Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Erfolg, das Resultat ihrer Bestrebungen hat nur die Unüversteiglichkeit
der Schranke zwischen beiden praktisch bewiesen, wie das für jeden andern als
diese Ehrgeizigen selbst schon vor den Versuchen feststand. Die Künstlerphoto¬
graphen stellten ihre lebendigen, passend cosiümirten Modelle zu lebenden Bildern
zusammen, wählten oft ganz geschickt ihre Beleuchtung, legten ihre Falten,
commandirten ihren Ausdruck und glaubten dann mit der Photographie einer
solchen wohl arrangirten Zusammenstellung das beabsichtigte Geschichts- oder
Genrebild gegeben zu haben. Aber wie sorglich, selbst von wie künstlerischem
Geschmack geleitet, die Besten auch dabei zu Werke gehn mochten, wie sie aus
der Zusammenfügung verschiedener Platten und Aufnahmen für ihre Bilder die
nöthigen Hintergründe, die perspektivisch kleinern ferner liegenden Gruppen und
Gestalten, die abgetöntem landschaftlichen Hintergründe zu gewinnen suchten; --
was sie schließlich hervorbrachten, mußte auch im glücklichsten Fall herzlich steifes
und trocknes Zeug bleiben, denn nie und nimmer macht das treu copirte Modell
das Kunstwerk, am wenigsten aber die Zusammenstellung von mehren, so co-
Pirt. eine künstlerische Composition. Was sie eben im Bilde des Malers (der
ja auch treulichst die Natur und das Modell benutzt) zu einer solchen verbindet,
ist seine geistig-künstlerische, sie verschmelzende, wählende, hervorhebende, unter¬
ordnende, weglassende, hinzufügende Arbeit; bleibt die weg, so reißt damit eben
auch "leider nur das geistige Band" und es bleibt nichts als ein erstarrtes
Nebeneinander statt der lebendigen Einheit.

Wir haben die brillanten vielgepriesenen Leistungen des englischen Pho¬
tographen Robinson auf diesem Gebiet der "photographischen Composition"
gesehn, und grade sie haben die ganze Lächerlichkeit der Prätension, ihre Producte
zum Kunstwerk stempeln zu wollen, in das vollste Licht gesetzt. Bei photo-
graphischen Darstellungen der Einzelgestalt wird wenigstens eine große An¬
näherung an den Eindruck einer wirklich künstlerischen nicht selten glücklich
erreicht. Mit der rechten malerischen Einsicht beim Stellunggeben, beim Be¬
leuchten ist und wird hier viel gethan. Ncyländer und bisweilen auch Lady
Cameron in England haben in solchem Genre überraschende Dinge geleistet.
Aber, welche Kunst ist das, die nachdem mit Mühe und peinlicher Berechnung
alles zurecht gerückt, gestellt, gelegt ist, im entscheidenden Moment doch immer
von dem zufälligen Ausdruck ihres Modells abhängt! Die letztgenannte eifrige
Dilettantin richtet ihre derartigen Bestrebungen nun gar hauptsächlich auf das
idealste Genre und stellt photographische selbsterfundene Madonnenbilder
nach der Natur her, die dann natürlich den ungeheuern innern Widerspruch,
welcher schon in diesem Titel liegt, auch äußerlich zur vollsten Anschauung
führen.

Verlockender und geeigneter für die photographische Reproduction der
Wirklichkeit in wahrhaft bildmäßig künstlerischem Sinne ist jedenfalls die land-


Der Erfolg, das Resultat ihrer Bestrebungen hat nur die Unüversteiglichkeit
der Schranke zwischen beiden praktisch bewiesen, wie das für jeden andern als
diese Ehrgeizigen selbst schon vor den Versuchen feststand. Die Künstlerphoto¬
graphen stellten ihre lebendigen, passend cosiümirten Modelle zu lebenden Bildern
zusammen, wählten oft ganz geschickt ihre Beleuchtung, legten ihre Falten,
commandirten ihren Ausdruck und glaubten dann mit der Photographie einer
solchen wohl arrangirten Zusammenstellung das beabsichtigte Geschichts- oder
Genrebild gegeben zu haben. Aber wie sorglich, selbst von wie künstlerischem
Geschmack geleitet, die Besten auch dabei zu Werke gehn mochten, wie sie aus
der Zusammenfügung verschiedener Platten und Aufnahmen für ihre Bilder die
nöthigen Hintergründe, die perspektivisch kleinern ferner liegenden Gruppen und
Gestalten, die abgetöntem landschaftlichen Hintergründe zu gewinnen suchten; —
was sie schließlich hervorbrachten, mußte auch im glücklichsten Fall herzlich steifes
und trocknes Zeug bleiben, denn nie und nimmer macht das treu copirte Modell
das Kunstwerk, am wenigsten aber die Zusammenstellung von mehren, so co-
Pirt. eine künstlerische Composition. Was sie eben im Bilde des Malers (der
ja auch treulichst die Natur und das Modell benutzt) zu einer solchen verbindet,
ist seine geistig-künstlerische, sie verschmelzende, wählende, hervorhebende, unter¬
ordnende, weglassende, hinzufügende Arbeit; bleibt die weg, so reißt damit eben
auch „leider nur das geistige Band" und es bleibt nichts als ein erstarrtes
Nebeneinander statt der lebendigen Einheit.

