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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Stiftungsrath geworden, erklärt, er verfechte die Sache der Ultramontanen nur
aus persönlichen Gründen, aus Rache gegen diejenigen, welche verhindert hätten,
daß er bei den letzten Wahlen Gemeinderath geworden sei.

Es stimmt das ganz zu der Art und Weise, wie die ultramontane Geist¬
lichkeit in Baden ihre noch vorhandenen Titel ausnutzt, zur Rettung ihres stark
dem Ende melkenden Einflusses. Unter dem oben erwähnten Oberstistungs-
rathe verwalten, wie auch schon berührt, Stiftungsräthe das Stiftungsvermögen
der katholischen Gemeinden, und diese Stistungsräthe sind noch fast ganz abhängig
von der Geistlichkeit und ihrem Anhange. Die Wahlen zu denselben werden
von der Euric und der Geistlichkeit beeinflußt; von ihnen erhält denn auch nicht
der volkswirthschaftlich Bedürftige und zugleich Würdige, sondern nur derjenige
Unterstützung, der sich "kirchlich" bewährt hat. wenn er auch noch so fähig ist.
sich selbst zu helfen. Ein erzbischöflichcr Erlaß über das Wahlverfahren schärft
den Geistlichen ein, es sollen nur solche Leute in den Stifiungsvorstand gewählt
werden, deren Frömmigkeit außer Zweifel steht durch die Erfüllung ihrer
kirchlichen Pflichten! Es ist natürlich, daß dadurch die Heuchelei groß ge¬
zogen wird; aber die Kirche hat dadurch ein Mittel mehr in der Hand, sich
Einfluß zu sichern, das sie auch redlich gebraucht; in Ueberlingcn beantragte
eine katholische Stistungscommission unter Borsitz des Pfarrverwesers die Ab¬
setzung eines zwanzig Jahre lang in treuem Dienst bewährten Kirchenfvnds-
rechners. weil er für die Schulreform geschrieben habe! So kommt es, daß
auch hier die Bevölkerung auf ein Remedium denkt, welches darin besteht, daß der
Gemeindeverwaltung diejenigen Bestandtheile des Stiftungsvermögens als
Spitalfvnds , Gemeindemeßnergüter u. s. w. zurückgegeben werden, welche auch
früher dieser Berwaltung unterstanden haben und erst durch einen Ministerial-
erlah vom 16. December 1826 entzogen worden sind. Die Regierung hat die
Gerechtigkeit dieser Maßregel bereits eingesehen und der Justizminister auch zur
Vollendung des begonnenen Werkes öffentlich als nothwendig erklärt, daß die
Standesbuchführung weltlichen Behörden in die Hände gegeben und die Civil-
ehe eingeführt werde. Da die Ultramontanen in Baden nicht "hören wollen,
so müssen sie eben fühlen".

Nun kommen wir noch zu den im Herbst vorigen Jahres von den Ultra-
Montanen in Scene gesetzten Agitationen zur Beherrschung der Kreisversamm¬
lungswahlen. Die Kreisversammlung, dieses im Jahr 1865 zuerst für Baden
in Wirksamkeit getretene Institut, hat zunächst für die wirthschaftlichen Bedürf¬
nisse der Kreise'Sorge zu tragen, wie für Straßen- und Brückenbau. Armen¬
pflege. Strafanstalten'u. s. w., indeß auch die Berechtigung. Kreisschulanstalten
Zu errichten. Sofort waren nun die zähen Schwarzen nach der Niederlage in
den Wandercasinos dahinter her. Man suchte ihnen wohl plausibel zu machen:
Wenn sie sich ja schon weigerten, in die Ortsschulräthe (aus Befehl des Erzbischofs


Stiftungsrath geworden, erklärt, er verfechte die Sache der Ultramontanen nur
aus persönlichen Gründen, aus Rache gegen diejenigen, welche verhindert hätten,
daß er bei den letzten Wahlen Gemeinderath geworden sei.

Es stimmt das ganz zu der Art und Weise, wie die ultramontane Geist¬
lichkeit in Baden ihre noch vorhandenen Titel ausnutzt, zur Rettung ihres stark
dem Ende melkenden Einflusses. Unter dem oben erwähnten Oberstistungs-
rathe verwalten, wie auch schon berührt, Stiftungsräthe das Stiftungsvermögen
der katholischen Gemeinden, und diese Stistungsräthe sind noch fast ganz abhängig
von der Geistlichkeit und ihrem Anhange. Die Wahlen zu denselben werden
von der Euric und der Geistlichkeit beeinflußt; von ihnen erhält denn auch nicht
der volkswirthschaftlich Bedürftige und zugleich Würdige, sondern nur derjenige
Unterstützung, der sich „kirchlich" bewährt hat. wenn er auch noch so fähig ist.
sich selbst zu helfen. Ein erzbischöflichcr Erlaß über das Wahlverfahren schärft
den Geistlichen ein, es sollen nur solche Leute in den Stifiungsvorstand gewählt
werden, deren Frömmigkeit außer Zweifel steht durch die Erfüllung ihrer
kirchlichen Pflichten! Es ist natürlich, daß dadurch die Heuchelei groß ge¬
zogen wird; aber die Kirche hat dadurch ein Mittel mehr in der Hand, sich
Einfluß zu sichern, das sie auch redlich gebraucht; in Ueberlingcn beantragte
eine katholische Stistungscommission unter Borsitz des Pfarrverwesers die Ab¬
setzung eines zwanzig Jahre lang in treuem Dienst bewährten Kirchenfvnds-
rechners. weil er für die Schulreform geschrieben habe! So kommt es, daß
auch hier die Bevölkerung auf ein Remedium denkt, welches darin besteht, daß der
Gemeindeverwaltung diejenigen Bestandtheile des Stiftungsvermögens als
Spitalfvnds , Gemeindemeßnergüter u. s. w. zurückgegeben werden, welche auch
früher dieser Berwaltung unterstanden haben und erst durch einen Ministerial-
erlah vom 16. December 1826 entzogen worden sind. Die Regierung hat die
Gerechtigkeit dieser Maßregel bereits eingesehen und der Justizminister auch zur
Vollendung des begonnenen Werkes öffentlich als nothwendig erklärt, daß die
Standesbuchführung weltlichen Behörden in die Hände gegeben und die Civil-
ehe eingeführt werde. Da die Ultramontanen in Baden nicht „hören wollen,
so müssen sie eben fühlen".

