Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Den Verlauf der Vertheidigung hier auszuführen, ist nicht der Platz, es
sei nur bemerkt, daß das Werk, welches Gneisenau am ersten Tage projectirte
und in aller Eile im Vorterrain ausführen ließ, der Wolfsberg, die^Fronzosen
K Wochen lang aufhielt und nach wiederholten Sturmversuchen zu regelmäßiger
Belagerung nöthigte; aber selbst als es die Franzosen aus diesem Wege genom¬
men hatten, gab Gneisenau die Schanze nicht auf, er nahm sie wenige Tage
darauf wieder und behauptete sie bis zum Morgen; ein späterer gleicher Ver-
such mißlang, aber Gneisenau baute sofort eine zweite Schanze weiter zurück und
stellte sich wieder im Vorterrain entgegen. In der ersten Nacht nach seiner
Ankunft machte Gneisenau den ersten Ausfall und hielt den Gegner von da an
unausgesetzt in Athem. Seitdem aber Danzig gefallen war und des Feindes
Kräfte, zumal an Belagerungsgeschütz sich verstärkt hatten, wurde die Verthei¬
digung immer schwerer. Am 2S. Juni war der Waffenstillstand zwischen Frank¬
reich und Preußen abgeschlossen worden, am 28. wurde dies dem französischen
commandirenden General vor Kolberg bekannt, er wollte aber die Festung noch
nehmen und strengte deshalb alle seine Kräfte an. Dies führte in den Tagen
vom 1. bis 3. Juli zu einem Bombardement, das ganz Kolberg zu zerstören
drohte, in das GouvernementSgebäude schlugen während einer Stunde 11 Bom¬
ben. Von der Nacht vom 1. zum 2. sagt Nettelbeck über Gneisenau: "So
besonnen, wo eS Handeln galt, so allgegenwärtig gleichsam, wo eine Gefahr
nahte, und so beharrlich, wo nur die unabgespannte Kraft zum Ziele führen
konnte, wie der Commandant in dieser furchtbaren Nacht sich zeigte, hatte er
immer und überall seit dem ersten Augenblick seines Auftretens sich erwiesen."

Am 2. Juli versuchte Loison einen allgemeinen Sturm, er gelang auf die
von dem Schillschen Corps besetzte Waikuhle, am linken Ufer der Persante-
mündung, wurde aber im Uebrigen vollkommen abgeschlagen. Am 3. wurde
der Angriff erneut, jedoch vergebens, der Gegner verstärkte das Bombardement
immer mehr, jeden Augenblick erwartete man von den überall sich zeigenden
Colonnen einen allgemeinen Sturm, und Gneisenau ließ das eigene Feuer be¬
schränken, um für den entscheidenden Kampf frische Kräfte zu haben, da plötzlich
3 Uhr Nachmittags schwieg das französische Geschütz. Man sah auf den Schanzen
die weiße Fahne aufgesteckt und über die Ebene her eine Parlamentärflagge
nahen. Es war der preußische Lieutenant v. Holleben, der die Nachricht vom
Waffenstillstand brachte. Die Franzosen hatten ihn unterwegs unausgesetzt auf¬
gehalten, zuletzt zwei volle Stunden während des Bombardements und während
eines letzten, nicht glücklichen Angriffs auf zwei Außenwerke vor Kplberg.
Gneisenau empfing den Lieutenant v. Holleben auf einem Bastion, las die
Depeschen und sagte: "Meine Kanonen würden noch lange nicht geschwiegen
haben/ -- Er erhielt zwei Cabinetsordres', die eine mit dem Waffenstillstand und
mit der Vollmacht das Weitere deshalb zu veranlassen, die andere mit einer An-


Den Verlauf der Vertheidigung hier auszuführen, ist nicht der Platz, es
sei nur bemerkt, daß das Werk, welches Gneisenau am ersten Tage projectirte
und in aller Eile im Vorterrain ausführen ließ, der Wolfsberg, die^Fronzosen
K Wochen lang aufhielt und nach wiederholten Sturmversuchen zu regelmäßiger
Belagerung nöthigte; aber selbst als es die Franzosen aus diesem Wege genom¬
men hatten, gab Gneisenau die Schanze nicht auf, er nahm sie wenige Tage
darauf wieder und behauptete sie bis zum Morgen; ein späterer gleicher Ver-
such mißlang, aber Gneisenau baute sofort eine zweite Schanze weiter zurück und
stellte sich wieder im Vorterrain entgegen. In der ersten Nacht nach seiner
Ankunft machte Gneisenau den ersten Ausfall und hielt den Gegner von da an
unausgesetzt in Athem. Seitdem aber Danzig gefallen war und des Feindes
Kräfte, zumal an Belagerungsgeschütz sich verstärkt hatten, wurde die Verthei¬
digung immer schwerer. Am 2S. Juni war der Waffenstillstand zwischen Frank¬
reich und Preußen abgeschlossen worden, am 28. wurde dies dem französischen
commandirenden General vor Kolberg bekannt, er wollte aber die Festung noch
nehmen und strengte deshalb alle seine Kräfte an. Dies führte in den Tagen
vom 1. bis 3. Juli zu einem Bombardement, das ganz Kolberg zu zerstören
drohte, in das GouvernementSgebäude schlugen während einer Stunde 11 Bom¬
ben. Von der Nacht vom 1. zum 2. sagt Nettelbeck über Gneisenau: „So
besonnen, wo eS Handeln galt, so allgegenwärtig gleichsam, wo eine Gefahr
nahte, und so beharrlich, wo nur die unabgespannte Kraft zum Ziele führen
konnte, wie der Commandant in dieser furchtbaren Nacht sich zeigte, hatte er
immer und überall seit dem ersten Augenblick seines Auftretens sich erwiesen."

