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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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der Nicbtverschmähung so drastischer Mittel, wie sehr es dem Ultramontanismus
ans Leben geht.

Schlimmeres aber als im Lande Bayern widerfuhr der Richtung oder Partei,
wie man sie nennen will, in Nassau. Hier standen ihre Glieder im Jahre
bereits vor dem letzten Schritte zum vollständigen Siege. Der Herzog
hielt sie zur Aufrechthaltung seines landesherrlichen Ansehens für unentbehrlich;
einer ihrer Hauptführer, der Regierungsdircctor Werren saß eben als Regierungs-
director im Ministerrath, sie hatten volle Freiheit für ihre Prcßorgane und
Versammlungen und unterdrückten jede freie Aeußerung in der liberalen Presse
oder in öffentlichen Versammlungen; sie hatten die Mehrheit in der Stände¬
versammlung; da traf aber ihr weltliches Haupt ein harter Schlag: in einer
Wahlversammlung wurde dem Regierungsdircctor Werren die Betheiligung un¬
möglich gemacht, weil man ihm vorhielt, daß er wegen Erzielung eines Gewinns
von 108"/" bei Geldgeschäften in Untersuchung gewesen und nicht freigesprochen
sei; er wurde von der Wahlversammlung als unwürdig ausgeschlossen. Allen
Machinationen zum Trotz wurde es dem Herzog immer klarer, daß die Ver¬
bindung mit solchen Elementen auf die Dauer nur zum Ruin seines landes¬
herrlichen Ansehens führen könne; sie wurde auf die Seite geschoben. Im Augen¬
blicke freilich hoffen sie ans Wiedererlangung des Verlornen Postens.

Fester als in Nassau sitzen sie noch immer im Großherzogthum Hessen,
"n der Spitze der Diöcese Mainz, durch den Einfluß, den sie auf die groß-
herzogliche Regierung ausüben, und den Widerstand, den die erste Kammer den
Angriffen der zweiten Kammer auf die mainz-darmstädter Convention entgegen¬
seht. Aber es ist ihnen auch hier widerfahren, daß "der eine ihrer Haupt-
Vertreter, der Staatsprocurator Seitz. seine Peiisivnirnng erhielt und ein anderer,
der Domcapitular Moufang i" Mainz, durch letztinstanzliches Urtheil des höch¬
sten Gerichtshofes im Lande einer erheblicheren Erbschaft für verlustig erklärt
wurde; daß in der zweiten Kammer in Darmstadt im vorigen Sommer der
Einfluß aufgedeckt ward. den die Vertreter des Ultramontanismus auf die untern
und mittlern Gerichtöinstanzcn des katholischen Landestheils ausgeübt, und
daß diesen Enthüllungen nichts Stichhaltiges entgegengesetzt werden konnte.
Es wird in den ehemaligen Landen Philipp des Großmüthigen darauf gerechnet
werden müssen, daß der Ultramontanismus grade durch die ihm eingeräumte
Gewalt sich selbst seine Gruben gräbt, sich um alles Ansehen bei der Be¬
völkerung bringt und wie ein faules El zur rechten Zeit zusammenbricht. Der
"ctolor intamluL" wird auch hier nicht ausbleiben; irgendein Großherzog von
Hessen wird einsehen, daß es keine passende Verbindung für ihn ist. wenn er
sich mit Leuten einläßt, welche wie der Vicomte von Kerkhove auf der Generalver¬
sammlung der Katholischen sagen: "Ich kenne als Katholik weder Vaterland, noch
Fürsten, noch Throne; ich bin römischer Bürger!" oder welche sich äußern wie jener


der Nicbtverschmähung so drastischer Mittel, wie sehr es dem Ultramontanismus
ans Leben geht.

Schlimmeres aber als im Lande Bayern widerfuhr der Richtung oder Partei,
wie man sie nennen will, in Nassau. Hier standen ihre Glieder im Jahre
bereits vor dem letzten Schritte zum vollständigen Siege. Der Herzog
hielt sie zur Aufrechthaltung seines landesherrlichen Ansehens für unentbehrlich;
einer ihrer Hauptführer, der Regierungsdircctor Werren saß eben als Regierungs-
director im Ministerrath, sie hatten volle Freiheit für ihre Prcßorgane und
Versammlungen und unterdrückten jede freie Aeußerung in der liberalen Presse
oder in öffentlichen Versammlungen; sie hatten die Mehrheit in der Stände¬
versammlung; da traf aber ihr weltliches Haupt ein harter Schlag: in einer
Wahlversammlung wurde dem Regierungsdircctor Werren die Betheiligung un¬
möglich gemacht, weil man ihm vorhielt, daß er wegen Erzielung eines Gewinns
von 108"/» bei Geldgeschäften in Untersuchung gewesen und nicht freigesprochen
sei; er wurde von der Wahlversammlung als unwürdig ausgeschlossen. Allen
Machinationen zum Trotz wurde es dem Herzog immer klarer, daß die Ver¬
bindung mit solchen Elementen auf die Dauer nur zum Ruin seines landes¬
herrlichen Ansehens führen könne; sie wurde auf die Seite geschoben. Im Augen¬
blicke freilich hoffen sie ans Wiedererlangung des Verlornen Postens.

Fester als in Nassau sitzen sie noch immer im Großherzogthum Hessen,
»n der Spitze der Diöcese Mainz, durch den Einfluß, den sie auf die groß-
herzogliche Regierung ausüben, und den Widerstand, den die erste Kammer den
Angriffen der zweiten Kammer auf die mainz-darmstädter Convention entgegen¬
seht. Aber es ist ihnen auch hier widerfahren, daß "der eine ihrer Haupt-
Vertreter, der Staatsprocurator Seitz. seine Peiisivnirnng erhielt und ein anderer,
der Domcapitular Moufang i» Mainz, durch letztinstanzliches Urtheil des höch¬
sten Gerichtshofes im Lande einer erheblicheren Erbschaft für verlustig erklärt
wurde; daß in der zweiten Kammer in Darmstadt im vorigen Sommer der
Einfluß aufgedeckt ward. den die Vertreter des Ultramontanismus auf die untern
und mittlern Gerichtöinstanzcn des katholischen Landestheils ausgeübt, und
daß diesen Enthüllungen nichts Stichhaltiges entgegengesetzt werden konnte.
Es wird in den ehemaligen Landen Philipp des Großmüthigen darauf gerechnet
werden müssen, daß der Ultramontanismus grade durch die ihm eingeräumte
Gewalt sich selbst seine Gruben gräbt, sich um alles Ansehen bei der Be¬
völkerung bringt und wie ein faules El zur rechten Zeit zusammenbricht. Der
»ctolor intamluL" wird auch hier nicht ausbleiben; irgendein Großherzog von
Hessen wird einsehen, daß es keine passende Verbindung für ihn ist. wenn er
sich mit Leuten einläßt, welche wie der Vicomte von Kerkhove auf der Generalver¬
sammlung der Katholischen sagen: „Ich kenne als Katholik weder Vaterland, noch
Fürsten, noch Throne; ich bin römischer Bürger!" oder welche sich äußern wie jener


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/109>, abgerufen am 01.09.2024.