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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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harten der Triasidee zu glauben. Möge dazu die nachstehende Depesche des
Fürsten Metternich an den Gesandte" Oestreichs an einem kleinstaatlichen
Hofe das Ihrige beitragen! Preußische Stimmen gegen die Trias klingen ihren
Anhängern immer verdächtig. Vielleicht spricht dieses östreichische Urtheil mit
überzeugenderer Kraft als eine eingehende historisch-politische Deduction. Es
beweist jedenfalls -- wenn dafür noch ein Beweis nöthig ist -- daß die öst¬
reichischen Staatsmänner über den Triasgedanken selbst ganz so denken wie
wir, wenn es ihnen auch zuweilen bequem erscheint, den kleinstaatlichen Trias¬
fanatismus zu einem Schachzuge gegen Preußen zu verwerthen.

Die Depesche ist vom 31. Mai 1826 datirt. Damals war es noch kein
Jahr, daß der König Ludwig den bayrischen Thron bestiegen, und der König
von Würtemberg, wenn auch etwas gedemüthigt durch die mehrfachen Nieder¬
lagen . die sein aufdringliches Vordrängen nach dem Congresse von Verona ge¬
züchtigt hatten, war noch in dem Zenith kühner Unternehmungslust. Die alte
Lieblingsidee des Schwabenkönigs, der Bund der Mindermächtigen und der
Thatendrang des bayrischen Fürsten ruhten nicht. Gerüchte von großen Plänen,
die sie auszuführen gedächten, wurden vielfach hin- und hergetragen und ängstig¬
ten wohl da und dort die kleineren Höfe, die von einer solchen Bewegung das
Allerschlimmste für sich fürchteten und in der Bedrängnis) gegen den drohenden
Angriff des Größeren den Schutz des Großen, gegen die mittelstaatlichen
Gewaltthaten dene Schutz der großmächtlichen Gewalt suchten. Auf einen Bericht,
der aus kleinstaatlichen Kreisen nach Wien gesandt worden war. ist die nach¬
stehende in mehr als einer Hinsicht interessante Note Metternichs ergangen:

"Ihre Briefe und einige mit selben ganz übereinstimmende vertrauliche
Mittheilungen des .... lassen mir keinen Zweifel über die in ihrer Wesenheit
sehr gegründete Aufsichtigkeit (sie!), welche die allem Anschein nach statthabende
Vereinigung zwischen den Königen von Würtemberg und von Bayern zu . ..
erregt. Daß der Schein einer Vereinigung besteht, daß er sich selbst in manchen
Fällen bis zur That steigern kann, bin ich sehr geneigt aus unsern eigenen
Beobachtungen zu abstrahiren.

Das freie Interesse und der treue, gerade Sinn, mit dem- die . . . Ne¬
gierung ihrerseits eine so gemeinwichtige Sache verfolgt, hat unbedingt das
siecht, mich noch in meinen früheren Vermuthungen zu bestärken.

Wenn wir aber tiefer in die Sache eindringen, uns auf einen hohen
Standpunkt erheben und sie von selbem aus in ihrer Wesenheit und in ihren
wahrscheinlichen und möglichen Folgen berechnen, so löst sich bald das Mach¬
werk in ein leichtes und luftiges Gewebe aus, dem es durchaus an innerem
behalt und an jeder Art von Gediegenheit fehlt. Nichts dient auch wirklich
^r anscheinenden oder bestehenden Vereinigung zur stichhaltigen Grundlage.
Sie kann ihren Stützpunkt nicht in dem Charakter der beiden Fürsten finden;


harten der Triasidee zu glauben. Möge dazu die nachstehende Depesche des
Fürsten Metternich an den Gesandte» Oestreichs an einem kleinstaatlichen
Hofe das Ihrige beitragen! Preußische Stimmen gegen die Trias klingen ihren
Anhängern immer verdächtig. Vielleicht spricht dieses östreichische Urtheil mit
überzeugenderer Kraft als eine eingehende historisch-politische Deduction. Es
beweist jedenfalls — wenn dafür noch ein Beweis nöthig ist — daß die öst¬
reichischen Staatsmänner über den Triasgedanken selbst ganz so denken wie
wir, wenn es ihnen auch zuweilen bequem erscheint, den kleinstaatlichen Trias¬
fanatismus zu einem Schachzuge gegen Preußen zu verwerthen.

Die Depesche ist vom 31. Mai 1826 datirt. Damals war es noch kein
Jahr, daß der König Ludwig den bayrischen Thron bestiegen, und der König
von Würtemberg, wenn auch etwas gedemüthigt durch die mehrfachen Nieder¬
lagen . die sein aufdringliches Vordrängen nach dem Congresse von Verona ge¬
züchtigt hatten, war noch in dem Zenith kühner Unternehmungslust. Die alte
Lieblingsidee des Schwabenkönigs, der Bund der Mindermächtigen und der
Thatendrang des bayrischen Fürsten ruhten nicht. Gerüchte von großen Plänen,
die sie auszuführen gedächten, wurden vielfach hin- und hergetragen und ängstig¬
ten wohl da und dort die kleineren Höfe, die von einer solchen Bewegung das
Allerschlimmste für sich fürchteten und in der Bedrängnis) gegen den drohenden
Angriff des Größeren den Schutz des Großen, gegen die mittelstaatlichen
Gewaltthaten dene Schutz der großmächtlichen Gewalt suchten. Auf einen Bericht,
der aus kleinstaatlichen Kreisen nach Wien gesandt worden war. ist die nach¬
stehende in mehr als einer Hinsicht interessante Note Metternichs ergangen:

