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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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die Burse Abends bei Zeiten (in Leipzig noch verschiedenen Verordnungen
Sommers um 10, Winters um 9 Uhr) geschlossen, jedes Uebernachten außer¬
halb derselben, jedes Glücksspiel, jeder Unfug und jede Gewaltthat innerhalb
der Anstalt streng geahndet werden.

Das sieht wie ziemlich starker Zwang aus. Doch blieb es nachweislich in
vielen Fällen, wenigstens zeitweise, bei der bloßen Vorschrift. Der Adel kehrte
sich gewiß nicht an sie oder erlangte doch sicher sehr leicht das signee des
Rectors, welches nach einer Bestimmung von 1432 in Leipzig Privatwohnungen
zu nehmen gestattete. Und in den Bursen, welche nicht mit den Collegien ver¬
bunden waren, wird schon in sehr früher Zeit die Concurrenz der Unternehmer
letztere darauf hingewiesen haben, durch die Finger zu sehen und selbst die
gröbsten Verstöße unbeachtet zu lassen. Machte man doch förmlich Jagd auf
die eintreffenden Beane, und war es doch jedenfalls eine wirksamere Empfehlung
bei den wohlhabenden Von diesen, wenn ihnen von Heinrich Hummelshayns
Burse in Leipzig oder von der Burse zur Himmelspforte in Rostock gesagt wurde,
es gehe da frei und lustig zu, als wenn man sich mit dem würdevollen Hin¬
weis daraus hatte rccommandiren wollen, daß dort strenge Diät und Clausur
herrsche.

Maßregeln gegen schlechte Zucht in diesen Instituten, wie das Statut von
1470, nach welchem der leipziger Rector verpflichtet war, binnen zwei Monaten
nach seiner Erwählung die Collegien und Bursen zu inspiciren und die Jn-
quilinen zu befragen, ob sie Vorlesungen hörten und welche, werden an diesen
Verhältnissen wenig geändert haben. Wer Geld hatte, konnte sich gütlich thun
und hatte Gelegenheit, nach der Sitte der Zeit weidlich zu zechen. Wer zu
schwärmen liebte, fand den Hausschlüssel. Unfleiß und Liederlichkeit florirten
in den Bursen. so oft auch Verbote und Straferlasse dagegen ergingen. Das
Kollegium Illustre zu Tübingen nannte man*) gradezu eine "Wohnung des Lasters
und des Müßiggangs", und wie verrufen gegen das Ende des Mittelalters die
Burse war, welche dem leipziger Rathe gehörte, werden wir später sehen.

Wie diese Studentenkasernen weder Muster der Tugend und der Ordnung
Waren, so war es auch mit der Reinlichkeit in ihnen schlecht bestellt, und nicht
weniger übel scheint es bisweilen in ihnen mit der Verpflegung von Seiten des
Küchendepartements gestanden zu haben. Eine allgemeine Studcntenregcl war:
"Geh nit zu armen Burschen zu Gast, wenn Du Dein Speis nit bei Dir
hast", und ein plattdeutscher Reim sagte: "Unse Burse hefft düsse sete. de wat
"en will, de bringe wat mete." Das Menu in den leipziger Bursen endlich
">cire nach den Briefen der Dunkelmänner das ganze Jahr hindurch folgendes
gewesen: 1) Das Gericht Lemxer, zu deutsch Grütze, 2) die Schüssel Loirtillus.



'> Vgl. Klüpfels Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen, S. 109.

die Burse Abends bei Zeiten (in Leipzig noch verschiedenen Verordnungen
Sommers um 10, Winters um 9 Uhr) geschlossen, jedes Uebernachten außer¬
halb derselben, jedes Glücksspiel, jeder Unfug und jede Gewaltthat innerhalb
der Anstalt streng geahndet werden.

Das sieht wie ziemlich starker Zwang aus. Doch blieb es nachweislich in
vielen Fällen, wenigstens zeitweise, bei der bloßen Vorschrift. Der Adel kehrte
sich gewiß nicht an sie oder erlangte doch sicher sehr leicht das signee des
Rectors, welches nach einer Bestimmung von 1432 in Leipzig Privatwohnungen
zu nehmen gestattete. Und in den Bursen, welche nicht mit den Collegien ver¬
bunden waren, wird schon in sehr früher Zeit die Concurrenz der Unternehmer
letztere darauf hingewiesen haben, durch die Finger zu sehen und selbst die
gröbsten Verstöße unbeachtet zu lassen. Machte man doch förmlich Jagd auf
die eintreffenden Beane, und war es doch jedenfalls eine wirksamere Empfehlung
bei den wohlhabenden Von diesen, wenn ihnen von Heinrich Hummelshayns
Burse in Leipzig oder von der Burse zur Himmelspforte in Rostock gesagt wurde,
es gehe da frei und lustig zu, als wenn man sich mit dem würdevollen Hin¬
weis daraus hatte rccommandiren wollen, daß dort strenge Diät und Clausur
herrsche.

