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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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E Bart. r wird schwach; denn er ist nicht gewohnt, solche starke Medicin
einzunehmen.

Richti Cam. g; sein Gesicht ist verändert und hat nicht mehr seine natür¬
liche Farbe, was ein Zeichen von Schwachwerden ist. Nun die Salbe her.


Bart.

Hast du nicht auch Pillen mitgebracht?

Cam. Ach ich vergaß. Lauf daher in unsern Ochsenstall und sammle
da etliche; denn die Apotheke ist zu weit weg.


Bart.

Soll geschehen.

(Geht ab.)

F Cam.

(Zu dem Beanus.)
asse Muth, komm wieder zu dir und beruhige
dich; denn ich weiß, die Pillen, welche Bartold holt, werden dir sehr wohl
thun. Sieh, da kommt er schon.


Bart.
(Wieder eintretend.)

Nimm nur gleich 'ne Hand voll davon.

Cam. H

(Den Kopf schüttelnd.)
in, ich sehe nun doch, unsre Medicin schlägt
nicht recht an. Daß er uns nicht unter den Händen stirbt, ist das Sicherste, ihn
beichten zu lassen. Sieh nur mal, was er für Gesichter schneidet. Wenn wir
nicht auf der Hut sind, fährt ihm die Seele aus dem Leibe. Schon macht er,
halbtodt auf die Knie gefallen, einen wundersamen Spektakel und Rumor unter
uns allen. Mein liebster Bartold. frage doch mal dieser Sache kundige Männer,
die uns leicht beispringen können, sonst platzt uns von dem Lärm noch das
Trommelfell.

Bart. Das will ich thun. Doch fällt mir Eins ein. was ihn, wenn
die Hoffnung nicht trügt, von aller seiner Schwachheit curiren wird.

S Cam. ags, mein Bartold; denn du bemerkst selber, wie häßlich er
aussieht.

Bart. Ich glaube, die beste Arzenei für ihn wäre, wenn man ihn ein
Weilchen an einem Strick in den Abtritt unsrer Burse hinge;*) der haucht
einen kräftigen Dunst aus, welcher ihn, wofern er ihn auch nur ein paar
Augenblicke einzöge, sofort von aller in ihm sitzenden Krankheit heilen würde.

Aber zuerst, dächte ich, ließen wir ihn beichten.


Cam.

Bart. Und da ich die Weihen trage, wird diese Last mir auferlegt
werden müssen. Aber wo habe ich nur meinen Priesterkragen (suxereilww)
hingelegt?

Nimm, da hinter dir.


Cam.

N Bart.

(Nachdem er sich den Kragen umgehangen.)
un beginne, guter Jo¬
hannes. Bekenne alle deine Sünden, und du wirst ohne Zweifel selig werden.
Was höre ich -- alle Tage den Bauern Gänse und Hühner gestohlen! O große
Missethat! Was weiter? Sprich ohne Scheu. Wehe, ein noch größeres Ver-



*) Ein Gebrauch, der auf Gymnasien später nachgeahmt wurde und, wie mir aus guter
Quelle versichert wird, auf der meißner Fürstcnschule mit andern anmuthigen Resten des
M D, Verf. ittelalters noch vor circa dreißig Jahren in Uebung war.

E Bart. r wird schwach; denn er ist nicht gewohnt, solche starke Medicin
einzunehmen.

Richti Cam. g; sein Gesicht ist verändert und hat nicht mehr seine natür¬
liche Farbe, was ein Zeichen von Schwachwerden ist. Nun die Salbe her.


Bart.

Hast du nicht auch Pillen mitgebracht?

Cam. Ach ich vergaß. Lauf daher in unsern Ochsenstall und sammle
da etliche; denn die Apotheke ist zu weit weg.


Bart.

Soll geschehen.

(Geht ab.)

F Cam.

(Zu dem Beanus.)
asse Muth, komm wieder zu dir und beruhige
dich; denn ich weiß, die Pillen, welche Bartold holt, werden dir sehr wohl
thun. Sieh, da kommt er schon.


Bart.
(Wieder eintretend.)

Nimm nur gleich 'ne Hand voll davon.

Cam. H

(Den Kopf schüttelnd.)
in, ich sehe nun doch, unsre Medicin schlägt
nicht recht an. Daß er uns nicht unter den Händen stirbt, ist das Sicherste, ihn
beichten zu lassen. Sieh nur mal, was er für Gesichter schneidet. Wenn wir
nicht auf der Hut sind, fährt ihm die Seele aus dem Leibe. Schon macht er,
halbtodt auf die Knie gefallen, einen wundersamen Spektakel und Rumor unter
uns allen. Mein liebster Bartold. frage doch mal dieser Sache kundige Männer,
die uns leicht beispringen können, sonst platzt uns von dem Lärm noch das
Trommelfell.

