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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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haben gleichzeitig Burchard und auf etwas abweichenden Wege Osborne und
Korn das "uff glücklichste realisirt, worauf sie ausgingen. Die Beschränkung
liegt hier noch darin, daß der Druck von Bildern mit gleichsam getuschten
Tönen, wie sie die photographische Copie natürlicher körperlicher Objecte er¬
zeugt, bis jetzt einige Schwierigkeiten bereitet, während dagegen der Druck jedes
mit bestimmten Strichlagen gezeichneten und durch sie modellirten Bildes mit
unbedingter Sicherheit und Vollendung geschieht. Die Photolithographie ist
hier also zunächst ein unvergleichliches Mittel der Vervielfältigung, nicht sowohl
photographischer Copiecn der Natur, als solcher von Zeichnungen, Arbeiten
des Holzschnitts und Linicnstichs. Daß sie aber auch die Fähigkeit zu ersterem
sich noch erwirbt, ist nach den neusten Proben nicht mehr zu bezweifeln.

Recapituliren wir nun, was die Photographie auf der gegenwärtiger! Höhe
ihrer Entwicklung zu leisten, zu erzeugen vermag. Vor allem das, in Bezug
auf jene körperliche Wirkung, welche durch Schatten und Licht hervorgebracht
wird, unbedingt treue, in jedem, auch dem bloßen Auge unsichtbarem Detail
der Form und Zeichnung genau entsprechende Bild der existirenden Dinge, am
sichersten und besten der in Ruhe befindlichen, indeß wenigstens in einem kleinern
Maßstab bereits auch der lebhast bewegten (sogenannte Augenblicksbilder). Durch
die Erfindung des Stereoskops und der stereoskopischen Ausnahme natürlicher
Objecte kann sie ferner in den, mittelst jenes optischen Instruments gesehenen
Bildern den vollen Eindruck der Wirklichkeit, der Grcifbarkeit der Form, der
Weite des Raums hervorbringen, wie ihn keine noch so weit getriebene täuschende
Kunst der Nachbildung und der Perspektive irgend zu erreichen vermag. Sie
kann das einmal gewonnene Bild, die photographische Copie jeder Wirklichkeit,
jedes körperlichen wie jedes auf der Fläche befindlichen Gegenstandes ins Un¬
begrenzte vervielfältigen, einmal durch immer neue Cvpirung des Negativs und
andrerseits neuerdings durch das Druckverfahren, wenn, wie gesagt, letzteres
auch vorläufig noch auf eine gewisse Gattung von Copieen beschränkt bleibt.
Und alle diese Processe vermag sie mit verhältnißmäßig fast verschwindenden
Zeitaufwand und infolge dessen geringen Kosten auszuführen. Mit jenen Zweigen
der zeichnenden und malenden Kunst, deren Zweck einzig die Nachbildung des
Vorhandnen und die Vervielfältigung ist, tritt sie daher in unmittelbaren Wett¬
streit mit höchst wesentlichen Chancen des Sieges für sich. Aber die Kunst ist
zunächst und vor allem nicht copirende Nachbildung, sondern schöpferische Geistes¬
arbeit und wo es sich um diese handelt, steht die Photographie am Ende ihres
Könnens.

Das hat der Ehrgeiz der höher strebenden Photographen in neuster Zeit
übersehen wollen. Im vollen Besitz aller reichen technischen Hilfsmittel haben
zumal die Engländer kühne Anläufe gemacht zur photographischen -- Com-
position. Die Photographie soll zur Kunst erhoben werden war ihre Losung.


haben gleichzeitig Burchard und auf etwas abweichenden Wege Osborne und
Korn das «uff glücklichste realisirt, worauf sie ausgingen. Die Beschränkung
liegt hier noch darin, daß der Druck von Bildern mit gleichsam getuschten
Tönen, wie sie die photographische Copie natürlicher körperlicher Objecte er¬
zeugt, bis jetzt einige Schwierigkeiten bereitet, während dagegen der Druck jedes
mit bestimmten Strichlagen gezeichneten und durch sie modellirten Bildes mit
unbedingter Sicherheit und Vollendung geschieht. Die Photolithographie ist
hier also zunächst ein unvergleichliches Mittel der Vervielfältigung, nicht sowohl
photographischer Copiecn der Natur, als solcher von Zeichnungen, Arbeiten
des Holzschnitts und Linicnstichs. Daß sie aber auch die Fähigkeit zu ersterem
sich noch erwirbt, ist nach den neusten Proben nicht mehr zu bezweifeln.

