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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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liebsten und nächsten Angehörigen der Oeffentlichkeit Preis zu geben, so wenig
vermochten sie das, was ihr von der Erscheinung des großen Dichters un¬
zweifelhaft angehörte und was die Welt in ihrer Art ein Recht hatte wissen
zu wollen, von dem zu trennen, was nur denen gehörte, die durch die Bande
des Gemüths und des innern Zusammenlebens mit ihm vereinigt waren. Die
älteren Freunde namentlich, die es nicht wegen irgend hervorragender und
von der Welt bewunderter oder besprochener Virtuositäten in diesem und jenem,
sondern als ganze Menschen waren, gleichviel ob sonst von andern erkannt oder
nicht, mochten am wenigsten dazu geneigt sei", das unerschöpflich reiche lebendige
Bild Rückerts auf dem Papiere zu einer doch immerhin leblosen Silhouette
sich selbst zu verderben. Ohnehin sind die meisten davon schon vor ihm heim¬
gegangen und darunter solche, die wie Wangenheim, oder Stvckmar, oder der
so wenig gekannte, aber von den wenigen, die ihn gekannt haben, den ersten der
Zeit angereihte Philologe Kopp, oder der Maler und Kupferstecher Barth, dem
ein ähnliches Geschick zu Theil wurde, nicht blos in einem Abschnitte des Lebens,
sondern durch eine ganze Stufenfolge der reichsten und der Zeit nach aus¬
gedehntesten Phasen dem Dichter immer gleich nahe standen. Ihnen gegenüber
erschienen die andern Freunde, von denen allenfalls sich nach Geistesart und
Beruf auch noch irgendeine literarische Aeußerung über Rückert erwarten ließ,
doch nur als Epigonen. Sie haben ihm nur in einer und gewöhnlich nur in
der allerletzten Periode näher gestanden, freilich in derjenigen, die er selbst,
wenn er überhaupt zu solchem reflectirenden Abwägen dessen, was ihm das
Geschick gegeben hatte, irgend geneigt gewesen wäre, als seine innerlich und
äußerlich am meisten befriedete und wenn man so will, als seine glücklichste be¬
zeichnet haben würde. Auch sie brachte ihm, wie es das Mcnschenloos einmal
ist, die herbsten Verluste für sein Herz, aber auch manchen Ersatz, um ihm,
der so ganz in der Gegenwart oder mit dem Blicke nach oben und vorwärts
gerichtet lebte/ die Wunden des Geschicks wenn auch nicht zu heilen, so doch zu
verharschen. Aber trotzdem überkam ihn, wie nicht zu läugnen ist, allmälig ein
gewisses Gefühl der Vereinsamung, freilich nur im einfachsten menschlichen
Sinne, nicht in dem, wie es so häufig ihm als Vorwurf entgegengehalten
worden ist. Aeußerlich blieb es um ihn selbst immer gleich sehr belebt, ja im
Fortschritt der Jahre steigerte sich eher die Zahl derer, die zu seinem Kreise
näher oder ferner gehörten, aber er selbst fühlte doch, bei aller gemüthlichen
Theilnahme und seinem warmen Interesse für das Recht auch dieser Zeit ihre
Eigenart geltend zu machen, daß die Alten ihn besser verstanden hatten, nicht
etwa seine Gedichte, oder seine gelehrten Forschungen, sondern den ganzen
Menschen. Denn unter jenen liebsten und nächsten Freunden, die ihm so wahr¬
haft gleichstanden, waren neben vielen von erster geistiger Größe und Bildung
doch auch eine mindestens ebenso große Anzahl solcher, die in der Schlichtheit


liebsten und nächsten Angehörigen der Oeffentlichkeit Preis zu geben, so wenig
vermochten sie das, was ihr von der Erscheinung des großen Dichters un¬
zweifelhaft angehörte und was die Welt in ihrer Art ein Recht hatte wissen
zu wollen, von dem zu trennen, was nur denen gehörte, die durch die Bande
des Gemüths und des innern Zusammenlebens mit ihm vereinigt waren. Die
älteren Freunde namentlich, die es nicht wegen irgend hervorragender und
von der Welt bewunderter oder besprochener Virtuositäten in diesem und jenem,
sondern als ganze Menschen waren, gleichviel ob sonst von andern erkannt oder
nicht, mochten am wenigsten dazu geneigt sei», das unerschöpflich reiche lebendige
Bild Rückerts auf dem Papiere zu einer doch immerhin leblosen Silhouette
sich selbst zu verderben. Ohnehin sind die meisten davon schon vor ihm heim¬
gegangen und darunter solche, die wie Wangenheim, oder Stvckmar, oder der
so wenig gekannte, aber von den wenigen, die ihn gekannt haben, den ersten der
Zeit angereihte Philologe Kopp, oder der Maler und Kupferstecher Barth, dem
ein ähnliches Geschick zu Theil wurde, nicht blos in einem Abschnitte des Lebens,
sondern durch eine ganze Stufenfolge der reichsten und der Zeit nach aus¬
gedehntesten Phasen dem Dichter immer gleich nahe standen. Ihnen gegenüber
erschienen die andern Freunde, von denen allenfalls sich nach Geistesart und
Beruf auch noch irgendeine literarische Aeußerung über Rückert erwarten ließ,
doch nur als Epigonen. Sie haben ihm nur in einer und gewöhnlich nur in
der allerletzten Periode näher gestanden, freilich in derjenigen, die er selbst,
wenn er überhaupt zu solchem reflectirenden Abwägen dessen, was ihm das
Geschick gegeben hatte, irgend geneigt gewesen wäre, als seine innerlich und
äußerlich am meisten befriedete und wenn man so will, als seine glücklichste be¬
zeichnet haben würde. Auch sie brachte ihm, wie es das Mcnschenloos einmal
ist, die herbsten Verluste für sein Herz, aber auch manchen Ersatz, um ihm,
der so ganz in der Gegenwart oder mit dem Blicke nach oben und vorwärts
gerichtet lebte/ die Wunden des Geschicks wenn auch nicht zu heilen, so doch zu
verharschen. Aber trotzdem überkam ihn, wie nicht zu läugnen ist, allmälig ein
gewisses Gefühl der Vereinsamung, freilich nur im einfachsten menschlichen
Sinne, nicht in dem, wie es so häufig ihm als Vorwurf entgegengehalten
worden ist. Aeußerlich blieb es um ihn selbst immer gleich sehr belebt, ja im
Fortschritt der Jahre steigerte sich eher die Zahl derer, die zu seinem Kreise
näher oder ferner gehörten, aber er selbst fühlte doch, bei aller gemüthlichen
Theilnahme und seinem warmen Interesse für das Recht auch dieser Zeit ihre
Eigenart geltend zu machen, daß die Alten ihn besser verstanden hatten, nicht
etwa seine Gedichte, oder seine gelehrten Forschungen, sondern den ganzen
Menschen. Denn unter jenen liebsten und nächsten Freunden, die ihm so wahr¬
haft gleichstanden, waren neben vielen von erster geistiger Größe und Bildung
doch auch eine mindestens ebenso große Anzahl solcher, die in der Schlichtheit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/17>, abgerufen am 27.07.2024.