oder Relegation verboten) und die Vasallen
der Herzöge sowie die Nachtwächter in den Straßen, Vorstädten und Dörfern
mit Geschrei und Waffen anliefen.

Wieder aus andern Verordnungen ist zu schließen, daß die wilden Burschen
ihre abendlich disputircnden fleißigem Commilitonen durch Zurufe, Gelächter.
Gemurmel und schlechte Witze unterbrachen, daß sie bei solchen Gelegenheiten
sich langweilten und deshalb vor Schluß des Exercitiums sich wegschlichen, daß
sie Excludirten und Relegirten heimlich Unterkunft gewährten, was wiederholt
untersagt werden muß.

Selbst die Grubenräumer hatten vor dem Uebermuth und der Necklust
der Studenten nicht Ruhe; denn wir finden ein Verbot, dieselben zu sudeln
und zu mißhandeln. Einmal deutet unsre Actcnsammlung auch auf ein Vor-
kommniß, wo Studenten den Henker an Vollziehung seines Amts hinderten,
ihn, als er es ungeschickt versah, schlugen, warfen und verwundeten und den
Delinquenten, als er zu entwischen versuchte, vertheidigten und bei sich auf¬
nahmen.

Nicht weniger als viermal wiederholt sich das Verbot des Waffentragens


brüsten und andern Waffen herumzuschweifen, verlarvt und in Bauernkleider
vermummt zu gehen (was auch andre Universitäten. z. B. Ingolstadt. in dieser
Zeit verbieten, und was besonders in der Fastnacht üblich war), Geschrei „wie
die Waldesel" auszustoßen, ungewohnte Lieder zu singen und Bürger mit Wort
oder That zu beleidigen. Dann heißt es. die srippositÄ der Universität sollen
sich enthalten, die Schuhmacher, wenn sie das sogenannte „Hallische Licht"
(I^uirikll RgUsvse), einen Fackelzug mit Tanz, feiern, zu stören, und während
der Festlichkeit zu Hause bleiben. Sie sollen sodann die Kerzenprozession der
Magisteriums-Candidaten nicht durch Gebrüll unterbrechen, die Gäste des ?ran-
Ziuw ^riswtelis (Magisterschmaus) und der Vssperiag (die Disputation und
letzte Prüfung zur Erlangung des theologischen Doctorats, worauf ein Mahl
und Tags nachher die aula, d. h. die feierliche Uebergabe des Barets in der
Nikolaikirche folgte) nicht molestiren und turbiren, die dabei aufwartenden Diener
beim Herzutragen der Speisen und Getränke nicht anfallen und ihnen nichts
aus den Händen reißen, sondern in ihren Bursen bleiben.

Aus andern Mandaten geht hervor, daß die Studenten den heimkehrenden
Ausstudirten oder Weggewiesenen mit Waffen und verlarvt das Geleit (später
Comitat) gaben und daß sie dabei „furchtbar brüllten und unanständige Lieder
sangen;" daß sie ferner „mit Laien an öffentlichen Orten, vorzüglich hinter der
Johanniskirche, Schauspiele für Geld aufführten und liederliche Weibsbilder
dazu mitnahmen; daß sie „ohne gegründete Ursache ins Schloß" gingen, „wo
die erlauchten Herzöge zu Sachsen residiren", und dessen Wände beschrieben,
bemalten oder sonst verunstalteten, die Dienerschaft der Fürsten verspotteten und
beleidigten (bei zehn Gulden Strafe oder Relegation verboten) und die Vasallen
der Herzöge sowie die Nachtwächter in den Straßen, Vorstädten und Dörfern
mit Geschrei und Waffen anliefen.

Wieder aus andern Verordnungen ist zu schließen, daß die wilden Burschen
ihre abendlich disputircnden fleißigem Commilitonen durch Zurufe, Gelächter.
Gemurmel und schlechte Witze unterbrachen, daß sie bei solchen Gelegenheiten
sich langweilten und deshalb vor Schluß des Exercitiums sich wegschlichen, daß
sie Excludirten und Relegirten heimlich Unterkunft gewährten, was wiederholt
untersagt werden muß.

Selbst die Grubenräumer hatten vor dem Uebermuth und der Necklust
der Studenten nicht Ruhe; denn wir finden ein Verbot, dieselben zu sudeln
und zu mißhandeln. Einmal deutet unsre Actcnsammlung auch auf ein Vor-
kommniß, wo Studenten den Henker an Vollziehung seines Amts hinderten,
ihn, als er es ungeschickt versah, schlugen, warfen und verwundeten und den
Delinquenten, als er zu entwischen versuchte, vertheidigten und bei sich auf¬
nahmen.

Nicht weniger als viermal wiederholt sich das Verbot des Waffentragens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/242>, abgerufen am 28.07.2024.