Nun kommen wir noch zu den im Herbst vorigen Jahres von den Ultra-
Montanen in Scene gesetzten Agitationen zur Beherrschung der Kreisversamm¬
lungswahlen. Die Kreisversammlung, dieses im Jahr 1865 zuerst für Baden
in Wirksamkeit getretene Institut, hat zunächst für die wirthschaftlichen Bedürf¬
nisse der Kreise'Sorge zu tragen, wie für Straßen- und Brückenbau. Armen¬
pflege. Strafanstalten'u. s. w., indeß auch die Berechtigung. Kreisschulanstalten
Zu errichten. Sofort waren nun die zähen Schwarzen nach der Niederlage in
den Wandercasinos dahinter her. Man suchte ihnen wohl plausibel zu machen:
Wenn sie sich ja schon weigerten, in die Ortsschulräthe (aus Befehl des Erzbischofs


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[0115] Stiftungsrath geworden, erklärt, er verfechte die Sache der Ultramontanen nur aus persönlichen Gründen, aus Rache gegen diejenigen, welche verhindert hätten, daß er bei den letzten Wahlen Gemeinderath geworden sei. Es stimmt das ganz zu der Art und Weise, wie die ultramontane Geist¬ lichkeit in Baden ihre noch vorhandenen Titel ausnutzt, zur Rettung ihres stark dem Ende melkenden Einflusses. Unter dem oben erwähnten Oberstistungs- rathe verwalten, wie auch schon berührt, Stiftungsräthe das Stiftungsvermögen der katholischen Gemeinden, und diese Stistungsräthe sind noch fast ganz abhängig von der Geistlichkeit und ihrem Anhange. Die Wahlen zu denselben werden von der Euric und der Geistlichkeit beeinflußt; von ihnen erhält denn auch nicht der volkswirthschaftlich Bedürftige und zugleich Würdige, sondern nur derjenige Unterstützung, der sich „kirchlich" bewährt hat. wenn er auch noch so fähig ist. sich selbst zu helfen. Ein erzbischöflichcr Erlaß über das Wahlverfahren schärft den Geistlichen ein, es sollen nur solche Leute in den Stifiungsvorstand gewählt werden, deren Frömmigkeit außer Zweifel steht durch die Erfüllung ihrer kirchlichen Pflichten! Es ist natürlich, daß dadurch die Heuchelei groß ge¬ zogen wird; aber die Kirche hat dadurch ein Mittel mehr in der Hand, sich Einfluß zu sichern, das sie auch redlich gebraucht; in Ueberlingcn beantragte eine katholische Stistungscommission unter Borsitz des Pfarrverwesers die Ab¬ setzung eines zwanzig Jahre lang in treuem Dienst bewährten Kirchenfvnds- rechners. weil er für die Schulreform geschrieben habe! So kommt es, daß auch hier die Bevölkerung auf ein Remedium denkt, welches darin besteht, daß der Gemeindeverwaltung diejenigen Bestandtheile des Stiftungsvermögens als Spitalfvnds , Gemeindemeßnergüter u. s. w. zurückgegeben werden, welche auch früher dieser Berwaltung unterstanden haben und erst durch einen Ministerial- erlah vom 16. December 1826 entzogen worden sind. Die Regierung hat die Gerechtigkeit dieser Maßregel bereits eingesehen und der Justizminister auch zur Vollendung des begonnenen Werkes öffentlich als nothwendig erklärt, daß die Standesbuchführung weltlichen Behörden in die Hände gegeben und die Civil- ehe eingeführt werde. Da die Ultramontanen in Baden nicht „hören wollen, so müssen sie eben fühlen". Nun kommen wir noch zu den im Herbst vorigen Jahres von den Ultra- Montanen in Scene gesetzten Agitationen zur Beherrschung der Kreisversamm¬ lungswahlen. Die Kreisversammlung, dieses im Jahr 1865 zuerst für Baden in Wirksamkeit getretene Institut, hat zunächst für die wirthschaftlichen Bedürf¬ nisse der Kreise'Sorge zu tragen, wie für Straßen- und Brückenbau. Armen¬ pflege. Strafanstalten'u. s. w., indeß auch die Berechtigung. Kreisschulanstalten Zu errichten. Sofort waren nun die zähen Schwarzen nach der Niederlage in den Wandercasinos dahinter her. Man suchte ihnen wohl plausibel zu machen: Wenn sie sich ja schon weigerten, in die Ortsschulräthe (aus Befehl des Erzbischofs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/115>, abgerufen am 28.07.2024.