Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

fährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, den ersteren zu 4 Monaten
Kreisgefängniß (auf der Festung zu verfilzen), den andern zu 4 Wochen Gefäng¬
niß und 60 Gulden Geldstrafe vcrurtheilie.

Es ist aber nicht blos bei dem Vorgehen der Gerichte gegen die kirchlichen
Ruhestörer geblieben, dem Pfarrer Einhard zu Döggingen, der einen Theil
seiner Zuhörer mit dem Weihwedel zur Kirche hinausgetrieben, die Lehrer der
Gemeinde blutig geschlagen hatte, so daß ihm die Gemeinde die ihr zugehörige
Kirche zuschloß, rückte eine vom Domcapitel zu Freiburg gesandte Untersuchungs-
commisston aus den Hals. Derselbe Pfarrer war schon mehrfach im Zustande
höchster Trunkenheit ans Straßengräben und andern unsaubern Orten heraus¬
geschafft worden. Der Gemeinderath Von Engen, müde der Politischen Predigten,
welche der Stadtpfarrer Kärcher von der Kanzel herab hielt, sandte an diesen
Herrn eine Zuschrift folgenden Inhalts: "Der Gemeinderath der Stadt Engen
an Se. Hochwürden den Herrn Stadtpfarrer Kärcher dahier. Anknüpfend an
die von Ew. Hochwürden in hiesiger Stadtpfarrkirche gestern gehaltene Predigt
erlaubt sich der unterzeichnete Gemeinderath Ihnen Folgendes vorzutragen:
Ew. Hochwürden haben sich seit einiger Zeit wiederholt veranlaßt gesehen. Ihre
Ansicht über das Schulgesetz, über öffentliche Blätter, über Adressen und deren
Unterzeichnung und andere politische Dinge auf der Kanzel auszusprechen. be¬
ziehungsweise zum Inhalt Ihrer Predigten zu machen. Wir können von einem
solchen Vorgehen eine Förderung der Religiosität nicht erwarten, vielmehr sind
Wir der Ansicht, daß durch dasselbe nur Beleidigung und Aergerniß an "stelle
von Belehrung und Erbauung der Zuhörer hervorgebracht werde. Demgemäß
erlauben wir uns. an Ew. Hochwürden das ergebenste Ersuchen zu richten, daß
es Ihnen gefallen wolle, von politischen Anspielungen in kirchlichen Vorträgen
künftighin abzusehen." Bei solchen Vorkommnissen unterliegt es wohl keinem
Zweifel, daß die Erschütterung des Ansehens der Priester vor Gericht und Ge¬
meinderath eine gründliche im Bewußtsein des Volkes ist und auch dafür liegen
die schlagendsten Beweise vor. daß im Volke ein recht deutliches Verständniß
der Schuld vorhanden ist, welche die Curie in Freiburg am Stand der Dinge
trägt. Auf einer Versammlung von Katholiken in Nadolszcl! (18. Mai 1866).
berufen von Anhängern des Schulgesetzes, nannte ein Redner offen die geistliche
Obcrbehörde in Freiburg eine "revolutionäre Agentur des Jesuitismus". Auf
den Vorschlag nämlich eines Herrn Eggeler, an den Erzbischof in Freiburg
einen Protest gegen den Hirtenbrief zu senden, in welchem die Priester ange¬
halten werden, die Pfarrkinder vom Unterzeichner der Adressen zu Gunsten des
Schulgesetzes abzuhalten, meinte die Versammlung, das bessere Gefühl jedes
Mtdenkenden Katholiken sei durch das bisherige Treiben der Curie in Freiburg
und besonders durch den letzten Hirtenbrief aufs tiefste verletzt, und die Ka¬
tholiken müßten bedauern, daß der greise Erzbischof in seinem hohen Alter von
*


13

fährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, den ersteren zu 4 Monaten
Kreisgefängniß (auf der Festung zu verfilzen), den andern zu 4 Wochen Gefäng¬
niß und 60 Gulden Geldstrafe vcrurtheilie.

