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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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N Cam. och niemals sah ich ein Thier, welches Grausamkeit und Wild¬
heit so offen zur Schau trug, wie dieses Scheusal.

Bart. Still ein wenig. Ich werde es anreden. -- Herr Johannes, wann
seid Ihr hergekommen. Gewiß seid Ihr ein Landsmann von mir, gebt mir
mal die Hand. Ach du Galgenstrick, kommst du, mich mit deinen Krallen zu
kratzen! Ich lasse dich nicht heran, ich wäre denn vom Kopf bis zu den Füßen
geharnischt. --Was bleibst du sitzen, Waldesel! Siehst du denn nicht, daß hier
Magister zugegen sind, verehrungswürdige Männer, vor denen man aufzustehen
hat? -- O guter Gott, wie ein steifer Klotz steht er da und fürchtet sich nicht,
obwohl aller Augen aus ihn gerichtet sind! Seht mal, ich bitte, wie leicht er
müde wird. Er hat schwache Beine, eben erst stand er auf, jetzt krümmt er sich
schon wieder zusammen wie eine alte Vettel. Sieh, wie er den Hals zu¬
sammenzieht!

Cam. Du hast aber auch gar kein Erbarmen. Wie kannst du ihn nur
so erschrecken! Ich leid' es nicht länger, weil er mein Landsmann ist. -- Johannes,
sei guten Muthes. Ich werde dich vertheidigen. Nimm dies Glas und trinke
dir nach dieser Quälerei neue Laune. -- El du dummer Teufel, scheust du dich
nicht, das Glas anzurühren? In diesen Becher, aus welchem so große Gelehrte,
Wie deine Magister getrunken, willst du mit deinem giftigen Schnabel dünken,
welcher giftiger ist als der des Basilisken, der schon durch bloßen Anblick tödtet?
Dir gebührt, Wasser zu saufen und zwar schmutziges an den Bächen mit dem
Vieh, dorthinein stecke du wie ein Vierfuß dein plumpgestaltetes Maul, stille
deine Gier, und wie ein von langem Laufe müde gewordener Gaul ziehe mit
keuchenden Lefzen das Wasser ein.

L Bart. aß ab, es ist genug. Hältst du es für eine Kleinigkeit, einen
feinerzogenen Menschen zu behandeln, als ob er ein Ochs wäre? Wie wenn
das seine Mutter wüßte, die ihn über alles liebt! Wie viele Thränen würde
sie vergießen, wie schmerzlich würde es ihr das Herz bewegen! Fürwahr, wenn
sie den Tod erleiden sollte, würde sie kaum mehr Pein dabei ausstehen. Und
sieh, schau mal sein Gesicht an. -- Weint er nicht? -- Wahrhaftig, die Augen
sind ihm naß! Wie er seine Mutter nennen hörte, wurde er gerührt und sagte
Zu seinem Gesellen, den er von Hause mitgebracht, damit er nach abgethaner
Sache heimkehrend den Eltern die Botschaft überbrachte: Ach daß du mir das
gesagt hättest. Daß dich die Pest! Wollte doch lieber die hohe Schule beim
Teufel wissen, als daß ich auf sie gezogen wäre. Sie sind so hochmüthig auf
der hohen Schule, daß niemand mit ihnen umzugehen weiß, und reden ein solch
wunderliches Latein, daß ich nicht weiß, was sie wollen. -- O Beanus! du
Esel, du stinkender Bock, du übelriechende Ziege! O du Kröte, du eiMa (Zebra?
"der: du bloße Ziffer, Null), du Schemen des Nichts, o du Nichtigster der nichts-
nutze! Daß dir der Teufel Bauch und Fuß mit Dreck besudle. Was ist das


N Cam. och niemals sah ich ein Thier, welches Grausamkeit und Wild¬
heit so offen zur Schau trug, wie dieses Scheusal.

Bart. Still ein wenig. Ich werde es anreden. — Herr Johannes, wann
seid Ihr hergekommen. Gewiß seid Ihr ein Landsmann von mir, gebt mir
mal die Hand. Ach du Galgenstrick, kommst du, mich mit deinen Krallen zu
kratzen! Ich lasse dich nicht heran, ich wäre denn vom Kopf bis zu den Füßen
geharnischt. —Was bleibst du sitzen, Waldesel! Siehst du denn nicht, daß hier
Magister zugegen sind, verehrungswürdige Männer, vor denen man aufzustehen
hat? — O guter Gott, wie ein steifer Klotz steht er da und fürchtet sich nicht,
obwohl aller Augen aus ihn gerichtet sind! Seht mal, ich bitte, wie leicht er
müde wird. Er hat schwache Beine, eben erst stand er auf, jetzt krümmt er sich
schon wieder zusammen wie eine alte Vettel. Sieh, wie er den Hals zu¬
sammenzieht!

Cam. Du hast aber auch gar kein Erbarmen. Wie kannst du ihn nur
so erschrecken! Ich leid' es nicht länger, weil er mein Landsmann ist. — Johannes,
sei guten Muthes. Ich werde dich vertheidigen. Nimm dies Glas und trinke
dir nach dieser Quälerei neue Laune. — El du dummer Teufel, scheust du dich
nicht, das Glas anzurühren? In diesen Becher, aus welchem so große Gelehrte,
Wie deine Magister getrunken, willst du mit deinem giftigen Schnabel dünken,
welcher giftiger ist als der des Basilisken, der schon durch bloßen Anblick tödtet?
Dir gebührt, Wasser zu saufen und zwar schmutziges an den Bächen mit dem
Vieh, dorthinein stecke du wie ein Vierfuß dein plumpgestaltetes Maul, stille
deine Gier, und wie ein von langem Laufe müde gewordener Gaul ziehe mit
keuchenden Lefzen das Wasser ein.

L Bart. aß ab, es ist genug. Hältst du es für eine Kleinigkeit, einen
feinerzogenen Menschen zu behandeln, als ob er ein Ochs wäre? Wie wenn
das seine Mutter wüßte, die ihn über alles liebt! Wie viele Thränen würde
sie vergießen, wie schmerzlich würde es ihr das Herz bewegen! Fürwahr, wenn
sie den Tod erleiden sollte, würde sie kaum mehr Pein dabei ausstehen. Und
sieh, schau mal sein Gesicht an. — Weint er nicht? — Wahrhaftig, die Augen
sind ihm naß! Wie er seine Mutter nennen hörte, wurde er gerührt und sagte
Zu seinem Gesellen, den er von Hause mitgebracht, damit er nach abgethaner
Sache heimkehrend den Eltern die Botschaft überbrachte: Ach daß du mir das
gesagt hättest. Daß dich die Pest! Wollte doch lieber die hohe Schule beim
Teufel wissen, als daß ich auf sie gezogen wäre. Sie sind so hochmüthig auf
der hohen Schule, daß niemand mit ihnen umzugehen weiß, und reden ein solch
wunderliches Latein, daß ich nicht weiß, was sie wollen. — O Beanus! du
Esel, du stinkender Bock, du übelriechende Ziege! O du Kröte, du eiMa (Zebra?
"der: du bloße Ziffer, Null), du Schemen des Nichts, o du Nichtigster der nichts-
nutze! Daß dir der Teufel Bauch und Fuß mit Dreck besudle. Was ist das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/227>, abgerufen am 28.07.2024.