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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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den Einkünften der Bischöfe leben! Außerdem zählte das Pastoralblatt für die
Erzdiöcese München im Jahre 1864 4214 selbständige Seclsorgerposten (2842
Pfarreien, 1059 Bencficien, 313 Vicariate u. f. w.) und 6899 Priester. Von
den verschiedenen Diöcesen kam in Eichstädt 1 Priester auf je 383 Seelen, in
Augsburg auf je 390, in München-Freysing auf je 410, in Regensburg auf
je 474, in Passau auf je 508, Würzburg auf je 531, Bamberg auf je 627
und Speyer auf je 924 Seelen. Man sieht zugleich, wie sich die Zahl der
katholischen Priester von Süden nach dem Norden zu verringert, aber auch
welch starkes Kontingent sie bilden. Es geschah nun offenbar im Bewußtsein
ihrer starken Stellung, daß Ende 1864 in einer Eingabe vom 30. December
sämmtliche Erzbischöfe und Bischöfe Bayerns sich bei dem Minister des Innern
für ihren College" in Speyer erhoben, der eine theologische Lehranstalt ohne die
Genehmigung der Regierung eröffnet und mit Lehrern ganz eigner Wahl besehe
hatte. Es hatte dabei am 26. November 1864 der wiederholten Absendung
eines Polizeicommissars bedurft, um die 6 Schüler der widerrechtlich eröffneten
Lehranstalt, deren Koffer übrigens bereits auf Androhung polizeilicher Ausweisung
gepackt waren, abreisen zu machen. Nun erwarb sich der kürzlich verstorbene
Minister v. Koch auch noch das Verdienst, die Herren Bischöfe an die Con¬
vention von 1854 zu erinnern, worin ausdrücklich festgesetzt sei, daß an theo¬
logischen Lehranstalten die Regierung die von den Bischöfen, gewählten Lehrer
anzustellen habe, und auf die älteren Abkommen zu verweisen, wonach und in
deren Ausübung im Jahre 1843 auch der damalige Bischof von Eichstädt um
die landesherrliche Genehmigung zur Errichtung der dortigen theologischen Lehr¬
anstalt eingekommen sei, während der Bischof von Speyer bei Errichtung seines
Seminars sich auf einfache Anzeige beschränkt habe. Diese Erledigung war eine
gerechte Demüthigung für die das Gesetz mißachtenden höchsten geistlichen
Würdenträger, eine zeitgemäße Abkühlung für eine Partei, die sogar die ge¬
mäßigte katholische Wissenschaft eines AbtDöllinger anfeindete. Der abgeschlagene
Angriff ist aber auch zugleich die Losung für angriffsweises Vorgehen auf der
andern Seite geworden. Auch in Bayern verlangt die Volksvertretung nun¬
mehr die vollständige Loslösung^ der Schule von der Kirche. Die höhern Schulen
sind in Bayern längst Staatsanstalten, die Volksschulen oder "deutschen Schulen",
wie sie dort genannt werden, Gemeindcansta-leer, es mag in Bayern leicht zu
einer ähnlichen Einrichtung kommen, wie sie in Baden besteht, wenn die, ma߬
losen Uebergriffe der Ultramontanen fortdauern; der Minister des Innern hat
das Bedürfniß einer Schulreform-längst anerkannt. Darum ist es auch wie
ein ein Lächeln abnöthigender Angstschrei zu betrachten, wenn der Erlaß des
erzbischöflichen Ordinariats München im Februar 1865 wegen der Fastenzeit
höchst milde auftritt und häufigern Fleischgenuß erlaubt, dafür aber auch
treues Stehen zur Geistlichkeit in der Schulreformsrage fordert. Man sieht an


den Einkünften der Bischöfe leben! Außerdem zählte das Pastoralblatt für die
Erzdiöcese München im Jahre 1864 4214 selbständige Seclsorgerposten (2842
Pfarreien, 1059 Bencficien, 313 Vicariate u. f. w.) und 6899 Priester. Von
den verschiedenen Diöcesen kam in Eichstädt 1 Priester auf je 383 Seelen, in
Augsburg auf je 390, in München-Freysing auf je 410, in Regensburg auf
je 474, in Passau auf je 508, Würzburg auf je 531, Bamberg auf je 627
und Speyer auf je 924 Seelen. Man sieht zugleich, wie sich die Zahl der
katholischen Priester von Süden nach dem Norden zu verringert, aber auch
welch starkes Kontingent sie bilden. Es geschah nun offenbar im Bewußtsein
ihrer starken Stellung, daß Ende 1864 in einer Eingabe vom 30. December
sämmtliche Erzbischöfe und Bischöfe Bayerns sich bei dem Minister des Innern
für ihren College« in Speyer erhoben, der eine theologische Lehranstalt ohne die
Genehmigung der Regierung eröffnet und mit Lehrern ganz eigner Wahl besehe
hatte. Es hatte dabei am 26. November 1864 der wiederholten Absendung
eines Polizeicommissars bedurft, um die 6 Schüler der widerrechtlich eröffneten
Lehranstalt, deren Koffer übrigens bereits auf Androhung polizeilicher Ausweisung
gepackt waren, abreisen zu machen. Nun erwarb sich der kürzlich verstorbene
Minister v. Koch auch noch das Verdienst, die Herren Bischöfe an die Con¬
vention von 1854 zu erinnern, worin ausdrücklich festgesetzt sei, daß an theo¬
logischen Lehranstalten die Regierung die von den Bischöfen, gewählten Lehrer