Es ist aber nicht blos bei dem Vorgehen der Gerichte gegen die kirchlichen
Ruhestörer geblieben, dem Pfarrer Einhard zu Döggingen, der einen Theil
seiner Zuhörer mit dem Weihwedel zur Kirche hinausgetrieben, die Lehrer der
Gemeinde blutig geschlagen hatte, so daß ihm die Gemeinde die ihr zugehörige
Kirche zuschloß, rückte eine vom Domcapitel zu Freiburg gesandte Untersuchungs-
commisston aus den Hals. Derselbe Pfarrer war schon mehrfach im Zustande
höchster Trunkenheit ans Straßengräben und andern unsaubern Orten heraus¬
geschafft worden. Der Gemeinderath Von Engen, müde der Politischen Predigten,
welche der Stadtpfarrer Kärcher von der Kanzel herab hielt, sandte an diesen
Herrn eine Zuschrift folgenden Inhalts: „Der Gemeinderath der Stadt Engen
an Se. Hochwürden den Herrn Stadtpfarrer Kärcher dahier. Anknüpfend an
die von Ew. Hochwürden in hiesiger Stadtpfarrkirche gestern gehaltene Predigt
erlaubt sich der unterzeichnete Gemeinderath Ihnen Folgendes vorzutragen:
Ew. Hochwürden haben sich seit einiger Zeit wiederholt veranlaßt gesehen. Ihre
Ansicht über das Schulgesetz, über öffentliche Blätter, über Adressen und deren
Unterzeichnung und andere politische Dinge auf der Kanzel auszusprechen. be¬
ziehungsweise zum Inhalt Ihrer Predigten zu machen. Wir können von einem
solchen Vorgehen eine Förderung der Religiosität nicht erwarten, vielmehr sind
Wir der Ansicht, daß durch dasselbe nur Beleidigung und Aergerniß an «stelle
von Belehrung und Erbauung der Zuhörer hervorgebracht werde. Demgemäß
erlauben wir uns. an Ew. Hochwürden das ergebenste Ersuchen zu richten, daß
es Ihnen gefallen wolle, von politischen Anspielungen in kirchlichen Vorträgen
künftighin abzusehen." Bei solchen Vorkommnissen unterliegt es wohl keinem
Zweifel, daß die Erschütterung des Ansehens der Priester vor Gericht und Ge¬
meinderath eine gründliche im Bewußtsein des Volkes ist und auch dafür liegen
die schlagendsten Beweise vor. daß im Volke ein recht deutliches Verständniß
der Schuld vorhanden ist, welche die Curie in Freiburg am Stand der Dinge
trägt. Auf einer Versammlung von Katholiken in Nadolszcl! (18. Mai 1866).
berufen von Anhängern des Schulgesetzes, nannte ein Redner offen die geistliche
Obcrbehörde in Freiburg eine „revolutionäre Agentur des Jesuitismus". Auf
den Vorschlag nämlich eines Herrn Eggeler, an den Erzbischof in Freiburg
einen Protest gegen den Hirtenbrief zu senden, in welchem die Priester ange¬
halten werden, die Pfarrkinder vom Unterzeichner der Adressen zu Gunsten des
Schulgesetzes abzuhalten, meinte die Versammlung, das bessere Gefühl jedes
Mtdenkenden Katholiken sei durch das bisherige Treiben der Curie in Freiburg
und besonders durch den letzten Hirtenbrief aufs tiefste verletzt, und die Ka¬
tholiken müßten bedauern, daß der greise Erzbischof in seinem hohen Alter von
*


