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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Er wendete sich nun an die Ritter. Zuerst an den Grafen von Salisbury.
der neben der schönen von ihm heiß geliebten Gräfin von Derby saß. Er lud
ihn, den bravsten der Ritter, ihn der von Liebe erfüllt sei, ein, den andren
ein Beispiel zu geben und auch seinerseits ni,er diesem Sinnbilde sein Ge¬
lübde abzugeben.

Der Graf rief: "Ich diene der anbetungswürdigsten Dame auf dieser
Erde. Wenn die heilige Jungfrau selbst hier stände, wenn sie sich ihrer Gött¬
lichkeit entkleiden wollte, um mit dieser Dame um den Preis der Schönheit zu
streiten, ich wüßte nicht, ob ich ihr den Vorzug geben würde. Wohlan! wo
könnte ich anders, als in diesen Augen, einen mächtigeren und schöneren An¬
reiz finden, mich zur höchsten Tapferkeit zu erheben? Begierig, den Lohn zu
empfangen, den sie mir so grausam für meine Liebe verweigert, bitte ich sie
heute allein um die Gnade, mir den Finger ihrer weißen Hand zu leihen, um
ihn auf mein rechtes Auge zu legen."

"Hier sind zwei," rief die schöne Gräfin, "es wäre unrecht, sie euch zu ver¬
weigern."

"Und so gelobe ich," sprach Salisbury. indem er diese Finger auf sein
Auge legte, "bei dem allmächtigen Gott und der heiligen Mutter Gottes, daß
dieses mein Auge sich nicht eher wieder öffnen soll, als bis ich den Boden Frank¬
reichs betreten und das Heer Philipps in der Schlacht bekämpft haben werde."

Der tapfre Gras aber hat, wie der Dichter bezeugt, und wie das ganze
englische Heer bezeugt, sein Wort gehalten, indem er sein rechtes Auge nicht
früher, als er gelobt, geöffnet hat.

Roberts Auge aber erglänzte von neuer Freude bei diesem Gelübde; er
. wendete sich an die Gräfin Derby.

"Auch ihr, schöne Gräfin, habt nun billig euer Gelübde für die Rechte
eures Königs darzubringen."

"Mit Freuden," rief sie. "Ich gelobe also, keinen Ritter, welcher es sei,
zu erhören, bis und wenn der Gras von Salisbury sein Gelübde erfüllt haben
wird; kehrt er dann glücklich heim, so gehöre ich ihm für immer."

Bei diesen Worten ward die Brust des Salisbury von hoher Freude und
neuem ^Muthe erfüllt.

Robert aber ging weiter und reichte dem edlen Ritter aus dem Hennegau,
dem Walther von Maury, die Schüssel dar. Dieser, dessen Tapferkeit und
kluger Rath eine Stütze des Thrones Eduards waren, erhob seine stahlge¬
wappnete Hand über den Reiher und gelobte bei der heiligen Jungfrau, die
erste Feste Frankreichs. Tournay. trotz ihrer Wälle und Mauern, in Asche zu
legen und ihren Wächter. Godemars du Fay. mit seinen Mannen niederzu¬
werfen. "Jm Uebrigen ergebe ich mich in den Willen Gottes, der allein meine
Thaten segnen und mir mein Gelübde zu erfüllen helfen kann."


Er wendete sich nun an die Ritter. Zuerst an den Grafen von Salisbury.
der neben der schönen von ihm heiß geliebten Gräfin von Derby saß. Er lud
ihn, den bravsten der Ritter, ihn der von Liebe erfüllt sei, ein, den andren
ein Beispiel zu geben und auch seinerseits ni,er diesem Sinnbilde sein Ge¬
lübde abzugeben.

Der Graf rief: „Ich diene der anbetungswürdigsten Dame auf dieser
Erde. Wenn die heilige Jungfrau selbst hier stände, wenn sie sich ihrer Gött¬
lichkeit entkleiden wollte, um mit dieser Dame um den Preis der Schönheit zu
streiten, ich wüßte nicht, ob ich ihr den Vorzug geben würde. Wohlan! wo
könnte ich anders, als in diesen Augen, einen mächtigeren und schöneren An¬
reiz finden, mich zur höchsten Tapferkeit zu erheben? Begierig, den Lohn zu
empfangen, den sie mir so grausam für meine Liebe verweigert, bitte ich sie
heute allein um die Gnade, mir den Finger ihrer weißen Hand zu leihen, um
ihn auf mein rechtes Auge zu legen."

„Hier sind zwei," rief die schöne Gräfin, „es wäre unrecht, sie euch zu ver¬
weigern."

„Und so gelobe ich," sprach Salisbury. indem er diese Finger auf sein
Auge legte, „bei dem allmächtigen Gott und der heiligen Mutter Gottes, daß
dieses mein Auge sich nicht eher wieder öffnen soll, als bis ich den Boden Frank¬
reichs betreten und das Heer Philipps in der Schlacht bekämpft haben werde."

