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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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und später, wenn seine Wünsche nach einer höheren Sprosse auf der Leiter der
akademischen Würden und Rechte gingen, sich zum Magister Artium promoviren
ließ. Wer sich einer oder mehren der drei Fachwissenschaften widmete (sehr
häufig trifft man Magister, die zugleich Doctoren der Rechte und der Medicin
waren), studirte immer zuerst einige Zeit die artes liberales und ersetzte so
einigermaßen oder auch nach damaliger Möglichkeit vollständig die ihm Anfangs
mangelnde gelehrte Vorbildung. Nicht selten sind im Mittelalter Beispiele von
sehr bejahrten Studenten, und es gab schwerbegrcifende, aber zugleich seßhafte
Naturen, die sich mit dem Aristoteles und seinen Glossatoren zwanzig, ja dreißig
Jahre lang abmühten und eher graue Haare als das Magisterbaret gewannen.

Die Liste, in die sich die Theilnehmer an einer Vorlesung einzutragen
hatten, diente dem betreffenden Professor später bei Eintreibung des Honorars
als Schuldverschreibung. Jeder Zuhörer, der letzteres dem Taxator erlegt, wurde
in ein Verzeichniß eingetragen, welches die Docenten, wenn sie die zur Erlan¬
gung des Baccalaureats erforderlichen Testate (reeoMitiones) aufstellten, zu
Grunde legten.

Seine Wohnung hatte der Student auf den meisten Universitäten vom
vierzehnten Jahrhundert an bis in die ersten Jahre des sechszehnten hinein in
einer Burse zu nehmen, wo er unter Aufsicht stehen und zu fleißigem Arbeiten
sowie zu stetem Lateinsprechcn angehalten sein sollte. Diese Studentenherbergen,
in den leipziger Statuten bereits 1412 erwähnt, waren verschiedener Art. Theils
glichen sie, mit einem der Kollegien verbunden, den Alumnaten unsrer Gymnasien,
wo dann die Insassen ganz oder theilweise freie Wohnung und Beköstigung ge¬
nossen. Theils, und zwar vermuthlich häufiger, waren die Bursen Privatunter¬
nehmungen von älteren Universttätsangchörigen. vom Rector approbirt und
gelegentlich inspicirt. und später auch Etablissements von Bürgern der betreffen¬
den Stadt, die aus der Beherbergung und Speisung von Studirenden ein Ge¬
schäft machten und dazu von der Universitätsbehörde concessionirt waren.
Endlich hatten da, wo Nationen bestanden, diese ihre eignen Bursen. Beispiele
von solchen sind in Leipzig um 1474 die Sachsenburse, um 1494 die Meißner-
burse; Beispiele von Anstalten der Art, die leipziger Bürgern gehörten, im
letztgenannten Jahr die Bursen Solis, Henrici und Hummelshayn.

Jede Burse hatte ihren Aufseher, der in Leipzig Conventor, in Ingolstadt
auch Rector hieß, und dem man beim Eintritt Gehorsam zu geloben hatte.
Lange Zeit galt auf den meisten hohen Schulen Deutschlands nur der für einen
wirklichen Studenten, welcher in einer Burse wohnte, speiste und an den dort
üblichen Disputationen theilnahm, und die Studirenden hießen davon schlecht¬
weg Bursarii oder deutsch Bursenkncchte. Ausgenommen von jenem Zwange
sollten nur die sein, welche ihre Eltern in der Universitätsstadt hätten oder
Famulus bei einem Docenten wären; die Disciplin sollte streng gchandhavt,


und später, wenn seine Wünsche nach einer höheren Sprosse auf der Leiter der
akademischen Würden und Rechte gingen, sich zum Magister Artium promoviren
ließ. Wer sich einer oder mehren der drei Fachwissenschaften widmete (sehr
häufig trifft man Magister, die zugleich Doctoren der Rechte und der Medicin
waren), studirte immer zuerst einige Zeit die artes liberales und ersetzte so
einigermaßen oder auch nach damaliger Möglichkeit vollständig die ihm Anfangs
mangelnde gelehrte Vorbildung. Nicht selten sind im Mittelalter Beispiele von
sehr bejahrten Studenten, und es gab schwerbegrcifende, aber zugleich seßhafte
Naturen, die sich mit dem Aristoteles und seinen Glossatoren zwanzig, ja dreißig
Jahre lang abmühten und eher graue Haare als das Magisterbaret gewannen.

Die Liste, in die sich die Theilnehmer an einer Vorlesung einzutragen
hatten, diente dem betreffenden Professor später bei Eintreibung des Honorars
als Schuldverschreibung. Jeder Zuhörer, der letzteres dem Taxator erlegt, wurde
in ein Verzeichniß eingetragen, welches die Docenten, wenn sie die zur Erlan¬
gung des Baccalaureats erforderlichen Testate (reeoMitiones) aufstellten, zu
Grunde legten.

Seine Wohnung hatte der Student auf den meisten Universitäten vom
vierzehnten Jahrhundert an bis in die ersten Jahre des sechszehnten hinein in
einer Burse zu nehmen, wo er unter Aufsicht stehen und zu fleißigem Arbeiten
sowie zu stetem Lateinsprechcn angehalten sein sollte. Diese Studentenherbergen,
in den leipziger Statuten bereits 1412 erwähnt, waren verschiedener Art. Theils
glichen sie, mit einem der Kollegien verbunden, den Alumnaten unsrer Gymnasien,
wo dann die Insassen ganz oder theilweise freie Wohnung und Beköstigung ge¬
nossen. Theils, und zwar vermuthlich häufiger, waren die Bursen Privatunter¬
nehmungen von älteren Universttätsangchörigen. vom Rector approbirt und
gelegentlich inspicirt. und später auch Etablissements von Bürgern der betreffen¬
den Stadt, die aus der Beherbergung und Speisung von Studirenden ein Ge¬
schäft machten und dazu von der Universitätsbehörde concessionirt waren.
Endlich hatten da, wo Nationen bestanden, diese ihre eignen Bursen. Beispiele
von solchen sind in Leipzig um 1474 die Sachsenburse, um 1494 die Meißner-
burse; Beispiele von Anstalten der Art, die leipziger Bürgern gehörten, im
letztgenannten Jahr die Bursen Solis, Henrici und Hummelshayn.

Jede Burse hatte ihren Aufseher, der in Leipzig Conventor, in Ingolstadt
auch Rector hieß, und dem man beim Eintritt Gehorsam zu geloben hatte.
Lange Zeit galt auf den meisten hohen Schulen Deutschlands nur der für einen
wirklichen Studenten, welcher in einer Burse wohnte, speiste und an den dort
üblichen Disputationen theilnahm, und die Studirenden hießen davon schlecht¬
weg Bursarii oder deutsch Bursenkncchte. Ausgenommen von jenem Zwange
sollten nur die sein, welche ihre Eltern in der Universitätsstadt hätten oder
Famulus bei einem Docenten wären; die Disciplin sollte streng gchandhavt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/232>, abgerufen am 28.07.2024.