Wir haben die brillanten vielgepriesenen Leistungen des englischen Pho¬
tographen Robinson auf diesem Gebiet der „photographischen Composition"
gesehn, und grade sie haben die ganze Lächerlichkeit der Prätension, ihre Producte
zum Kunstwerk stempeln zu wollen, in das vollste Licht gesetzt. Bei photo-
graphischen Darstellungen der Einzelgestalt wird wenigstens eine große An¬
näherung an den Eindruck einer wirklich künstlerischen nicht selten glücklich
erreicht. Mit der rechten malerischen Einsicht beim Stellunggeben, beim Be¬
leuchten ist und wird hier viel gethan. Ncyländer und bisweilen auch Lady
Cameron in England haben in solchem Genre überraschende Dinge geleistet.
Aber, welche Kunst ist das, die nachdem mit Mühe und peinlicher Berechnung
alles zurecht gerückt, gestellt, gelegt ist, im entscheidenden Moment doch immer
von dem zufälligen Ausdruck ihres Modells abhängt! Die letztgenannte eifrige
Dilettantin richtet ihre derartigen Bestrebungen nun gar hauptsächlich auf das
idealste Genre und stellt photographische selbsterfundene Madonnenbilder
nach der Natur her, die dann natürlich den ungeheuern innern Widerspruch,
welcher schon in diesem Titel liegt, auch äußerlich zur vollsten Anschauung
führen.