Bart. Das will ich thun. Doch fällt mir Eins ein. was ihn, wenn
die Hoffnung nicht trügt, von aller seiner Schwachheit curiren wird.

S Cam. ags, mein Bartold; denn du bemerkst selber, wie häßlich er
aussieht.

Bart. Ich glaube, die beste Arzenei für ihn wäre, wenn man ihn ein
Weilchen an einem Strick in den Abtritt unsrer Burse hinge;*) der haucht
einen kräftigen Dunst aus, welcher ihn, wofern er ihn auch nur ein paar
Augenblicke einzöge, sofort von aller in ihm sitzenden Krankheit heilen würde.

Aber zuerst, dächte ich, ließen wir ihn beichten.


Cam.

Bart. Und da ich die Weihen trage, wird diese Last mir auferlegt
werden müssen. Aber wo habe ich nur meinen Priesterkragen (suxereilww)
hingelegt?

Nimm, da hinter dir.


Cam.

N Bart.

(Nachdem er sich den Kragen umgehangen.)
un beginne, guter Jo¬
hannes. Bekenne alle deine Sünden, und du wirst ohne Zweifel selig werden.
Was höre ich — alle Tage den Bauern Gänse und Hühner gestohlen! O große
Missethat! Was weiter? Sprich ohne Scheu. Wehe, ein noch größeres Ver-



*) Ein Gebrauch, der auf Gymnasien später nachgeahmt wurde und, wie mir aus guter
Quelle versichert wird, auf der meißner Fürstcnschule mit andern anmuthigen Resten des
M D, Verf. ittelalters noch vor circa dreißig Jahren in Uebung war.
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[0230] E Bart. r wird schwach; denn er ist nicht gewohnt, solche starke Medicin einzunehmen. Richti Cam. g; sein Gesicht ist verändert und hat nicht mehr seine natür¬ liche Farbe, was ein Zeichen von Schwachwerden ist. Nun die Salbe her. Bart. Hast du nicht auch Pillen mitgebracht? Cam. Ach ich vergaß. Lauf daher in unsern Ochsenstall und sammle da etliche; denn die Apotheke ist zu weit weg. Bart. Soll geschehen. (Geht ab.) F Cam. (Zu dem Beanus.) asse Muth, komm wieder zu dir und beruhige dich; denn ich weiß, die Pillen, welche Bartold holt, werden dir sehr wohl thun. Sieh, da kommt er schon. Bart. (Wieder eintretend.) Nimm nur gleich 'ne Hand voll davon. Cam. H (Den Kopf schüttelnd.) in, ich sehe nun doch, unsre Medicin schlägt nicht recht an. Daß er uns nicht unter den Händen stirbt, ist das Sicherste, ihn beichten zu lassen. Sieh nur mal, was er für Gesichter schneidet. Wenn wir nicht auf der Hut sind, fährt ihm die Seele aus dem Leibe. Schon macht er, halbtodt auf die Knie gefallen, einen wundersamen Spektakel und Rumor unter uns allen. Mein liebster Bartold. frage doch mal dieser Sache kundige Männer, die uns leicht beispringen können, sonst platzt uns von dem Lärm noch das Trommelfell. Bart. Das will ich thun. Doch fällt mir Eins ein. was ihn, wenn die Hoffnung nicht trügt, von aller seiner Schwachheit curiren wird. S Cam. ags, mein Bartold; denn du bemerkst selber, wie häßlich er aussieht. Bart. Ich glaube, die beste Arzenei für ihn wäre, wenn man ihn ein Weilchen an einem Strick in den Abtritt unsrer Burse hinge;*) der haucht einen kräftigen Dunst aus, welcher ihn, wofern er ihn auch nur ein paar Augenblicke einzöge, sofort von aller in ihm sitzenden Krankheit heilen würde. Aber zuerst, dächte ich, ließen wir ihn beichten. Cam. Bart. Und da ich die Weihen trage, wird diese Last mir auferlegt werden müssen. Aber wo habe ich nur meinen Priesterkragen (suxereilww) hingelegt? Nimm, da hinter dir. Cam. N Bart. (Nachdem er sich den Kragen umgehangen.) un beginne, guter Jo¬ hannes. Bekenne alle deine Sünden, und du wirst ohne Zweifel selig werden. Was höre ich — alle Tage den Bauern Gänse und Hühner gestohlen! O große Missethat! Was weiter? Sprich ohne Scheu. Wehe, ein noch größeres Ver- *) Ein Gebrauch, der auf Gymnasien später nachgeahmt wurde und, wie mir aus guter Quelle versichert wird, auf der meißner Fürstcnschule mit andern anmuthigen Resten des M D, Verf. ittelalters noch vor circa dreißig Jahren in Uebung war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/230>, abgerufen am 28.07.2024.