Am 2. Juli versuchte Loison einen allgemeinen Sturm, er gelang auf die
von dem Schillschen Corps besetzte Waikuhle, am linken Ufer der Persante-
mündung, wurde aber im Uebrigen vollkommen abgeschlagen. Am 3. wurde
der Angriff erneut, jedoch vergebens, der Gegner verstärkte das Bombardement
immer mehr, jeden Augenblick erwartete man von den überall sich zeigenden
Colonnen einen allgemeinen Sturm, und Gneisenau ließ das eigene Feuer be¬
schränken, um für den entscheidenden Kampf frische Kräfte zu haben, da plötzlich
3 Uhr Nachmittags schwieg das französische Geschütz. Man sah auf den Schanzen
die weiße Fahne aufgesteckt und über die Ebene her eine Parlamentärflagge
nahen. Es war der preußische Lieutenant v. Holleben, der die Nachricht vom
Waffenstillstand brachte. Die Franzosen hatten ihn unterwegs unausgesetzt auf¬
gehalten, zuletzt zwei volle Stunden während des Bombardements und während
eines letzten, nicht glücklichen Angriffs auf zwei Außenwerke vor Kplberg.
Gneisenau empfing den Lieutenant v. Holleben auf einem Bastion, las die
Depeschen und sagte: „Meine Kanonen würden noch lange nicht geschwiegen
haben/ — Er erhielt zwei Cabinetsordres', die eine mit dem Waffenstillstand und
mit der Vollmacht das Weitere deshalb zu veranlassen, die andere mit einer An-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285190"/>
          <p xml:id="ID_393"> Den Verlauf der Vertheidigung hier auszuführen, ist nicht der Platz, es<lb/>
sei nur bemerkt, daß das Werk, welches Gneisenau am ersten Tage projectirte<lb/>
und in aller Eile im Vorterrain ausführen ließ, der Wolfsberg, die^Fronzosen<lb/>
K Wochen lang aufhielt und nach wiederholten Sturmversuchen zu regelmäßiger<lb/>
Belagerung nöthigte; aber selbst als es die Franzosen aus diesem Wege genom¬<lb/>
men hatten, gab Gneisenau die Schanze nicht auf, er nahm sie wenige Tage<lb/>
darauf wieder und behauptete sie bis zum Morgen; ein späterer gleicher Ver-<lb/>
such mißlang, aber Gneisenau baute sofort eine zweite Schanze weiter zurück und<lb/>
stellte sich wieder im Vorterrain entgegen. In der ersten Nacht nach seiner<lb/>
Ankunft machte Gneisenau den ersten Ausfall und hielt den Gegner von da an<lb/>
unausgesetzt in Athem. Seitdem aber Danzig gefallen war und des Feindes<lb/>
Kräfte, zumal an Belagerungsgeschütz sich verstärkt hatten, wurde die Verthei¬<lb/>
digung immer schwerer. Am 2S. Juni war der Waffenstillstand zwischen Frank¬<lb/>
reich und Preußen abgeschlossen worden, am 28. wurde dies dem französischen<lb/>
commandirenden General vor Kolberg bekannt, er wollte aber die Festung noch<lb/>
nehmen und strengte deshalb alle seine Kräfte an. Dies führte in den Tagen<lb/>
vom 1. bis 3. Juli zu einem Bombardement, das ganz Kolberg zu zerstören<lb/>
drohte, in das GouvernementSgebäude schlugen während einer Stunde 11 Bom¬<lb/>
ben. Von der Nacht vom 1. zum 2. sagt Nettelbeck über Gneisenau: &#x201E;So<lb/>
besonnen, wo eS Handeln galt, so allgegenwärtig gleichsam, wo eine Gefahr<lb/>
nahte, und so beharrlich, wo nur die unabgespannte Kraft zum Ziele führen<lb/>
konnte, wie der Commandant in dieser furchtbaren Nacht sich zeigte, hatte er<lb/>
immer und überall seit dem ersten Augenblick seines Auftretens sich erwiesen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_394" next="#ID_395"> Am 2. Juli versuchte Loison einen allgemeinen Sturm, er gelang auf die<lb/>
von dem Schillschen Corps besetzte Waikuhle, am linken Ufer der Persante-<lb/>
mündung, wurde aber im Uebrigen vollkommen abgeschlagen. Am 3. wurde<lb/>
der Angriff erneut, jedoch vergebens, der Gegner verstärkte das Bombardement<lb/>
immer mehr, jeden Augenblick erwartete man von den überall sich zeigenden<lb/>
Colonnen einen allgemeinen Sturm, und Gneisenau ließ das eigene Feuer be¬<lb/>
schränken, um für den entscheidenden Kampf frische Kräfte zu haben, da plötzlich<lb/>
3 Uhr Nachmittags schwieg das französische Geschütz. Man sah auf den Schanzen<lb/>