13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285139"/>
          <p xml:id="ID_225" prev="#ID_224"> fährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, den ersteren zu 4 Monaten<lb/>
Kreisgefängniß (auf der Festung zu verfilzen), den andern zu 4 Wochen Gefäng¬<lb/>
niß und 60 Gulden Geldstrafe vcrurtheilie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_226" next="#ID_227"> Es ist aber nicht blos bei dem Vorgehen der Gerichte gegen die kirchlichen<lb/>
Ruhestörer geblieben, dem Pfarrer Einhard zu Döggingen, der einen Theil<lb/>
seiner Zuhörer mit dem Weihwedel zur Kirche hinausgetrieben, die Lehrer der<lb/>
Gemeinde blutig geschlagen hatte, so daß ihm die Gemeinde die ihr zugehörige<lb/>
Kirche zuschloß, rückte eine vom Domcapitel zu Freiburg gesandte Untersuchungs-<lb/>
commisston aus den Hals. Derselbe Pfarrer war schon mehrfach im Zustande<lb/>
höchster Trunkenheit ans Straßengräben und andern unsaubern Orten heraus¬<lb/>
geschafft worden. Der Gemeinderath Von Engen, müde der Politischen Predigten,<lb/>
welche der Stadtpfarrer Kärcher von der Kanzel herab hielt, sandte an diesen<lb/>
Herrn eine Zuschrift folgenden Inhalts: &#x201E;Der Gemeinderath der Stadt Engen<lb/>
an Se. Hochwürden den Herrn Stadtpfarrer Kärcher dahier. Anknüpfend an<lb/>
die von Ew. Hochwürden in hiesiger Stadtpfarrkirche gestern gehaltene Predigt<lb/>
erlaubt sich der unterzeichnete Gemeinderath Ihnen Folgendes vorzutragen:<lb/>
Ew. Hochwürden haben sich seit einiger Zeit wiederholt veranlaßt gesehen. Ihre<lb/>
Ansicht über das Schulgesetz, über öffentliche Blätter, über Adressen und deren<lb/>
Unterzeichnung und andere politische Dinge auf der Kanzel auszusprechen. be¬<lb/>
ziehungsweise zum Inhalt Ihrer Predigten zu machen. Wir können von einem<lb/>
solchen Vorgehen eine Förderung der Religiosität nicht erwarten, vielmehr sind<lb/>
Wir der Ansicht, daß durch dasselbe nur Beleidigung und Aergerniß an «stelle<lb/>
von Belehrung und Erbauung der Zuhörer hervorgebracht werde. Demgemäß<lb/>
erlauben wir uns. an Ew. Hochwürden das ergebenste Ersuchen zu richten, daß<lb/>
es Ihnen gefallen wolle, von politischen Anspielungen in kirchlichen Vorträgen<lb/>
künftighin abzusehen." Bei solchen Vorkommnissen unterliegt es wohl keinem<lb/>
Zweifel, daß die Erschütterung des Ansehens der Priester vor Gericht und Ge¬<lb/>
meinderath eine gründliche im Bewußtsein des Volkes ist und auch dafür liegen<lb/>
die schlagendsten Beweise vor. daß im Volke ein recht deutliches Verständniß<lb/>
der Schuld vorhanden ist, welche die Curie in Freiburg am Stand der Dinge<lb/>
trägt. Auf einer Versammlung von Katholiken in Nadolszcl! (18. Mai 1866).<lb/>
berufen von Anhängern des Schulgesetzes, nannte ein Redner offen die geistliche<lb/>
Obcrbehörde in Freiburg eine &#x201E;revolutionäre Agentur des Jesuitismus". Auf<lb/>
den Vorschlag nämlich eines Herrn Eggeler, an den Erzbischof in Freiburg<lb/>
einen Protest gegen den Hirtenbrief zu senden, in welchem die Priester ange¬<lb/>
halten werden, die Pfarrkinder vom Unterzeichner der Adressen zu Gunsten des<lb/>
Schulgesetzes abzuhalten, meinte die Versammlung, das bessere Gefühl jedes<lb/>
Mtdenkenden Katholiken sei durch das bisherige Treiben der Curie in Freiburg<lb/>
und besonders durch den letzten Hirtenbrief aufs tiefste verletzt, und die Ka¬<lb/>