Recapituliren wir nun, was die Photographie auf der gegenwärtiger! Höhe
ihrer Entwicklung zu leisten, zu erzeugen vermag. Vor allem das, in Bezug
auf jene körperliche Wirkung, welche durch Schatten und Licht hervorgebracht
wird, unbedingt treue, in jedem, auch dem bloßen Auge unsichtbarem Detail
der Form und Zeichnung genau entsprechende Bild der existirenden Dinge, am
sichersten und besten der in Ruhe befindlichen, indeß wenigstens in einem kleinern
Maßstab bereits auch der lebhast bewegten (sogenannte Augenblicksbilder). Durch
die Erfindung des Stereoskops und der stereoskopischen Ausnahme natürlicher
Objecte kann sie ferner in den, mittelst jenes optischen Instruments gesehenen
Bildern den vollen Eindruck der Wirklichkeit, der Grcifbarkeit der Form, der
Weite des Raums hervorbringen, wie ihn keine noch so weit getriebene täuschende
Kunst der Nachbildung und der Perspektive irgend zu erreichen vermag. Sie
kann das einmal gewonnene Bild, die photographische Copie jeder Wirklichkeit,
jedes körperlichen wie jedes auf der Fläche befindlichen Gegenstandes ins Un¬
begrenzte vervielfältigen, einmal durch immer neue Cvpirung des Negativs und
andrerseits neuerdings durch das Druckverfahren, wenn, wie gesagt, letzteres
auch vorläufig noch auf eine gewisse Gattung von Copieen beschränkt bleibt.
Und alle diese Processe vermag sie mit verhältnißmäßig fast verschwindenden
Zeitaufwand und infolge dessen geringen Kosten auszuführen. Mit jenen Zweigen
der zeichnenden und malenden Kunst, deren Zweck einzig die Nachbildung des
Vorhandnen und die Vervielfältigung ist, tritt sie daher in unmittelbaren Wett¬
streit mit höchst wesentlichen Chancen des Sieges für sich. Aber die Kunst ist
zunächst und vor allem nicht copirende Nachbildung, sondern schöpferische Geistes¬
arbeit und wo es sich um diese handelt, steht die Photographie am Ende ihres
Könnens.

Das hat der Ehrgeiz der höher strebenden Photographen in neuster Zeit
übersehen wollen. Im vollen Besitz aller reichen technischen Hilfsmittel haben
zumal die Engländer kühne Anläufe gemacht zur photographischen — Com-
position. Die Photographie soll zur Kunst erhoben werden war ihre Losung.


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[0184] haben gleichzeitig Burchard und auf etwas abweichenden Wege Osborne und Korn das «uff glücklichste realisirt, worauf sie ausgingen. Die Beschränkung liegt hier noch darin, daß der Druck von Bildern mit gleichsam getuschten Tönen, wie sie die photographische Copie natürlicher körperlicher Objecte er¬ zeugt, bis jetzt einige Schwierigkeiten bereitet, während dagegen der Druck jedes mit bestimmten Strichlagen gezeichneten und durch sie modellirten Bildes mit unbedingter Sicherheit und Vollendung geschieht. Die Photolithographie ist hier also zunächst ein unvergleichliches Mittel der Vervielfältigung, nicht sowohl photographischer Copiecn der Natur, als solcher von Zeichnungen, Arbeiten des Holzschnitts und Linicnstichs. Daß sie aber auch die Fähigkeit zu ersterem sich noch erwirbt, ist nach den neusten Proben nicht mehr zu bezweifeln. Recapituliren wir nun, was die Photographie auf der gegenwärtiger! Höhe ihrer Entwicklung zu leisten, zu erzeugen vermag. Vor allem das, in Bezug auf jene körperliche Wirkung, welche durch Schatten und Licht hervorgebracht wird, unbedingt treue, in jedem, auch dem bloßen Auge unsichtbarem Detail der Form und Zeichnung genau entsprechende Bild der existirenden Dinge, am sichersten und besten der in Ruhe befindlichen, indeß wenigstens in einem kleinern Maßstab bereits auch der lebhast bewegten (sogenannte Augenblicksbilder). Durch die Erfindung des Stereoskops und der stereoskopischen Ausnahme natürlicher Objecte kann sie ferner in den, mittelst jenes optischen Instruments gesehenen Bildern den vollen Eindruck der Wirklichkeit, der Grcifbarkeit der Form, der Weite des Raums hervorbringen, wie ihn keine noch so weit getriebene täuschende Kunst der Nachbildung und der Perspektive irgend zu erreichen vermag. Sie kann das einmal gewonnene Bild, die photographische Copie jeder Wirklichkeit, jedes körperlichen wie jedes auf der Fläche befindlichen Gegenstandes ins Un¬ begrenzte vervielfältigen, einmal durch immer neue Cvpirung des Negativs und andrerseits neuerdings durch das Druckverfahren, wenn, wie gesagt, letzteres auch vorläufig noch auf eine gewisse Gattung von Copieen beschränkt bleibt. Und alle diese Processe vermag sie mit verhältnißmäßig fast verschwindenden Zeitaufwand und infolge dessen geringen Kosten auszuführen. Mit jenen Zweigen der zeichnenden und malenden Kunst, deren Zweck einzig die Nachbildung des Vorhandnen und die Vervielfältigung ist, tritt sie daher in unmittelbaren Wett¬ streit mit höchst wesentlichen Chancen des Sieges für sich. Aber die Kunst ist zunächst und vor allem nicht copirende Nachbildung, sondern schöpferische Geistes¬ arbeit und wo es sich um diese handelt, steht die Photographie am Ende ihres Könnens. Das hat der Ehrgeiz der höher strebenden Photographen in neuster Zeit übersehen wollen. Im vollen Besitz aller reichen technischen Hilfsmittel haben zumal die Engländer kühne Anläufe gemacht zur photographischen — Com- position. Die Photographie soll zur Kunst erhoben werden war ihre Losung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/184>, abgerufen am 28.07.2024.