die weiße Fahne aufgesteckt und über die Ebene her eine Parlamentärflagge<lb/>
nahen. Es war der preußische Lieutenant v. Holleben, der die Nachricht vom<lb/>
Waffenstillstand brachte. Die Franzosen hatten ihn unterwegs unausgesetzt auf¬<lb/>
gehalten, zuletzt zwei volle Stunden während des Bombardements und während<lb/>
eines letzten, nicht glücklichen Angriffs auf zwei Außenwerke vor Kplberg.<lb/>
Gneisenau empfing den Lieutenant v. Holleben auf einem Bastion, las die<lb/>
Depeschen und sagte: &#x201E;Meine Kanonen würden noch lange nicht geschwiegen<lb/>
haben/ &#x2014; Er erhielt zwei Cabinetsordres', die eine mit dem Waffenstillstand und<lb/>
mit der Vollmacht das Weitere deshalb zu veranlassen, die andere mit einer An-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0164] Den Verlauf der Vertheidigung hier auszuführen, ist nicht der Platz, es sei nur bemerkt, daß das Werk, welches Gneisenau am ersten Tage projectirte und in aller Eile im Vorterrain ausführen ließ, der Wolfsberg, die^Fronzosen K Wochen lang aufhielt und nach wiederholten Sturmversuchen zu regelmäßiger Belagerung nöthigte; aber selbst als es die Franzosen aus diesem Wege genom¬ men hatten, gab Gneisenau die Schanze nicht auf, er nahm sie wenige Tage darauf wieder und behauptete sie bis zum Morgen; ein späterer gleicher Ver- such mißlang, aber Gneisenau baute sofort eine zweite Schanze weiter zurück und stellte sich wieder im Vorterrain entgegen. In der ersten Nacht nach seiner Ankunft machte Gneisenau den ersten Ausfall und hielt den Gegner von da an unausgesetzt in Athem. Seitdem aber Danzig gefallen war und des Feindes Kräfte, zumal an Belagerungsgeschütz sich verstärkt hatten, wurde die Verthei¬ digung immer schwerer. Am 2S. Juni war der Waffenstillstand zwischen Frank¬ reich und Preußen abgeschlossen worden, am 28. wurde dies dem französischen commandirenden General vor Kolberg bekannt, er wollte aber die Festung noch nehmen und strengte deshalb alle seine Kräfte an. Dies führte in den Tagen vom 1. bis 3. Juli zu einem Bombardement, das ganz Kolberg zu zerstören drohte, in das GouvernementSgebäude schlugen während einer Stunde 11 Bom¬ ben. Von der Nacht vom 1. zum 2. sagt Nettelbeck über Gneisenau: „So besonnen, wo eS Handeln galt, so allgegenwärtig gleichsam, wo eine Gefahr nahte, und so beharrlich, wo nur die unabgespannte Kraft zum Ziele führen konnte, wie der Commandant in dieser furchtbaren Nacht sich zeigte, hatte er immer und überall seit dem ersten Augenblick seines Auftretens sich erwiesen." Am 2. Juli versuchte Loison einen allgemeinen Sturm, er gelang auf die von dem Schillschen Corps besetzte Waikuhle, am linken Ufer der Persante- mündung, wurde aber im Uebrigen vollkommen abgeschlagen. Am 3. wurde der Angriff erneut, jedoch vergebens, der Gegner verstärkte das Bombardement immer mehr, jeden Augenblick erwartete man von den überall sich zeigenden Colonnen einen allgemeinen Sturm, und Gneisenau ließ das eigene Feuer be¬ schränken, um für den entscheidenden Kampf frische Kräfte zu haben, da plötzlich 3 Uhr Nachmittags schwieg das französische Geschütz. Man sah auf den Schanzen die weiße Fahne aufgesteckt und über die Ebene her eine Parlamentärflagge nahen. Es war der preußische Lieutenant v. Holleben, der die Nachricht vom Waffenstillstand brachte. Die Franzosen hatten ihn unterwegs unausgesetzt auf¬ gehalten, zuletzt zwei volle Stunden während des Bombardements und während eines letzten, nicht glücklichen Angriffs auf zwei Außenwerke vor Kplberg. Gneisenau empfing den Lieutenant v. Holleben auf einem Bastion, las die Depeschen und sagte: „Meine Kanonen würden noch lange nicht geschwiegen haben/ — Er erhielt zwei Cabinetsordres', die eine mit dem Waffenstillstand und mit der Vollmacht das Weitere deshalb zu veranlassen, die andere mit einer An-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/164
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/164>, abgerufen am 28.07.2024.