Verlockender und geeigneter für die photographische Reproduction der
Wirklichkeit in wahrhaft bildmäßig künstlerischem Sinne ist jedenfalls die land-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0185" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285211"/>
          <p xml:id="ID_437" prev="#ID_436"> Der Erfolg, das Resultat ihrer Bestrebungen hat nur die Unüversteiglichkeit<lb/>
der Schranke zwischen beiden praktisch bewiesen, wie das für jeden andern als<lb/>
diese Ehrgeizigen selbst schon vor den Versuchen feststand. Die Künstlerphoto¬<lb/>
graphen stellten ihre lebendigen, passend cosiümirten Modelle zu lebenden Bildern<lb/>
zusammen, wählten oft ganz geschickt ihre Beleuchtung, legten ihre Falten,<lb/>
commandirten ihren Ausdruck und glaubten dann mit der Photographie einer<lb/>
solchen wohl arrangirten Zusammenstellung das beabsichtigte Geschichts- oder<lb/>
Genrebild gegeben zu haben. Aber wie sorglich, selbst von wie künstlerischem<lb/>
Geschmack geleitet, die Besten auch dabei zu Werke gehn mochten, wie sie aus<lb/>
der Zusammenfügung verschiedener Platten und Aufnahmen für ihre Bilder die<lb/>
nöthigen Hintergründe, die perspektivisch kleinern ferner liegenden Gruppen und<lb/>
Gestalten, die abgetöntem landschaftlichen Hintergründe zu gewinnen suchten; &#x2014;<lb/>
was sie schließlich hervorbrachten, mußte auch im glücklichsten Fall herzlich steifes<lb/>
und trocknes Zeug bleiben, denn nie und nimmer macht das treu copirte Modell<lb/>
das Kunstwerk, am wenigsten aber die Zusammenstellung von mehren, so co-<lb/>
Pirt. eine künstlerische Composition. Was sie eben im Bilde des Malers (der<lb/>
ja auch treulichst die Natur und das Modell benutzt) zu einer solchen verbindet,<lb/>
ist seine geistig-künstlerische, sie verschmelzende, wählende, hervorhebende, unter¬<lb/>
ordnende, weglassende, hinzufügende Arbeit; bleibt die weg, so reißt damit eben<lb/>
auch &#x201E;leider nur das geistige Band" und es bleibt nichts als ein erstarrtes<lb/>
Nebeneinander statt der lebendigen Einheit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_438"> Wir haben die brillanten vielgepriesenen Leistungen des englischen Pho¬<lb/>
tographen Robinson auf diesem Gebiet der &#x201E;photographischen Composition"<lb/>
gesehn, und grade sie haben die ganze Lächerlichkeit der Prätension, ihre Producte<lb/>
zum Kunstwerk stempeln zu wollen, in das vollste Licht gesetzt. Bei photo-<lb/>
graphischen Darstellungen der Einzelgestalt wird wenigstens eine große An¬<lb/>
näherung an den Eindruck einer wirklich künstlerischen nicht selten glücklich<lb/>
erreicht. Mit der rechten malerischen Einsicht beim Stellunggeben, beim Be¬<lb/>
leuchten ist und wird hier viel gethan. Ncyländer und bisweilen auch Lady<lb/>
Cameron in England haben in solchem Genre überraschende Dinge geleistet.<lb/>
Aber, welche Kunst ist das, die nachdem mit Mühe und peinlicher Berechnung<lb/>
alles zurecht gerückt, gestellt, gelegt ist, im entscheidenden Moment doch immer<lb/>
von dem zufälligen Ausdruck ihres Modells abhängt! Die letztgenannte eifrige<lb/>
Dilettantin richtet ihre derartigen Bestrebungen nun gar hauptsächlich auf das<lb/>
idealste Genre und stellt photographische selbsterfundene Madonnenbilder<lb/>
nach der Natur her, die dann natürlich den ungeheuern innern Widerspruch,<lb/>
welcher schon in diesem Titel liegt, auch äußerlich zur vollsten Anschauung<lb/>
führen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_439" next="#ID_440"> Verlockender und geeigneter für die photographische Reproduction der<lb/>
Wirklichkeit in wahrhaft bildmäßig künstlerischem Sinne ist jedenfalls die land-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0185] Der Erfolg, das Resultat ihrer Bestrebungen hat nur die Unüversteiglichkeit der Schranke zwischen beiden praktisch bewiesen, wie das für jeden andern als diese Ehrgeizigen selbst schon vor den Versuchen feststand. Die Künstlerphoto¬ graphen stellten ihre lebendigen, passend cosiümirten Modelle zu lebenden Bildern zusammen, wählten oft ganz geschickt ihre Beleuchtung, legten ihre Falten, commandirten ihren Ausdruck und glaubten dann mit der Photographie einer solchen wohl arrangirten Zusammenstellung das beabsichtigte Geschichts- oder Genrebild gegeben zu haben. Aber wie sorglich, selbst von wie künstlerischem Geschmack geleitet, die Besten auch dabei zu Werke gehn mochten, wie sie aus der Zusammenfügung verschiedener Platten und Aufnahmen für ihre Bilder die nöthigen Hintergründe, die perspektivisch kleinern ferner liegenden Gruppen und Gestalten, die abgetöntem landschaftlichen Hintergründe zu gewinnen suchten; — was sie schließlich hervorbrachten, mußte auch im glücklichsten Fall herzlich steifes und trocknes Zeug bleiben, denn nie und nimmer macht das treu copirte Modell das Kunstwerk, am wenigsten aber die Zusammenstellung von mehren, so co- Pirt. eine künstlerische Composition. Was sie eben im Bilde des Malers (der ja auch treulichst die Natur und das Modell benutzt) zu einer solchen verbindet, ist seine geistig-künstlerische, sie verschmelzende, wählende, hervorhebende, unter¬ ordnende, weglassende, hinzufügende Arbeit; bleibt die weg, so reißt damit eben auch „leider nur das geistige Band" und es bleibt nichts als ein erstarrtes Nebeneinander statt der lebendigen Einheit. Wir haben die brillanten vielgepriesenen Leistungen des englischen Pho¬ tographen Robinson auf diesem Gebiet der „photographischen Composition" gesehn, und grade sie haben die ganze Lächerlichkeit der Prätension, ihre Producte zum Kunstwerk stempeln zu wollen, in das vollste Licht gesetzt. Bei photo- graphischen Darstellungen der Einzelgestalt wird wenigstens eine große An¬ näherung an den Eindruck einer wirklich künstlerischen nicht selten glücklich erreicht. Mit der rechten malerischen Einsicht beim Stellunggeben, beim Be¬ leuchten ist und wird hier viel gethan. Ncyländer und bisweilen auch Lady Cameron in England haben in solchem Genre überraschende Dinge geleistet. Aber, welche Kunst ist das, die nachdem mit Mühe und peinlicher Berechnung alles zurecht gerückt, gestellt, gelegt ist, im entscheidenden Moment doch immer von dem zufälligen Ausdruck ihres Modells abhängt! Die letztgenannte eifrige Dilettantin richtet ihre derartigen Bestrebungen nun gar hauptsächlich auf das idealste Genre und stellt photographische selbsterfundene Madonnenbilder nach der Natur her, die dann natürlich den ungeheuern innern Widerspruch, welcher schon in diesem Titel liegt, auch äußerlich zur vollsten Anschauung führen. Verlockender und geeigneter für die photographische Reproduction der Wirklichkeit in wahrhaft bildmäßig künstlerischem Sinne ist jedenfalls die land-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/185
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/185>, abgerufen am 28.07.2024.