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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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in Deutschland; von hier aus gehen seine Ausläufer den Rhein hinunter nach
Preußen und Hannover hinein und in das hessische Verband bis Fulda. In
Bezug auf die Kirchensprengel ist das Gebiet vertheilt in der oberrheinischen
Kirchenprovinz mit dem. Erzbisthum Freiburg unter die Bisthllincr Rottenburg
(Würtemberg), Mainz (Großh. Hessen), Limburg (Nassau) und Fulda (Kurhessen);
im Erzbisthum Bamberg unter die Bisthümer Speyer, Würzburg, Eichstädt;
im Erzbisthum München-Freyflng unter die Bisthümer Augsburg. Regensburg,
Passau (Bayern). Hessen-Homburg gehört dabei zum Bisthum Mainz, Frank¬
furt zu Limburg, Hohenzollern zu Rottenburg.

Das Verhältniß der Kirche zum Staat gestaltet sich im Südwesten Deutsch¬
lands etwa in nachstehender Weise, Am festesten sitzt der Mramontanismus
durch die vom Bischof von Mainz mit der Regierung abgeschlossene sogenannte
Mainz-darmstädter Convention in Betreff der Regelung der Verhältnisse des
Staates zur katholischen Kirche vom 22. August 1854 im Lande des Reformators
Philipp des Großmüthigen, im Großherzogthum Hessen. Jene Convention
überläßt dem Bischof von Mainz unter Aufhebung des großherzoglichen Planet
die Ernennung der Geistlichen, das Recht, die in das bischöfliche Seminar auf--
zunehmenden Candidaten einer von ihm eingerichteten Prüfung zu unterziehen,
die Disciplinargerichtsbarkeit über die Geistlichen, das Recht, Knabcnseminare
nach freiem Ermessen einzurichten, wobei die Regierung nur das Jnspcctivns-
recht hat, die Weihung der Candidaten, statuirt die Abschaffung des Planet für
rein kirchliche Anordnungen, die Verhängung kirchlicher Censuren über Laien,
den freiesten Verkehr des Bischofs, des Klerus und der Laien mit dem heiligen
Stuhl, eine reale Dotation des Bisthums, die obere Leitung in der Verwaltung
des Kirchenvermögens durch den Bischof, Einwirkung des Bischofs auf "Sicher-
stellung der Schulen vor un kirchlichen und sittenverderblichen Einflüssen".
Die Besetzung des bischöflichen Stuhls selbst ist auf den unbestimmten Ausdruck
einer päpstlichen Bulle gestellt und eine großherzogliche Verordnung aufgehoben,
wonach nur ein Deutscher von Geburt und Staatsbürger des Staates, worin
sich der erledigte Bischvssitz befindet, gewählt werden konnte, welcher entweder
die Seelsorge oder ein akademisches Lehramt oder eine öffentliche Stelle mit
Verdienst und Auszeichnung verwaltet hat und der inländischen Staats- und
Kirchenverfassung, der Landesgesetze und Einrichtungen kundig ist. Bekanntlich
wurde bei den letzten Erledigung des Bischofsitzes Mainz die rechtmäßige Wahl
des mit all den vorstehend bezeichneten und auch mit den canonischcn Eigen¬
schaften vollkommen ausgerüsteten Professor Dr. L. Schmidt in Gießen durch
das Capitel unbeachtet gelassen und statt desselben der Ausländer und der-
malige Bischof Will). Emanuel v. Ketteler eingesetzt. Trotzdem die Conven¬
tion nicht nur nicht die landständische Genehmigung erhalten, sondern sogar
die zweite Kammer die Ministcrankiagc wegen verfassungswidrigen Abschlusses


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in Deutschland; von hier aus gehen seine Ausläufer den Rhein hinunter nach
Preußen und Hannover hinein und in das hessische Verband bis Fulda. In
Bezug auf die Kirchensprengel ist das Gebiet vertheilt in der oberrheinischen
Kirchenprovinz mit dem. Erzbisthum Freiburg unter die Bisthllincr Rottenburg
(Würtemberg), Mainz (Großh. Hessen), Limburg (Nassau) und Fulda (Kurhessen);
im Erzbisthum Bamberg unter die Bisthümer Speyer, Würzburg, Eichstädt;
im Erzbisthum München-Freyflng unter die Bisthümer Augsburg. Regensburg,
Passau (Bayern). Hessen-Homburg gehört dabei zum Bisthum Mainz, Frank¬
furt zu Limburg, Hohenzollern zu Rottenburg.

Das Verhältniß der Kirche zum Staat gestaltet sich im Südwesten Deutsch¬
lands etwa in nachstehender Weise, Am festesten sitzt der Mramontanismus
durch die vom Bischof von Mainz mit der Regierung abgeschlossene sogenannte
Mainz-darmstädter Convention in Betreff der Regelung der Verhältnisse des
Staates zur katholischen Kirche vom 22. August 1854 im Lande des Reformators
Philipp des Großmüthigen, im Großherzogthum Hessen. Jene Convention
überläßt dem Bischof von Mainz unter Aufhebung des großherzoglichen Planet
die Ernennung der Geistlichen, das Recht, die in das bischöfliche Seminar auf--
zunehmenden Candidaten einer von ihm eingerichteten Prüfung zu unterziehen,
die Disciplinargerichtsbarkeit über die Geistlichen, das Recht, Knabcnseminare
nach freiem Ermessen einzurichten, wobei die Regierung nur das Jnspcctivns-
recht hat, die Weihung der Candidaten, statuirt die Abschaffung des Planet für
rein kirchliche Anordnungen, die Verhängung kirchlicher Censuren über Laien,
den freiesten Verkehr des Bischofs, des Klerus und der Laien mit dem heiligen
Stuhl, eine reale Dotation des Bisthums, die obere Leitung in der Verwaltung
des Kirchenvermögens durch den Bischof, Einwirkung des Bischofs auf „Sicher-
stellung der Schulen vor un kirchlichen und sittenverderblichen Einflüssen".
Die Besetzung des bischöflichen Stuhls selbst ist auf den unbestimmten Ausdruck
einer päpstlichen Bulle gestellt und eine großherzogliche Verordnung aufgehoben,
wonach nur ein Deutscher von Geburt und Staatsbürger des Staates, worin
sich der erledigte Bischvssitz befindet, gewählt werden konnte, welcher entweder
die Seelsorge oder ein akademisches Lehramt oder eine öffentliche Stelle mit
Verdienst und Auszeichnung verwaltet hat und der inländischen Staats- und
Kirchenverfassung, der Landesgesetze und Einrichtungen kundig ist. Bekanntlich
wurde bei den letzten Erledigung des Bischofsitzes Mainz die rechtmäßige Wahl
des mit all den vorstehend bezeichneten und auch mit den canonischcn Eigen¬
schaften vollkommen ausgerüsteten Professor Dr. L. Schmidt in Gießen durch
das Capitel unbeachtet gelassen und statt desselben der Ausländer und der-
malige Bischof Will). Emanuel v. Ketteler eingesetzt. Trotzdem die Conven¬
tion nicht nur nicht die landständische Genehmigung erhalten, sondern sogar
die zweite Kammer die Ministcrankiagc wegen verfassungswidrigen Abschlusses


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/105>, abgerufen am 28.07.2024.