„Ihre Briefe und einige mit selben ganz übereinstimmende vertrauliche
Mittheilungen des .... lassen mir keinen Zweifel über die in ihrer Wesenheit
sehr gegründete Aufsichtigkeit (sie!), welche die allem Anschein nach statthabende
Vereinigung zwischen den Königen von Würtemberg und von Bayern zu . ..
erregt. Daß der Schein einer Vereinigung besteht, daß er sich selbst in manchen
Fällen bis zur That steigern kann, bin ich sehr geneigt aus unsern eigenen
Beobachtungen zu abstrahiren.

Das freie Interesse und der treue, gerade Sinn, mit dem- die . . . Ne¬
gierung ihrerseits eine so gemeinwichtige Sache verfolgt, hat unbedingt das
siecht, mich noch in meinen früheren Vermuthungen zu bestärken.

Wenn wir aber tiefer in die Sache eindringen, uns auf einen hohen
Standpunkt erheben und sie von selbem aus in ihrer Wesenheit und in ihren
wahrscheinlichen und möglichen Folgen berechnen, so löst sich bald das Mach¬
werk in ein leichtes und luftiges Gewebe aus, dem es durchaus an innerem
behalt und an jeder Art von Gediegenheit fehlt. Nichts dient auch wirklich
^r anscheinenden oder bestehenden Vereinigung zur stichhaltigen Grundlage.
Sie kann ihren Stützpunkt nicht in dem Charakter der beiden Fürsten finden;


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[0131] harten der Triasidee zu glauben. Möge dazu die nachstehende Depesche des Fürsten Metternich an den Gesandte» Oestreichs an einem kleinstaatlichen Hofe das Ihrige beitragen! Preußische Stimmen gegen die Trias klingen ihren Anhängern immer verdächtig. Vielleicht spricht dieses östreichische Urtheil mit überzeugenderer Kraft als eine eingehende historisch-politische Deduction. Es beweist jedenfalls — wenn dafür noch ein Beweis nöthig ist — daß die öst¬ reichischen Staatsmänner über den Triasgedanken selbst ganz so denken wie wir, wenn es ihnen auch zuweilen bequem erscheint, den kleinstaatlichen Trias¬ fanatismus zu einem Schachzuge gegen Preußen zu verwerthen. Die Depesche ist vom 31. Mai 1826 datirt. Damals war es noch kein Jahr, daß der König Ludwig den bayrischen Thron bestiegen, und der König von Würtemberg, wenn auch etwas gedemüthigt durch die mehrfachen Nieder¬ lagen . die sein aufdringliches Vordrängen nach dem Congresse von Verona ge¬ züchtigt hatten, war noch in dem Zenith kühner Unternehmungslust. Die alte Lieblingsidee des Schwabenkönigs, der Bund der Mindermächtigen und der Thatendrang des bayrischen Fürsten ruhten nicht. Gerüchte von großen Plänen, die sie auszuführen gedächten, wurden vielfach hin- und hergetragen und ängstig¬ ten wohl da und dort die kleineren Höfe, die von einer solchen Bewegung das Allerschlimmste für sich fürchteten und in der Bedrängnis) gegen den drohenden Angriff des Größeren den Schutz des Großen, gegen die mittelstaatlichen Gewaltthaten dene Schutz der großmächtlichen Gewalt suchten. Auf einen Bericht, der aus kleinstaatlichen Kreisen nach Wien gesandt worden war. ist die nach¬ stehende in mehr als einer Hinsicht interessante Note Metternichs ergangen: „Ihre Briefe und einige mit selben ganz übereinstimmende vertrauliche Mittheilungen des .... lassen mir keinen Zweifel über die in ihrer Wesenheit sehr gegründete Aufsichtigkeit (sie!), welche die allem Anschein nach statthabende Vereinigung zwischen den Königen von Würtemberg und von Bayern zu . .. erregt. Daß der Schein einer Vereinigung besteht, daß er sich selbst in manchen Fällen bis zur That steigern kann, bin ich sehr geneigt aus unsern eigenen Beobachtungen zu abstrahiren. Das freie Interesse und der treue, gerade Sinn, mit dem- die . . . Ne¬ gierung ihrerseits eine so gemeinwichtige Sache verfolgt, hat unbedingt das siecht, mich noch in meinen früheren Vermuthungen zu bestärken. Wenn wir aber tiefer in die Sache eindringen, uns auf einen hohen Standpunkt erheben und sie von selbem aus in ihrer Wesenheit und in ihren wahrscheinlichen und möglichen Folgen berechnen, so löst sich bald das Mach¬ werk in ein leichtes und luftiges Gewebe aus, dem es durchaus an innerem behalt und an jeder Art von Gediegenheit fehlt. Nichts dient auch wirklich ^r anscheinenden oder bestehenden Vereinigung zur stichhaltigen Grundlage. Sie kann ihren Stützpunkt nicht in dem Charakter der beiden Fürsten finden;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/131>, abgerufen am 01.09.2024.