anzustellen habe, und auf die älteren Abkommen zu verweisen, wonach und in
deren Ausübung im Jahre 1843 auch der damalige Bischof von Eichstädt um
die landesherrliche Genehmigung zur Errichtung der dortigen theologischen Lehr¬
anstalt eingekommen sei, während der Bischof von Speyer bei Errichtung seines
Seminars sich auf einfache Anzeige beschränkt habe. Diese Erledigung war eine
gerechte Demüthigung für die das Gesetz mißachtenden höchsten geistlichen
Würdenträger, eine zeitgemäße Abkühlung für eine Partei, die sogar die ge¬
mäßigte katholische Wissenschaft eines AbtDöllinger anfeindete. Der abgeschlagene
Angriff ist aber auch zugleich die Losung für angriffsweises Vorgehen auf der
andern Seite geworden. Auch in Bayern verlangt die Volksvertretung nun¬
mehr die vollständige Loslösung^ der Schule von der Kirche. Die höhern Schulen
sind in Bayern längst Staatsanstalten, die Volksschulen oder „deutschen Schulen",
wie sie dort genannt werden, Gemeindcansta-leer, es mag in Bayern leicht zu
einer ähnlichen Einrichtung kommen, wie sie in Baden besteht, wenn die, ma߬
losen Uebergriffe der Ultramontanen fortdauern; der Minister des Innern hat
das Bedürfniß einer Schulreform-längst anerkannt. Darum ist es auch wie
ein ein Lächeln abnöthigender Angstschrei zu betrachten, wenn der Erlaß des
erzbischöflichen Ordinariats München im Februar 1865 wegen der Fastenzeit
höchst milde auftritt und häufigern Fleischgenuß erlaubt, dafür aber auch
treues Stehen zur Geistlichkeit in der Schulreformsrage fordert. Man sieht an


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[0108] den Einkünften der Bischöfe leben! Außerdem zählte das Pastoralblatt für die Erzdiöcese München im Jahre 1864 4214 selbständige Seclsorgerposten (2842 Pfarreien, 1059 Bencficien, 313 Vicariate u. f. w.) und 6899 Priester. Von den verschiedenen Diöcesen kam in Eichstädt 1 Priester auf je 383 Seelen, in Augsburg auf je 390, in München-Freysing auf je 410, in Regensburg auf je 474, in Passau auf je 508, Würzburg auf je 531, Bamberg auf je 627 und Speyer auf je 924 Seelen. Man sieht zugleich, wie sich die Zahl der katholischen Priester von Süden nach dem Norden zu verringert, aber auch welch starkes Kontingent sie bilden. Es geschah nun offenbar im Bewußtsein ihrer starken Stellung, daß Ende 1864 in einer Eingabe vom 30. December sämmtliche Erzbischöfe und Bischöfe Bayerns sich bei dem Minister des Innern für ihren College« in Speyer erhoben, der eine theologische Lehranstalt ohne die Genehmigung der Regierung eröffnet und mit Lehrern ganz eigner Wahl besehe hatte. Es hatte dabei am 26. November 1864 der wiederholten Absendung eines Polizeicommissars bedurft, um die 6 Schüler der widerrechtlich eröffneten Lehranstalt, deren Koffer übrigens bereits auf Androhung polizeilicher Ausweisung gepackt waren, abreisen zu machen. Nun erwarb sich der kürzlich verstorbene Minister v. Koch auch noch das Verdienst, die Herren Bischöfe an die Con¬ vention von 1854 zu erinnern, worin ausdrücklich festgesetzt sei, daß an theo¬ logischen Lehranstalten die Regierung die von den Bischöfen, gewählten Lehrer anzustellen habe, und auf die älteren Abkommen zu verweisen, wonach und in deren Ausübung im Jahre 1843 auch der damalige Bischof von Eichstädt um die landesherrliche Genehmigung zur Errichtung der dortigen theologischen Lehr¬ anstalt eingekommen sei, während der Bischof von Speyer bei Errichtung seines Seminars sich auf einfache Anzeige beschränkt habe. Diese Erledigung war eine gerechte Demüthigung für die das Gesetz mißachtenden höchsten geistlichen Würdenträger, eine zeitgemäße Abkühlung für eine Partei, die sogar die ge¬ mäßigte katholische Wissenschaft eines AbtDöllinger anfeindete. Der abgeschlagene Angriff ist aber auch zugleich die Losung für angriffsweises Vorgehen auf der andern Seite geworden. Auch in Bayern verlangt die Volksvertretung nun¬ mehr die vollständige Loslösung^ der Schule von der Kirche. Die höhern Schulen sind in Bayern längst Staatsanstalten, die Volksschulen oder „deutschen Schulen", wie sie dort genannt werden, Gemeindcansta-leer, es mag in Bayern leicht zu einer ähnlichen Einrichtung kommen, wie sie in Baden besteht, wenn die, ma߬ losen Uebergriffe der Ultramontanen fortdauern; der Minister des Innern hat das Bedürfniß einer Schulreform-längst anerkannt. Darum ist es auch wie ein ein Lächeln abnöthigender Angstschrei zu betrachten, wenn der Erlaß des erzbischöflichen Ordinariats München im Februar 1865 wegen der Fastenzeit höchst milde auftritt und häufigern Fleischgenuß erlaubt, dafür aber auch treues Stehen zur Geistlichkeit in der Schulreformsrage fordert. Man sieht an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/108>, abgerufen am 28.07.2024.