tholiken müßten bedauern, daß der greise Erzbischof in seinem hohen Alter von<lb/>
*</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 13</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0113] fährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, den ersteren zu 4 Monaten Kreisgefängniß (auf der Festung zu verfilzen), den andern zu 4 Wochen Gefäng¬ niß und 60 Gulden Geldstrafe vcrurtheilie. Es ist aber nicht blos bei dem Vorgehen der Gerichte gegen die kirchlichen Ruhestörer geblieben, dem Pfarrer Einhard zu Döggingen, der einen Theil seiner Zuhörer mit dem Weihwedel zur Kirche hinausgetrieben, die Lehrer der Gemeinde blutig geschlagen hatte, so daß ihm die Gemeinde die ihr zugehörige Kirche zuschloß, rückte eine vom Domcapitel zu Freiburg gesandte Untersuchungs- commisston aus den Hals. Derselbe Pfarrer war schon mehrfach im Zustande höchster Trunkenheit ans Straßengräben und andern unsaubern Orten heraus¬ geschafft worden. Der Gemeinderath Von Engen, müde der Politischen Predigten, welche der Stadtpfarrer Kärcher von der Kanzel herab hielt, sandte an diesen Herrn eine Zuschrift folgenden Inhalts: „Der Gemeinderath der Stadt Engen an Se. Hochwürden den Herrn Stadtpfarrer Kärcher dahier. Anknüpfend an die von Ew. Hochwürden in hiesiger Stadtpfarrkirche gestern gehaltene Predigt erlaubt sich der unterzeichnete Gemeinderath Ihnen Folgendes vorzutragen: Ew. Hochwürden haben sich seit einiger Zeit wiederholt veranlaßt gesehen. Ihre Ansicht über das Schulgesetz, über öffentliche Blätter, über Adressen und deren Unterzeichnung und andere politische Dinge auf der Kanzel auszusprechen. be¬ ziehungsweise zum Inhalt Ihrer Predigten zu machen. Wir können von einem solchen Vorgehen eine Förderung der Religiosität nicht erwarten, vielmehr sind Wir der Ansicht, daß durch dasselbe nur Beleidigung und Aergerniß an «stelle von Belehrung und Erbauung der Zuhörer hervorgebracht werde. Demgemäß erlauben wir uns. an Ew. Hochwürden das ergebenste Ersuchen zu richten, daß es Ihnen gefallen wolle, von politischen Anspielungen in kirchlichen Vorträgen künftighin abzusehen." Bei solchen Vorkommnissen unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß die Erschütterung des Ansehens der Priester vor Gericht und Ge¬ meinderath eine gründliche im Bewußtsein des Volkes ist und auch dafür liegen die schlagendsten Beweise vor. daß im Volke ein recht deutliches Verständniß der Schuld vorhanden ist, welche die Curie in Freiburg am Stand der Dinge trägt. Auf einer Versammlung von Katholiken in Nadolszcl! (18. Mai 1866). berufen von Anhängern des Schulgesetzes, nannte ein Redner offen die geistliche Obcrbehörde in Freiburg eine „revolutionäre Agentur des Jesuitismus". Auf den Vorschlag nämlich eines Herrn Eggeler, an den Erzbischof in Freiburg einen Protest gegen den Hirtenbrief zu senden, in welchem die Priester ange¬ halten werden, die Pfarrkinder vom Unterzeichner der Adressen zu Gunsten des Schulgesetzes abzuhalten, meinte die Versammlung, das bessere Gefühl jedes Mtdenkenden Katholiken sei durch das bisherige Treiben der Curie in Freiburg und besonders durch den letzten Hirtenbrief aufs tiefste verletzt, und die Ka¬ tholiken müßten bedauern, daß der greise Erzbischof in seinem hohen Alter von * 13

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/113
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/113>, abgerufen am 28.07.2024.