Maßregeln gegen schlechte Zucht in diesen Instituten, wie das Statut von
1470, nach welchem der leipziger Rector verpflichtet war, binnen zwei Monaten
nach seiner Erwählung die Collegien und Bursen zu inspiciren und die Jn-
quilinen zu befragen, ob sie Vorlesungen hörten und welche, werden an diesen
Verhältnissen wenig geändert haben. Wer Geld hatte, konnte sich gütlich thun
und hatte Gelegenheit, nach der Sitte der Zeit weidlich zu zechen. Wer zu
schwärmen liebte, fand den Hausschlüssel. Unfleiß und Liederlichkeit florirten
in den Bursen. so oft auch Verbote und Straferlasse dagegen ergingen. Das
Kollegium Illustre zu Tübingen nannte man*) gradezu eine „Wohnung des Lasters
und des Müßiggangs", und wie verrufen gegen das Ende des Mittelalters die
Burse war, welche dem leipziger Rathe gehörte, werden wir später sehen.

Wie diese Studentenkasernen weder Muster der Tugend und der Ordnung
Waren, so war es auch mit der Reinlichkeit in ihnen schlecht bestellt, und nicht
weniger übel scheint es bisweilen in ihnen mit der Verpflegung von Seiten des
Küchendepartements gestanden zu haben. Eine allgemeine Studcntenregcl war:
»Geh nit zu armen Burschen zu Gast, wenn Du Dein Speis nit bei Dir
hast", und ein plattdeutscher Reim sagte: „Unse Burse hefft düsse sete. de wat
"en will, de bringe wat mete." Das Menu in den leipziger Bursen endlich
">cire nach den Briefen der Dunkelmänner das ganze Jahr hindurch folgendes
gewesen: 1) Das Gericht Lemxer, zu deutsch Grütze, 2) die Schüssel Loirtillus.



'> Vgl. Klüpfels Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen, S. 109.
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[0233] die Burse Abends bei Zeiten (in Leipzig noch verschiedenen Verordnungen Sommers um 10, Winters um 9 Uhr) geschlossen, jedes Uebernachten außer¬ halb derselben, jedes Glücksspiel, jeder Unfug und jede Gewaltthat innerhalb der Anstalt streng geahndet werden. Das sieht wie ziemlich starker Zwang aus. Doch blieb es nachweislich in vielen Fällen, wenigstens zeitweise, bei der bloßen Vorschrift. Der Adel kehrte sich gewiß nicht an sie oder erlangte doch sicher sehr leicht das signee des Rectors, welches nach einer Bestimmung von 1432 in Leipzig Privatwohnungen zu nehmen gestattete. Und in den Bursen, welche nicht mit den Collegien ver¬ bunden waren, wird schon in sehr früher Zeit die Concurrenz der Unternehmer letztere darauf hingewiesen haben, durch die Finger zu sehen und selbst die gröbsten Verstöße unbeachtet zu lassen. Machte man doch förmlich Jagd auf die eintreffenden Beane, und war es doch jedenfalls eine wirksamere Empfehlung bei den wohlhabenden Von diesen, wenn ihnen von Heinrich Hummelshayns Burse in Leipzig oder von der Burse zur Himmelspforte in Rostock gesagt wurde, es gehe da frei und lustig zu, als wenn man sich mit dem würdevollen Hin¬ weis daraus hatte rccommandiren wollen, daß dort strenge Diät und Clausur herrsche. Maßregeln gegen schlechte Zucht in diesen Instituten, wie das Statut von 1470, nach welchem der leipziger Rector verpflichtet war, binnen zwei Monaten nach seiner Erwählung die Collegien und Bursen zu inspiciren und die Jn- quilinen zu befragen, ob sie Vorlesungen hörten und welche, werden an diesen Verhältnissen wenig geändert haben. Wer Geld hatte, konnte sich gütlich thun und hatte Gelegenheit, nach der Sitte der Zeit weidlich zu zechen. Wer zu schwärmen liebte, fand den Hausschlüssel. Unfleiß und Liederlichkeit florirten in den Bursen. so oft auch Verbote und Straferlasse dagegen ergingen. Das Kollegium Illustre zu Tübingen nannte man*) gradezu eine „Wohnung des Lasters und des Müßiggangs", und wie verrufen gegen das Ende des Mittelalters die Burse war, welche dem leipziger Rathe gehörte, werden wir später sehen. Wie diese Studentenkasernen weder Muster der Tugend und der Ordnung Waren, so war es auch mit der Reinlichkeit in ihnen schlecht bestellt, und nicht weniger übel scheint es bisweilen in ihnen mit der Verpflegung von Seiten des Küchendepartements gestanden zu haben. Eine allgemeine Studcntenregcl war: »Geh nit zu armen Burschen zu Gast, wenn Du Dein Speis nit bei Dir hast", und ein plattdeutscher Reim sagte: „Unse Burse hefft düsse sete. de wat "en will, de bringe wat mete." Das Menu in den leipziger Bursen endlich ">cire nach den Briefen der Dunkelmänner das ganze Jahr hindurch folgendes gewesen: 1) Das Gericht Lemxer, zu deutsch Grütze, 2) die Schüssel Loirtillus. '> Vgl. Klüpfels Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen, S. 109.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/233>, abgerufen am 28.07.2024.