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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Stadtgefängniß gebracht, nicht gleich der sie reclamirenden akademischen Behörde
ausgeliefert wurden, so rotteten sich die Commilitonen zusammen und erregten
den ärgsten Tumult.

Aehnlich, bisweilen schlimmer, trieb man es an andern Universitäten. Die
Statuten von Ingolstadt verbieten alles Spielen um Geld. War bei einem
Spiel über zehn Pfennige gewonnen worden, doch unter einem halben Gulden*),
so wurden die Spieler um 60 Schillinge gestraft. Wer mehr gewann oder
verlor, bekam Kärzer, wer das Spiel als Gewerbe betrieb, wurde relegirt. In
der "Ordnung der Wachthuet" für Ingolstadt im Jahre 1508 heißt es: "Item
die Conventoren sollen ihre Bursen von der Stunde an, die man Avemaria
nennt, für die Nacht zuschließen und alle Nächte fleißig Visitiren, und die Stu¬
denten durch die Gastgeber. Weinschenken, Bürger oder jemand anderen nicht
behalten, beherbergt, noch bei ihnen eingelassen werden. Auch sollen sie ihnen
weder Spielen und Karten noch eine Versammlung gestatten, auch ihnen keinen
Harnisch, Wehre oder andere Waffen leihen." Im Jahre 1479 kam es hier
zwischen zwei Studenten, Hohenburger und Tods, bei einem Gelage zum
Streite, in welchem jener diesen auf der Stelle niederstach. Zwei Jahre darauf
fiel ebendaselbst der Student Schübl einen andern Namens Pfragner auf offner
Straße mit Waffen an, wurde aber von diesem so übel zugerichtet, daß er nach
einigen Tagen starb. Im Jahre 1487 erregten die Studenten von Ingolstadt.
um einige Commilitonen zu befreien, die wegen nächtlicher Besuche bei Zofen
in der dortigen Burg ins Kärzer gekommen waren, einen gewaltigen Aufruhr,
bei dem sie den Senat förmlich in seinem Berathungszimmer belagerten.

Eine besonders reiche Quelle für die Sittengeschichte des deutschen Studen¬
ten im letzten Jahrhundert des Mittelalters ist das Archiv der leipziger Univer¬
sität, das uns durch Zarnckes Urkundenbuch**) zugänglich gemacht worden ist.
Im Folgenden eine Blumenlese daraus.

Ein Statut von 1412 besagt: Wer von den Studenten (suxxositg,) mit
einer Armbrust, einem Schwert odereiner andern Waffe betroffen wird, verliert
dieselbe und zahlt einen halben Gulden Strafe. Ebenso ist nächtliches Herum-
treiben post xulsum oampavas praetorii in der Stadt oder den Vorstädten.
Lärm machen und Anzünden von Feuern untersagt. Desgleichen Würfelspiel
in Wirthshäusern bei Strafe von einem Gulden für das erste, zwei Gulden
für das zweite und drei für das dritte Mal; weitere Fälle sind mit Ausschluß
der Zuwiderhandelnden aus der akademischen Gemeinde bedroht. Wer bei dem
Spiel libsrum korum (Freimarke?) ertappt wird, gleichviel ob als Theilnehmer
°der blos als Zuschauer, zahlt "unam bursara" (einen Wochenbeitrag für den




*) Dolch nach Mederers ^.rwalss logolstaäiiziises (Ingolstadt 1782)-
. ") Die Statutenbüchec der leipziger Universität aus den ersten 150 Jahren ihres Be-
stehen", Leipzig, Hirzel. 1361.
Grenzboten II. 18KK. 28

Stadtgefängniß gebracht, nicht gleich der sie reclamirenden akademischen Behörde
ausgeliefert wurden, so rotteten sich die Commilitonen zusammen und erregten
den ärgsten Tumult.

Aehnlich, bisweilen schlimmer, trieb man es an andern Universitäten. Die
Statuten von Ingolstadt verbieten alles Spielen um Geld. War bei einem
Spiel über zehn Pfennige gewonnen worden, doch unter einem halben Gulden*),
so wurden die Spieler um 60 Schillinge gestraft. Wer mehr gewann oder
verlor, bekam Kärzer, wer das Spiel als Gewerbe betrieb, wurde relegirt. In
der „Ordnung der Wachthuet" für Ingolstadt im Jahre 1508 heißt es: „Item
die Conventoren sollen ihre Bursen von der Stunde an, die man Avemaria
nennt, für die Nacht zuschließen und alle Nächte fleißig Visitiren, und die Stu¬
denten durch die Gastgeber. Weinschenken, Bürger oder jemand anderen nicht
behalten, beherbergt, noch bei ihnen eingelassen werden. Auch sollen sie ihnen
weder Spielen und Karten noch eine Versammlung gestatten, auch ihnen keinen
Harnisch, Wehre oder andere Waffen leihen." Im Jahre 1479 kam es hier
zwischen zwei Studenten, Hohenburger und Tods, bei einem Gelage zum
Streite, in welchem jener diesen auf der Stelle niederstach. Zwei Jahre darauf
fiel ebendaselbst der Student Schübl einen andern Namens Pfragner auf offner
Straße mit Waffen an, wurde aber von diesem so übel zugerichtet, daß er nach
einigen Tagen starb. Im Jahre 1487 erregten die Studenten von Ingolstadt.
um einige Commilitonen zu befreien, die wegen nächtlicher Besuche bei Zofen
in der dortigen Burg ins Kärzer gekommen waren, einen gewaltigen Aufruhr,
bei dem sie den Senat förmlich in seinem Berathungszimmer belagerten.

Eine besonders reiche Quelle für die Sittengeschichte des deutschen Studen¬
ten im letzten Jahrhundert des Mittelalters ist das Archiv der leipziger Univer¬
sität, das uns durch Zarnckes Urkundenbuch**) zugänglich gemacht worden ist.
Im Folgenden eine Blumenlese daraus.

Ein Statut von 1412 besagt: Wer von den Studenten (suxxositg,) mit
einer Armbrust, einem Schwert odereiner andern Waffe betroffen wird, verliert
dieselbe und zahlt einen halben Gulden Strafe. Ebenso ist nächtliches Herum-
treiben post xulsum oampavas praetorii in der Stadt oder den Vorstädten.
Lärm machen und Anzünden von Feuern untersagt. Desgleichen Würfelspiel
in Wirthshäusern bei Strafe von einem Gulden für das erste, zwei Gulden
für das zweite und drei für das dritte Mal; weitere Fälle sind mit Ausschluß
der Zuwiderhandelnden aus der akademischen Gemeinde bedroht. Wer bei dem
Spiel libsrum korum (Freimarke?) ertappt wird, gleichviel ob als Theilnehmer
°der blos als Zuschauer, zahlt „unam bursara" (einen Wochenbeitrag für den




*) Dolch nach Mederers ^.rwalss logolstaäiiziises (Ingolstadt 1782)-
. ") Die Statutenbüchec der leipziger Universität aus den ersten 150 Jahren ihres Be-
stehen«, Leipzig, Hirzel. 1361.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/237>, abgerufen am 01.09.2024.