Der tapfre Gras aber hat, wie der Dichter bezeugt, und wie das ganze
englische Heer bezeugt, sein Wort gehalten, indem er sein rechtes Auge nicht
früher, als er gelobt, geöffnet hat.

Roberts Auge aber erglänzte von neuer Freude bei diesem Gelübde; er
. wendete sich an die Gräfin Derby.

„Auch ihr, schöne Gräfin, habt nun billig euer Gelübde für die Rechte
eures Königs darzubringen."

„Mit Freuden," rief sie. „Ich gelobe also, keinen Ritter, welcher es sei,
zu erhören, bis und wenn der Gras von Salisbury sein Gelübde erfüllt haben
wird; kehrt er dann glücklich heim, so gehöre ich ihm für immer."

Bei diesen Worten ward die Brust des Salisbury von hoher Freude und
neuem ^Muthe erfüllt.

Robert aber ging weiter und reichte dem edlen Ritter aus dem Hennegau,
dem Walther von Maury, die Schüssel dar. Dieser, dessen Tapferkeit und
kluger Rath eine Stütze des Thrones Eduards waren, erhob seine stahlge¬
wappnete Hand über den Reiher und gelobte bei der heiligen Jungfrau, die
erste Feste Frankreichs. Tournay. trotz ihrer Wälle und Mauern, in Asche zu
legen und ihren Wächter. Godemars du Fay. mit seinen Mannen niederzu¬
werfen. „Jm Uebrigen ergebe ich mich in den Willen Gottes, der allein meine
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[0071] Er wendete sich nun an die Ritter. Zuerst an den Grafen von Salisbury. der neben der schönen von ihm heiß geliebten Gräfin von Derby saß. Er lud ihn, den bravsten der Ritter, ihn der von Liebe erfüllt sei, ein, den andren ein Beispiel zu geben und auch seinerseits ni,er diesem Sinnbilde sein Ge¬ lübde abzugeben. Der Graf rief: „Ich diene der anbetungswürdigsten Dame auf dieser Erde. Wenn die heilige Jungfrau selbst hier stände, wenn sie sich ihrer Gött¬ lichkeit entkleiden wollte, um mit dieser Dame um den Preis der Schönheit zu streiten, ich wüßte nicht, ob ich ihr den Vorzug geben würde. Wohlan! wo könnte ich anders, als in diesen Augen, einen mächtigeren und schöneren An¬ reiz finden, mich zur höchsten Tapferkeit zu erheben? Begierig, den Lohn zu empfangen, den sie mir so grausam für meine Liebe verweigert, bitte ich sie heute allein um die Gnade, mir den Finger ihrer weißen Hand zu leihen, um ihn auf mein rechtes Auge zu legen." „Hier sind zwei," rief die schöne Gräfin, „es wäre unrecht, sie euch zu ver¬ weigern." „Und so gelobe ich," sprach Salisbury. indem er diese Finger auf sein Auge legte, „bei dem allmächtigen Gott und der heiligen Mutter Gottes, daß dieses mein Auge sich nicht eher wieder öffnen soll, als bis ich den Boden Frank¬ reichs betreten und das Heer Philipps in der Schlacht bekämpft haben werde." Der tapfre Gras aber hat, wie der Dichter bezeugt, und wie das ganze englische Heer bezeugt, sein Wort gehalten, indem er sein rechtes Auge nicht früher, als er gelobt, geöffnet hat. Roberts Auge aber erglänzte von neuer Freude bei diesem Gelübde; er . wendete sich an die Gräfin Derby. „Auch ihr, schöne Gräfin, habt nun billig euer Gelübde für die Rechte eures Königs darzubringen." „Mit Freuden," rief sie. „Ich gelobe also, keinen Ritter, welcher es sei, zu erhören, bis und wenn der Gras von Salisbury sein Gelübde erfüllt haben wird; kehrt er dann glücklich heim, so gehöre ich ihm für immer." Bei diesen Worten ward die Brust des Salisbury von hoher Freude und neuem ^Muthe erfüllt. Robert aber ging weiter und reichte dem edlen Ritter aus dem Hennegau, dem Walther von Maury, die Schüssel dar. Dieser, dessen Tapferkeit und kluger Rath eine Stütze des Thrones Eduards waren, erhob seine stahlge¬ wappnete Hand über den Reiher und gelobte bei der heiligen Jungfrau, die erste Feste Frankreichs. Tournay. trotz ihrer Wälle und Mauern, in Asche zu legen und ihren Wächter. Godemars du Fay. mit seinen Mannen niederzu¬ werfen. „Jm Uebrigen ergebe ich mich in den Willen Gottes, der allein meine Thaten segnen und mir mein Gelübde zu erfüllen helfen kann."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/71>, abgerufen am 29.09.2024.