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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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und losen Gesellen hätten dann ihre Herberge. Ebenso stünde es mit den
Bursen der Bürger Henrici, Solis und Hummelshayn. Dann folgen in diesem
dem leider tormularis entnommenen Actenstück als weitere Klagen gegen den
Rath Hinweise auf die Lässigkeit desselben in der Bestrafung der Bürger, welche
Studenten beleidigt, auf ungerechtfertigte Verhaftungen der letzteren durch Stadt¬
diener und Nachtwächter, auf Mord und Todtschlag an Studirenden verübt
und Gewaltthat gegen die Collegien und Bursen. Bürger haben z. B. die
Wohnung von Studenten bei Sanct Peter gestürmt, die Insassen mit Gewalt
ins Gefängniß geschleppt, ihnen ihr Geld und Geräth weggenommen oder
spolirt, ohne daß Genugthuung dafür zu erlangen gewesen. Ein armer Stu¬
dent, des Baders Sohn in Zeitz, ist am grimmaischen Thor ermordet worden
und der Thäter, der in des Seilers Hause vor dem Thore gewesen, unbestraft
davon gegangen. Stadtdiener haben Studenten des Nachts in die Meißner-
burse gejagt und die Schließung derselben mit Schwertern und Spießen gehin¬
dert, wofür ebenfalls die Genugthuung noch zu erwarten. Die Schaarwache
ist am hellen lichten Tage nach dem großen Magisterschmause in die Burse
Solis mit bewaffneter Hand eingebrochen wider die Privilegien der Universität
und die Bestimmung des Fürsten. Stadtdiener haben endlich mit Pfeilen in
das Fürstencollegium und andere "befreite Stätten" geschossen, und der Rath
hat das nicht geahndet.

Die Studenten hatten es ohne Zweifel arg getrieben und die Bürger durch
allerlei Frevel und Neckerei um so mehr erbittert, als sie sich dem Rechte nach
bei Verübung von Gewaltthätigkeiten und Störungen der städtischen Ordnung
nur auf Universitätsgebiet, in die "befreiten Stätten" ihrer Collegien und Bursen
zu flüchten brauchten, um der gebührenden Strafe zu entgehen. Gewiß schlug
auch der Bürger damals rascher und gröber als jetzt zu, wenn der Uebermuth
der Studenten sich an ihm mit Wort oder That vergriff, und zweifelsohne ge¬
brauchte der Häscher und Nachtwächter eines hochlöblichen Rathes seine Helle"
harte und seinen Wurfstock im Amtseifer bisweilen mehr als nöthig war. Aber
hören wir das I^hör tormularis vom Jahre 1495 noch aus einen Augenblick,
und wir werden finden, daß die leipziger Studentenschaft von damals, die wir
uns als zum Theil aus viel herumgekommenen und dabei stark verlotterten
Gesellen voll wüster Einfälle, dreister Manieren und unsauberer Sitten zusammen¬
gesetzt vorzustellen haben, auch der Universitätsbehörde viel Noth machte und
der Stadt wie ein Pfahl im Fleische vorkommen mußte.

In der genannten Actensammlung wird verboten, in den Gärten, Aeckern
und Wäldern der Einwohner irgendetwas abzureißen, zu zertreten oder zu ent¬
wenden, im Rosenthal und Thiergarten das Wild zu Hetzen, in den Gewässern,
namentlich im Flusse hinter dem Schlosse, zu fischen oder zu baden. Ferner ist
untersagt, des Nachts mit Schwertern, Dolchen, Spießen, Erzkugeln, Arm-


und losen Gesellen hätten dann ihre Herberge. Ebenso stünde es mit den
Bursen der Bürger Henrici, Solis und Hummelshayn. Dann folgen in diesem
dem leider tormularis entnommenen Actenstück als weitere Klagen gegen den
Rath Hinweise auf die Lässigkeit desselben in der Bestrafung der Bürger, welche
Studenten beleidigt, auf ungerechtfertigte Verhaftungen der letzteren durch Stadt¬
diener und Nachtwächter, auf Mord und Todtschlag an Studirenden verübt
und Gewaltthat gegen die Collegien und Bursen. Bürger haben z. B. die
Wohnung von Studenten bei Sanct Peter gestürmt, die Insassen mit Gewalt
ins Gefängniß geschleppt, ihnen ihr Geld und Geräth weggenommen oder
spolirt, ohne daß Genugthuung dafür zu erlangen gewesen. Ein armer Stu¬
dent, des Baders Sohn in Zeitz, ist am grimmaischen Thor ermordet worden
und der Thäter, der in des Seilers Hause vor dem Thore gewesen, unbestraft
davon gegangen. Stadtdiener haben Studenten des Nachts in die Meißner-
burse gejagt und die Schließung derselben mit Schwertern und Spießen gehin¬
dert, wofür ebenfalls die Genugthuung noch zu erwarten. Die Schaarwache
ist am hellen lichten Tage nach dem großen Magisterschmause in die Burse
Solis mit bewaffneter Hand eingebrochen wider die Privilegien der Universität
und die Bestimmung des Fürsten. Stadtdiener haben endlich mit Pfeilen in
das Fürstencollegium und andere „befreite Stätten" geschossen, und der Rath
hat das nicht geahndet.

Die Studenten hatten es ohne Zweifel arg getrieben und die Bürger durch
allerlei Frevel und Neckerei um so mehr erbittert, als sie sich dem Rechte nach
bei Verübung von Gewaltthätigkeiten und Störungen der städtischen Ordnung
nur auf Universitätsgebiet, in die „befreiten Stätten" ihrer Collegien und Bursen
zu flüchten brauchten, um der gebührenden Strafe zu entgehen. Gewiß schlug
auch der Bürger damals rascher und gröber als jetzt zu, wenn der Uebermuth
der Studenten sich an ihm mit Wort oder That vergriff, und zweifelsohne ge¬
brauchte der Häscher und Nachtwächter eines hochlöblichen Rathes seine Helle«
harte und seinen Wurfstock im Amtseifer bisweilen mehr als nöthig war. Aber
hören wir das I^hör tormularis vom Jahre 1495 noch aus einen Augenblick,
und wir werden finden, daß die leipziger Studentenschaft von damals, die wir
uns als zum Theil aus viel herumgekommenen und dabei stark verlotterten
Gesellen voll wüster Einfälle, dreister Manieren und unsauberer Sitten zusammen¬
gesetzt vorzustellen haben, auch der Universitätsbehörde viel Noth machte und
der Stadt wie ein Pfahl im Fleische vorkommen mußte.

In der genannten Actensammlung wird verboten, in den Gärten, Aeckern
und Wäldern der Einwohner irgendetwas abzureißen, zu zertreten oder zu ent¬
wenden, im Rosenthal und Thiergarten das Wild zu Hetzen, in den Gewässern,
namentlich im Flusse hinter dem Schlosse, zu fischen oder zu baden. Ferner ist
untersagt, des Nachts mit Schwertern, Dolchen, Spießen, Erzkugeln, Arm-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/241>, abgerufen am 28.07.2024.